Vaterstettener Finanzen:Stürme und Piraten

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Der Haushalt der Gemeinde Vaterstetten ist heuer doppelt unter Druck. Neben den Folgen von Corona könnte auch noch die Insolvenz der Greensill-Bank teuer werden

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Gerade in Krisenzeiten haben Traditionen etwas tröstliches, insofern gab es in der Haushaltssitzung des Vaterstettener Gemeinderates ein bisschen Trost. Das Gemeindeschiff, welches Günter Lenz (SPD) seit mehr als 20 Jahren durch die Haushaltsdebatte kreuzen lässt, war auch heuer wieder unterwegs. Dem Untergang geweiht sei es keinesfalls, zeigte sich Lenz optimistisch, "es trotzt nicht nur dem Corona-Sturm, sondern auch den schmerzhaften Übergriffen australischer Seeräuber".

Was sehr gut die beiden Probleme zusammenfasst, vor denen die Vaterstettener Finanzen in diesem Jahr stehen. Die andauernde Corona-Krise macht eine verlässliche Planung nahezu unmöglich, wie Kämmerer Markus Porombka in seinem Sachvortrag erläuterte. "Der Ausblick ist unsicher und ungewiss", so sei etwa derzeit nicht klar, ob es weitere Hilfsprogramme von Bund und Land geben werde. Sehr klar sei leider aber, dass sich die Einnahmensituation drastisch verschlechtert habe, besonders bei der Gewerbesteuer. Hier sei man auf das Niveau von 2011 zurückgefallen, bei der Einkommensteuer immerhin auf das des Jahres 2018.

Das zweite Problem - die australischen Seeräuber - ist die Insolvenz der Bremisch-Australischen Privatbank Greensill, die wohl auf massiven Betrug zurückzuführen ist, zumindest geht die Staatsanwaltschaft diesem Vorwurf nach. Bei der Bank hatte die Gemeinde Vaterstetten etwa 5,5 Millionen Euro angelegt. Wie Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) auf Nachfrage von Sepp Mittermeier (SPD) erklärte, gehe man derzeit von einer Insolvenzquote zwischen zehn und 20 Prozent aus. Das bedeutet, die Gemeinde erhielte lediglich einen Betrag zwischen 550 000 und 1,1 Millionen Euro zurück.

Ein drittes Problem, das in Lenz' nautischer Metapher nicht mehr vorkam, ist, dass die Gemeinde kaum Möglichkeiten hat, Kosten zu reduzieren. Weder die Kreisumlage, noch die Kinderbetreuung oder die Personalkosten seien verhandelbar. Zumindest für letzteres hatte es in den Vorberatungen im Hauptausschuss am Mittwoch eine Idee gegeben. Klaus Willenberg (FDP) regte an, die beiden neuen Stellen, einen Mobilitätsmanager und die Besetzung der geplanten Vergabestelle, gewissermaßen auf Pause zu setzen. Erst wenn man mehr Klarheit über den Haushalt habe, sollten sie besetzt werden. Dies hatten der Ausschuss wie der Gemeinderat zwar auch so beschlossen, laut Bürgermeister hat dies aber wenig Auswirkungen auf den aktuellen Haushalt, da die Stellen ohnehin frühestens Ende des Jahres besetzt würden.

Gut eine Million Euro spart man beim Straßenbau und -unterhalt, heuer sind nur Maßnahmen für rund 525 000 Euro auf der Agenda, etwa ein Drittel des sonst üblichen Budgets. Allerdings wandern die Maßnahmen dann eben einfach ein Haushaltsjahr weiter. Etwa die 289 000 Euro für die Planung der Umfahrung Weißenfeld-Parsdorf. Die liegt auf Eis, weil nicht absehbar ist, wann das Verwaltungsgericht über Klagen der Grundstückseigentümer entscheidet. Diese wollen ihr Land nicht verkaufen, zumindest nicht zu dem Preis, welchen die Gemeinde bietet.

Weshalb es begründete Zweifel daran gibt, dass das Projekt überhaupt umsetzbar ist, schließlich muss der nördliche Teil in zweieinhalb Jahren fertig sein, will man einen Zuschuss von vier Millionen Euro nicht verlieren. Für Axel Weingärtner (Grüne) kann man das Vorhaben daher gleich bleiben lassen. Er votierte dafür, die Umgehung aus dem Finanzplan der Jahre bis 2024 zu streichen, dann könnte seine Fraktion auch zustimmen und die geplanten Schulden würden viel niedriger ausfallen. Die sind in der Tat beachtlich, vom kommenden Jahr an werden sie immer um den Wert von rund 30 Millionen Euro pendeln. Was für Wolfgang Schermann (SPD-Fraktion) auch ein Grund ist, den Haushalt abzulehnen, wie er bereits im Hauptausschuss erklärte. Auch zwei weitere Mitglieder seiner Fraktion votierten gegen das Zahlenwerk: Mittermeier und Cordula Koch. Grund ist, dass der Haushalt gut zwei Millionen Euro für den Ausbau des Breitbandinternets enthält. Dass die Gemeinde dies in Eigenregie übernimmt, ist bei der SPD umstritten.

Insgesamt war die Stimmung auf dem Gemeindeschiff aber konstruktiv: Der Bürgermeister kündigte an, 2021 werde das Jahr der Priorisierungen. Ein "Fahr- und Investitionsplan" darüber, welche Großprojekte - etwa Schulsanierungen, Rathausneubau, Gemeindebücherei oder Bürgersaal - wann und in welcher Form kommen, solle heuer erarbeitet werden. Das lobte auch Willenberg, regte aber mehr Informationen über die sehr volatile Finanzlage an. Vielleicht könne der Kämmerer in jeder Gemeinderatssitzung einen Sachvortrag halten. Grundsätzlich berichte er gerne, so Porombka - aber alle vier Wochen sei zu viel Aufwand für die Kämmerei. Vielleicht berichte man künftig immer dann, wenn es "Meilensteine", wie etwa Steuerschätzungen zu vermelden gebe, schlug Spitzauer vor. Die schwierigen Aussichten betonte auch Christl Mitterer (CSU), "eigentlich ist alles obsolet, was wir heute hier sagen". Um so wichtiger sei, dass "alle an einem Strang ziehen". Und, so ergänzte Dritter Bürgermeister Roland Meier (FW), "am besten in die gleiche Richtung".

Wie auf hoher See eben.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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