Vaterstetten:Teure Einheit

Lesezeit: 1 min

Die Münchner Vororte schweißt der Zuzug zusammen

Von Alexandra Leuthner, Vaterstetten

Dass Vaterstetten und Baldham ein Problem mit ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl hätten, kann man sich kaum vorstellen, registriert man doch, dass man von einem Ortsteil in den anderen fährt, nur wenn man die Ortsschilder sieht. Viel eher sei es so, dass den Bewohnern der vorstädtischen Gemeindeteile das Gefühl einer Ortsidentität gänzlich abgeht, sagt einer, der hier aufgewachsen ist. Bürgermeister und Landwirt Georg Reitsberger würde das vielleicht sogar unterschreiben, empfindet das selbst aber ganz anders. Nach 30 Jahren im Ortsverschönerungsverein ist er nicht nur ein wandelndes Vaterstettener Geschichtslexikon, sondern kann als Bürgermeister auch noch mitgestalten, wo die Reise hingeht - bis zu einem gewissen Grad allerdings nur.

Man spürt das Bedauern, mit dem er von der "schleichenden Nachverdichtung" spricht, resultierend aus vielen Ausnahmegenehmigungen und dem Fehlen von Bebauungsplänen. Spätestens seit sich herum gesprochen hat, wie schön es sich wohnt in der ehemaligen Armengegend kurz vor dem Münchner Stadtrand. Mit der Gebietsreform wurde der Parsdorfer Verwaltungssitz nach Vaterstetten verlegt, dem Gemeindegebiet die Waldkolonie Pöring und Baldham zugeschlagen. Heute ist Vaterstetten mit seinen Ortsteilen die einwohnerstärkste Gemeinde im Landkreis, hier wohnen 23000 Menschen. Und es werden immer mehr, trotz der Preise. An den sechs Prozent Bevölkerungszuwachs, die der Ortsentwicklungsplan vorgegeben hat, "sind wir schon längst dran", sagt Reitsberger, und das, obwohl die 1500 Neubürger, die bis 2020 im Baugebiet Vaterstetten Nord-West leben sollen, noch gar nicht da sind. Von wegen Armengegend: Der Bodenrichtpreis liegt bei 970 Euro pro Quadratmeter. Und entsprechend ist das Klientel, das herzieht. "Wohlhabende Familien, von denen beide verdienen."

Ein solcher Zuzug lässt Unterschiede schwinden. Erst wenn man Richtung Nordwesten fährt, öffnet sich eine andere Welt: In Weißenfeld oder Hergolding sei zwar auch Zuzug zu spüren, aber die Strukturen noch weitgehend erhalten, so Reitsberger. Wenn hier gebaut werde, dann auf eigenem Grund, für die eigenen Kinder. Ganz anders wiederum das Bild in Parsdorf. Die jüngsten Gewerbevorhaben werden gerade verwirklicht - und bringen ein neues Problem mit: 1200 Angestellte werden hier ein Auskommen finden - aber keinen Wohnraum, den sie bezahlen könnten. "Die Betriebe würden sich sogar an den Unterbringungskosten beteiligen, aber die Flächen hat die Gemeinde nicht", sagt Reitsberger. "Irgendwo müssen die Leute hin, auch wenn das große Diskussionen gibt, weil viele diese Leute hier nicht wollen."

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: