Vaterstetten:Wohnen, wo andere Auto fahren

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Der nördliche Teil der Johann-Sebastian-Bach-Straße in Vaterstetten wurde vor 13 Jahren gebaut, um die Siedlungen südlich davon vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Nun soll direkt an der Umgehungsstraße ein neues Wohngebiet entstehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Norden Vaterstettens entsteht direkt an der Umgehungsstraße ein weiteres Baugebiet. Neben Wohnhäusern sollen dort auch eine Kita und das neue Haus an der Dorfstraße entstehen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Aus der Entlastungs- wird eine Erschließungsstraße. Die Nordost-Tangente, einst gedacht um Wohngebiete im Ortskern Vaterstettens zu beruhigen, bekommt nun selbst ein Wohngebiet. Mit großer Mehrheit beschloss der Bauausschuss des Gemeinderates die Entwicklung eines 2,26 Hektar großen Grundstücks an der Johann-Sebastian-Bach-Straße. Neben Wohnbebauung soll dort auch eine Kindertagesstätte und das neue Domizil der sozialen Einrichtung "Haus an der Dorfstraße" entstehen.

Als der damalige Vaterstettener Bürgermeister Robert Niedergesäß im Herbst 2004 den Spaten zur Hand nahm und offiziell den Bau der neuen Umgehung einleitete, ging damit auch eine gut zwei Jahrzehnte währende Planung zu Ende. Seit den 1980er Jahren hatte man in der Gemeinde nach einer Lösung gesucht, wie man die Anwohner im Bereich von Carl-Orff-Straße, Baldhamer Straße und Dorfstraße vom Durchgangsverkehr entlasten könnte. Nach langwierigen Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern konnte dann vor 13 Jahren endlich mit der etwa einen Kilometer langen Spange zwischen Baldhamer Straße im Süden und Ottendichler Straße im Nordwesten begonnen werden. Unterstützt wurde die Gemeinde dabei von der Regierung von Oberbayern. Für Straßenbau und Grunderwerb gab es insgesamt 405 000 Euro Fördergeld.

Manfred Schmidt (FBU/AfD) stellte im Gremium daher die Frage, ob man diese Mittel nun eventuell zurückzahlen müsse. Schließlich sei mit der Förderung damals auch die Forderung verbunden gewesen, dass eben keine neuen Siedlungen an die Straße angebaut werden sollten. Laut Auskunft von Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) ist dies aber nicht der Fall, die Bindungsfrist der Fördermittel sei inzwischen abgelaufen. Doch auch das Projekt insgesamt stieß im Ausschuss auf einige Kritik. Schmidt beklagte neben dem Anbau an die Nordost-Tangente auch die erneute großflächige Versiegelung in der Gegend, wo gerade das neue Wohngebiet Nordwest entsteht. Diese schnelle Folge kritisierte auch Herbert Uhl (FW). Das im Gemeindeentwicklungsprogramm festgelegte Bevölkerungswachstum sei durch die gegenwärtig entstehenden Wohngebiete und durch Nachverdichtung längst erreicht oder sogar übertroffen.

Auch der Standort für das Wohngebiet sei falsch gewählt, so Uhl. Die Freien Wähler hätten damals zwar mehrheitlich für den Bau der Umfahrung gestimmt, aber nur unter der Voraussetzung, dass dort keine neuen Wohngebiete hingebaut würden. Der Standort könnte durchaus noch Probleme verursachen, gab auch Stefan Ruoff (Grüne) zu bedenken. Er erinnerte daran, dass es schon beim Wohngebiet an der Gerda-Penzel-Straße, das etwas weiter südlich ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Nordost-Tangente liegt, "sofort Beschwerden der Anwohner" wegen des Verkehrslärms gegeben habe: "Das ist zu nah." Und zu früh. "Wir haben schon großen Zuwachs in Nordost", nun erneut und unmittelbar daneben ein weiteres Wohngebiet zu bauen, "das ist der falsche Zeitpunkt, vielleicht wäre es in zehn Jahren sinnvoll."

Über Art und Größe des Baugebietes informierte Mechthild Siedenburg vom Architekturbüro Zwischenräume. Geplant ist demnach direkt an der Nordost-Tangente die Kindertagesstätte mit vier Gruppen und südlich davon das neue Haus an der Dorfstraße zu bauen. Wie Bauamtsleiterin Brigitte Littke erklärte, braucht die soziale Einrichtung, die sich um Menschen mit psychischen Erkrankungen kümmert, dringend neue Räumlichkeiten. Denn der derzeitige Wohnbereich entspreche nicht mehr den Vorgaben, zudem laufe der Mietvertrag bis 2020 aus. Daher plane die Einrichtung ein Gebäude in dem bis zu 61 Bewohner einmal leben sollen. Dieses solle nicht zu weit von den Werkstätten und Verwaltungsräumen entfernt sein, damit die Betreuten zwischen ihrer Wohnung und den übrigen Einrichtungen zu Fuß gehen könnten.

Ihr Weg wird sie dabei über den derzeit als Rad- und Fußweg ausgebauten Parsdorfer Weg führen. Dieser, so Siedenburg, werde die nördliche Erschließungsstraße des neuen Baugebietes und zwischen Johann-Sebastian-Bach-Straße und Dorfstraße durchgehend autotauglich ausgebaut. Eine weitere Straße wird davon abzweigend zwischen Kita und dem neuen Haus an der Dorfstraße einerseits und dem neuen Wohngebiet verlaufen. Dieses wird aus insgesamt zwölf Baukörpern bestehen. Davon sind fünf zweistöckige Mehrfamilienhäuser, die restlichen sieben dreispännige Reihenhäuser. Ein Teil davon, laut Littke 15 Prozent, soll sozialer Wohnungsbau werden, die Gemeinde werde das Belegungsrecht erhalten. Dies und die Übernahme der Baukosten der Kita soll mit dem Grundstückseigentümer in einem städtebaulichen Vertrag geregelt werden.

Bei vier Gegenstimmen von Schmidt, Uhl und den Grünen wurde der Bebauungsplan für das Wohngebiet beschlossen.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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