Radio-Projekt:Vaterstetten im Ohr

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Leon Öttl, Thibauld Krause und Marvin Schittko arbeiten in ihrem durchaus professionellen Radio-Studio. (Foto: Christian Endt)

Eine Gruppe von Jugendlichen betreibt einen Internet-Radiosender für ihre Heimatgemeinde

Von Cindy Wersche, Vaterstetten

Manche Vaterstettener kennen den Internet-Radiosender "Vaterstetten FM" nicht nur vom Hörensagen, sondern auch vom Zuhören. Und wer ihn kennt, weiß, was das Besondere daran ist. Gegründet, geführt und finanziert wird der Sender ausschließlich durch Jugendliche aus der Gemeinde. Dazu gehören die beiden Chefredakteure und Moderatoren Marvin Schittko und Leon Öttl sowie die Jungredakteure Thibault, Luisa, Ludwig, Kilian, Sophia, Maximilian, Raphael, Laura und Shania.

Wer das Studio bei Marvin zu Hause betritt, in dem alle zwei Wochen für etwa 60 bis 120 Minuten Radiosendungen produziert werden, dem fällt als erstes die professionelle Ausstattung auf. "Wir stecken unser ganzes Geld in unser Projekt", erklärt Marvin. Gemeinsam mit Leon und Thibault nehmen sie gerade die Sendung für den Februar auf. Nachrichten werden kurz vor der Livesendung aktuell eingesprochen. Aufregung ist den Jungredakteuren dabei nicht anzumerken. "Unser Radiosender besteht bereits seit dem 6. Oktober 2013. Seit April 2015 gehen wir regelmäßig auf Sendung, da gewöhnt man sich dran", erklärt der 15- jährige Marvin. Das Konzept haben sie unter das Motto "aktuell, lokal, informiert" gestellt. Berichtet wird ausschließlich über Themen aus der Gemeinde. Dazu zählen die Beschlüsse der letzten Gemeinderatssitzung und die Musik gemeindeansässiger Bands wie "Paradoxon" oder "Die Supersieger" genauso dazu wie Informationen über die Partnerschaft mit Allauch, Alem Katema oder Trogir.

Empfangen kann man "Vaterstetten FM" nur online. Dafür ist ein Geschäftspartner der Jugendlichen, die "Radio im Internet GbR" zuständig. Sie stellt den Vaterstettenern kostenlos Sendezeit auf ihrem Online-Radiostream zur Verfügung. So kann die Gema-Lizenz des Anbieters mitgenutzt werden. Der Vorteil: Auf dem deutschen Musikmarkt erhältliche Songs dürfen gespielt werden.

Ihre Informationen über das Gemeindeleben beziehen die Jugendlichen über Pressemeldungen, private Kontakte oder auch Bürgermeister Georg Reitsberger. "Wir waren zum Beispiel die Ersten, die über die Unterbringung der Asylbewerber in der Turnhalle des Gymnasiums berichtet haben", erzählt Thibault stolz. Die Information hätten sie von Schulleiter Rüdiger Modell bekommen.

Werbung für den Radiosender machen die Jugendlichen selten. So waren die letzten Aktionen, um auf sich aufmerksam zu machen, eine Livesendung vom Vaterstettener Christkindmarkt, auf dem die Jugendlichen einen kostenlosen Stand hatten, und ein Gewinnspiel. Ein geringer Aufwand, der sich dennoch zu lohnen scheint. 200 bis 400 Zuhörer pro Sendung können die Jungredakteure verzeichnen. "Wir haben Quoten, die sich andere nur wünschen können", sagt Thibault. Auf den ersten Blick wirkten die Zuhörerzahl zwar nicht so enorm, aber rechne man sie auf die Einwohnerzahl um, "können wir sehr zufrieden sein." Die Radiomachern ist dennoch an einer anderen Eigenwerbung gelegen. Sie seien immer auf der Suche nach Nachwuchs für das Studio. Jeder Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 26 Jahren ist bei "Vaterstetten Fm" willkommen. " Bis auf das Alter gibt es keine Voraussetzungen, um Teil unseres Teams zu werden", sagt Leon. "Man sollte jedoch ein gewisses Interesse fürs Schreiben und Recherchieren mitbringen."

Auch wenn keine Vorkenntnisse gefordert sind, können Leon und Thibault bereits etwas vorweisen. Sie haben bei den "Jungen Talenten" des Radiosenders "egoFM" teilgenommen. Hier sammeln Jugendliche erste Eindrücke im Radiojournalismus. Vermittelt werden Grundkenntnisse und Fortgeschrittenenwissen von Fachkräften aus der Branche. Chefredakteur Marvin hat ein Praktikum beim Bayerischen Rundfunk absolviert. "Unser Ziel für die Zukunft ist es auf jeden Fall, noch höhere Zuhörerquoten zu erzielen und wöchentlich auf Sendung zu gehen", sagt Marvin. Das sei momentan aber etwas schwierig, weil die Radiomacher hauptberuflich noch zur Schule gehen und diese derzeit nachmittags durchaus lernintensiv sei. Und der größte Zeitfresser bei ihrem Hobby sei nicht die Sendung an sich, sondern die Vorbereitung. "Da muss unglaublich viel geplant und geschrieben werden, das dauert oft bis spät in die Nacht", erklärt Marvin. Um die Sendung für die Zuhörer noch ansprechender zu gestalten, experimentieren die Radiomacher mit der App "Periscope", mit der die Jungredakteure den Zuhörern einen Live-Einblick in das Studio währen der Sendung gewähren können.

Trotz ihres Erfolges mit "Vaterstetten FM" wollen die drei nicht gleich beruflich beim Radio einsteigen. Marvin möchte Medienwissenschaften, Thibault Politikwissenschaften und Leon Luftverkehrswirtschaft studieren.

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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