Nachwuchstalent:Filmwettbewerb: Vaterstettener hofft auf Klicks

Lesezeit: 3 min

Der 17-jährige Regisseur Rafael Peiß stellt sich mit einem Horrorstreifen dem Urteil des Internets. Die entscheidende Frage: Wie kommen die rabiaten Szenen auf Youtube an?

Von Victor Sattler, Vaterstetten

Längst sind Klicks ein demokratischer Gradmesser geworden und das anonyme Internetvolk eine richterliche Gewalt. So entscheidet die erfasste Zahl an Seitenaufrufen eines Youtube-Videos etwa, ob und wie viel dem Urheber für sein Video bezahlt wird, zu dem Youtube Anzeigen schalten darf - berühmte Branchengrößen können gar ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Insofern ist es nur zeitgemäß, dass beim Kinder-Publikumspreis "Weißer Elefant" des Medien-Clubs München nicht zwingend dem besten, sondern dem mit den meisten Klicks gesegneten Film das Preisgeld von 3000 Euro zugesprochen wird - der 17-jährige Vaterstettener Schüler Rafael Peiß und sein neunminütiger Kurzfilm "Mothman" stehen in Klick-Konkurrenz zu 27 anderen Schülerfilmen aus ganz Bayern.

Für Rafael Peiß ist das nichts gänzlich Neues, denn der 17-Jährige hat seinen eigenen Youtube-Channel, ist technisch begabt. Sein "Mothman" - zu deutsch Mottenmann - besticht mit visuellen Effekten, digitalen Animationen und Chroma Key, einer Technik, die es erlaubt, Gegenstände oder Personen nachträglich vor einen Hintergrund zu setzen. Aus einem vielbemühten Motiv des Horrorgenres heraus - der Jugendliche am Abend allein zu Haus, die Eltern sind ausgegangen, die Nacht nimmt ihren Lauf - beginnt Peiß, unheilvolle Vorboten mit dem Computer in die reale Welt zu setzen.

Die Bedrohung lauert in Gestalt des titelstiftenden Mottenmannes: Einem düsteren Fabelwesen der amerikanischen Neuzeit, das sich über die Jahrzehnte hinweg durch wiederholte Sichtungen so hartnäckig im Bewusstsein der Verschwörungstheoretiker hielt, wie es auch unauslöschbar durchs Internet geistert. Dort, im Internet, stieß Rafael Peiß auf den Mottenmann - und hier, im Film, bekommt es der von Peiß gespielte Protagonist mit ihm zutun.

Diese Handlung, die sich in eine Saga einreiht, zu der 2002 schon Richard Gere beitrug, stellte Peiß in erster Linie vor technische Herausforderungen. Damit im Film ein Auto von rollenden Baumstämmen zerquetscht werden kann, musste der junge Filmemacher ein 3D-Modell des Autos aus einem Foto erstellen. Damit er hoch über den Wäldern fallengelassen werden kann, strampelte Peiß auf dem Boden auf einem grünen Tuch - der Greenscreen wird in der Nachbearbeitung zu den luftigen Höhen, in denen der Mottenmann seine Klauen öffnet. Peiß macht das alles in Eigenregie, zeichnet aber auch verantwortlich für Drehbuch, Kamera und Bildbearbeitung. Nur als weibliche Hauptrolle wurde seine Oma Gertraud Peiß gecastet.

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Der Klicker als Kritiker

Beim Publikumspreis des Medien-Clubs München war den Bewerbern kein Thema vorgegeben: Gedicht-Verfilmungen, praktische Erklärvideos, stumme Stop-Motion und Trump-Parodien konkurrieren auf dem Kanal um 3000 Euro Preisgeld. Die Jury hat die 28 Kurzfilme zwar alle gesehen, um sie auf die Teilnahmekriterien hin zu prüfen, ein Urteil über deren Qualität erlaubt sie sich aber nicht.

Stattdessen soll die Zahl der Klicks hier die Spreu vom Weizen trennen und am Ende zwei Gewinner küren. Petra Fink-Wuest, Vorstandsmitglied des Medien-Clubs München, hält das für ein faires und aussagekräftiges Verfahren: "Es hilft auch nichts, wenn sich jetzt alle Schüler und Eltern an die Computer setzen, um wieder und wieder auf ihr Video zu klicken", sagt Fink-Wuest. Youtube könne die Aufrufe nämlich so filtern, dass nur jene, die das Video auch tatsächlich bis zu einer bestimmten Stelle angesehen haben, in die Statistik einbezogen werden.

Wiederholte Aufrufe von ein und derselben IP-Adresse würden ebenfalls als solche erkannt und keine gewinnbringenden Klicks generieren. Der Klicker als Kritiker - ein Urteil, noch bevor der Film beginnt? "Die Schüler sollen den Umgang mit Youtube lernen", erklärt Fink-Wuest, "es geht dabei um Mobilisierung: Wie bekomme ich möglichst viele Leute dazu, meinen Film anzusehen?"

Einen "Spezialfall" nennt dieses Wettbewerbskonzept auch Rafael Peiß, der einer klassischen Jury-Bewertung generell zugetaner ist. "Filme, hinter denen weit weniger Aufwand steckt, bekommen oft mehr Klicks", sagt Peiß und trifft damit einen Nerv des Internet-Zeitalters: Die Kritik, dass die Leute lieber süße Katzenvideos schauen als alles andere; dass viele gerade von den banalen Dingen angezogen werden, wie Motten vom Licht. Verweigern will sich Peiß dem "Clickbaiting" aber nicht, sondern hat seinen "Mothman" bereits in die Whatsapp-Gruppe seiner Schule gepostet, in der Hoffnung, dass ein paar seiner Mitschüler auch draufklicken. "Man bräuchte eigentlich einen Prominenten im Bekanntenkreis", überlegt er, "wenn der nur einmal den Film teilt, ist die Sache geregelt."

Die 28 Kurzfilme im Wettbewerb um den "Weißen Elefanten" stehen noch bis zum 30. Mai auf http://www.youtube.com/medienclubmuenchen zur öffentlichen Abstimmung bereit. Jeder Aufruf zählt dabei als Votum.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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