Vaterstetten:Rentner auf der Schulbank

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Geduldig erklären die Jugendlichen den Senioren, was ein modernes Handy so alles kann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schüler erklären Senioren die Geheimnisse von iPhone und Tablet

Von Viviane Rückner, Vaterstetten

"Ich will profihaft werden", betonte Liesl Esser, 75. Gerade hatte ihr Schülerin Antonia Binder, 16, diverse Funktionalitäten auf ihrem iPhone erklärt. Bei dem Projekt "Schüler werden Lehrer" der Volkshochschule Vaterstetten und der Mittelschule Vaterstetten bekamen Senioren die Chance, sich ihre Fragen zu Smartphone, Tablet oder Laptop individuell beantworten zu lassen.

Die meisten Teilnehmer kamen mit einem Zettel voller Fragen und gaben sich alle Mühe, den Erklärungen der ihnen zugeteilten Schüler zu folgen. Kommentare wie "Ich merke, wie's rumpelt", wenn das Handy vibrierte, oder "Das konnte man bei der Schreibmaschine so machen", brachte die Jugendlichen oft zum Schmunzeln. Allerdings staunten die Schüler nicht schlecht, als die meisten Senioren mit einem iPhone ankamen, auch wenn sie zunächst eher hilflos im Umgang damit wirkten. Geduldig beantworteten die Schüler die Fragen der Senioren. Binder half Esser beispielsweise dabei, ihre Touch-ID einzuspeichern, Bilder über Whatsapp zu verschicken und die MVV-App herunterzuladen und gemeinsam zu besprechen. "Wenn ich das habe", sagte Esser und deutete auf ihr iPhone, "will ich das auch benutzen!" Sie könne nicht nachvollziehen, warum ihre Freundinnen ihre technischen Geräte nicht öfter benutzen wollten und auch nicht nachfragten, wie etwas funktioniert. Ihrer Meinung nach sollte man keine Angst davor haben. Allerdings sieht sie auch die Schwierigkeiten bei einem Handy, beim Tippen sei die "Trefferquote der Buchstaben oft gering", erklärte die 75-Jährige. Sie hatte sich gemeinsam mit ihrer Freundin Sybille Schubert für das Projekt angemeldet. Schubert berichtete, dass sie bereits bei dem Projekt "Senioren für Senioren" im offenen Haus in Vaterstetten zum Thema Technik dabei waren, allerdings sei das Projekt "Schüler für Senioren" besser, da die Jugendlichen die technischen Probleme besser erkennen und erklären können. Tim Bruns, 17, half ihr unter anderem dabei, bei ihrem Laptop in ihrem Mailsystem Outlook "aufzuräumen". Interessiert tauschten die beiden Rentnerinnen sich aus, was sie gelernt hatten, vom Schreiben des "ß" und "â" bis hin zum Einstellen eines neuen Hintergrundbildes.

Die Schüler schienen ihrerseits beide sehr zufrieden mit ihrer Arbeit zu sein. "Es ist schön, den Senioren zu helfen und zu sehen, dass sie es verstehen", erklärte Antonia Binder. "Es macht die Jugendlichen stolz, ihr Wissen weitergeben zu können, und bestätigt ihnen auch gleichzeitig ihr Können", sagte Ulrike Burggraf, gemeinsam mit Birgit Piprek initiierte sie das Projekt. Burggraf, Mitarbeiterin in der Volkshochschule, zeigte sich begeistert, dass das Projekt so großen Anklang gefunden hat. "Das Ganze gab es vor drei Jahren schon einmal", berichtete sie, schon damals sei das Vorhaben sehr gut angenommen worden. Diesmal hätten einige Interessierte sogar auf eine Warteliste aufgenommen werden müssen, da zu viele Anmeldungen eingingen. Wer nicht in den Kurs kam, soll aber beim nächsten Projekt dieser Art sicher zum Zug kommen. 20 Schüler und Schülerinnen der zehnten Klasse der Mittelschule hatten sich freiwillig für das Projekt gemeldet.

Die meisten Senioren fragten lieber eine neutrale Person als ihre Enkelkinder bei technischen Fragen, um es in Ruhe und mit Geduld und ohne Witze erklärt zu bekommen, erläuterte Burggraf. Als Entschädigung dafür, dass die Schüler ihre Freizeit opferten, wurden Spenden für die Klassenkasse gesammelt. Im nächsten Semester wollen Burggraf und Piprek versuchen, erneut ein solches Projekt auf die Beine zu stellen.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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