Vaterstetten:Prost, Genossen

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Nach dem gescheiterten Verkauf der Alten Post in Parsdorf regt Bürgermeister Georg Reitsberger nun ein neues Modell zum Weiterbetrieb der Traditionsgaststätte an

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Parsdorfer sollen die Alte Post kaufen und als Genossenschaft selbst betreiben. Diese Idee für die seit mehr als einem Jahr leer stehende Wirtschaft hat nun Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger ins Gespräch gebracht. Er schließt auch eine Beteiligung der Gemeinde an der Genossenschaft nicht aus. Hintergrund ist, dass es der Eigentümerin des Gasthauses, der Kuratie Neufarn, bislang nicht gelungen ist, einen Käufer für die Immobilie zu finden.

Jahrzehntelang - ja eigentlich jahrhundertelang - war die Alte Post das Zentrum des Lebens in Parsdorf. Hier gab es eine Wirtschaft mit gemütlichem Biergarten und vor allem einen großen Saal, der für Bürger- und Parteiversammlungen ebenso genutzt wurde wie für Musik- und Theateraufführungen. Doch im Sommer 2014 war plötzlich Schluss. Von einem Tag auf den anderen war die Wirtschaft samt Saal und Biergarten zu - und blieb es bis zum heutigen Tag.

Ursache für das Versiegen von Speis und Trank und Stimmung im Herzen Parsdorfs war ein Konflikt zwischen dem Pächter und der Kuratie als Eigentümerin. Konkret ging es dabei um Brandschutzauflagen, beziehungsweise die Kosten für deren Erfüllung. Nach einem Pächterwechsel im Herbst 2013 hatte sich herausgestellt, dass Teile des Gasthauses nicht mehr den aktuellen Brandschutzauflagen entsprechen. Darüber, wer die Umbauten - unter anderem verbesserte Fluchtwege im Garderoben- und Gaststättenbereich - bezahlen muss, gingen die Meinungen auseinander. Weder die Eigentümerin noch der Pächter wollte dafür aufkommen. Letzterer zog daher im August 2014 die Reißleine und beendete das Pachtverhältnis vorzeitig.

Ein neues strebte die Kuratie anschließend nicht mehr an; Grund ist eine Wirtschaftlichkeitsanalyse. Demnach ist der Sanierungsbedarf der Immobilie enorm: Zwischen einer halben und einer Million Euro müssten in den kommenden 15 Jahren in das Gasthaus investiert werden. Neben der sofort nötigen Brandschutz-Nachrüstung müssten laut Gutachter mittelfristig auch Wärmedämmung, Sanitäranlagen und die Haustechnik erneuert werden. Unterm Strich errechneten die Experten einen jährlichen Finanzbedarf für die Instandsetzung zwischen 30 000 und 70 000 Euro. Dem gegenüber stehen jährlich Pachteinnahmen von maximal 90 000 Euro - von denen aber noch unvorhergesehene Reparaturkosten abzuziehen sind. So wären der Kuratie aber im ungünstigsten Fall weniger als 10 000 Euro Einnahmen pro Jahr verblieben.

Daher entschied man sich im Herbst 2014 für einen Verkauf - allerdings in Form eines Erbpachtverfahrens. Dieses auch Erbbaurecht genannte Modell ist eine Sonderform der Pacht und bedeutet, dass lediglich ein Nutzungsrecht für ein Grundstück, nicht aber dieses selbst veräußert wird. Im Falle der Post hätte dies bedeutet, die Kuratie bleibt Eigentümerin des Grundstückes, der Käufer erwirbt die dort befindlichen Gebäude - mit der theoretischen Option diese abzureißen und durch neue zu ersetzen, etwa durch Wohnhäuser.

Eine Vorstellung, die der politischen Gemeinde nicht behagte. Zwar könne man einen Abriss leider nicht verhindern, so Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) kurz nach Schließung der Post. Denn diese stehe nicht unter Denkmalschutz. Man werde sich aber bemühen, zu verhindern, "dass da Bauträger reingehen", so Wagner damals.

Denn Parsdorf, das aktuell rund 1200 Einwohner hat, steht vor einem Wachstumsschub: Das alte Brennereigebäude in direkter Nachbarschaft wird bald ein Wohnhaus, sechs weitere entstehen auf dem Brennereigrundstück, insgesamt wird es dort bald 37 neue Wohnungen geben. Eine ähnlich hohe Zahl wäre auch bei einer Bebauung des Wirtshaus-Grundstücks zu erwarten.

Auch bei der Kuratie ist man grundsätzlich an einer behutsamen Entwicklung interessiert. Wie Pfarrer Thomas Kratochvil kürzlich mitteilte, wolle man "im Sinne der Wünsche der Bevölkerung Einfluss auf die zukünftige Nutzung der Alten Post nehmen können" und außerdem "nach Möglichkeit den Wirtsbetrieb, die Nutzung des Saales und die pfarrlichen Räume im Erdgeschoss erhalten". Allerdings scheint es durchaus schwierig, unter diesen Voraussetzungen einen Geschäftspartner zu finden. Anfang Dezember teilte Kratochvil im Namen der Kuratie mit, dass das Bieterverfahren gescheitert sei, da es lediglich einen Interessenten gab, dessen Gebot habe sich "aber als nicht belastbar erwiesen".

Wie es mit der Wirtschaft nun weitergehen soll "ist wieder völlig offen", so Kratochvil weiter. Zwischenzeitlich könne ein Teil des Gasthauses, die Rede ist von zwei Wohnungen im ersten und zweiten Stock, dem Landkreis als Flüchtlingsunterkunft angeboten werden. Im kommenden Frühjahr wolle die Kuratie dann zusammen mit der bischöflichen Finanzkammer eine Lösung für die Alte Post suchen.

Vaterstettens Bürgermeister will sich und die Gemeinde aktiv daran beteiligen: "Ich werde alles daran setzen, dass man die Post als Gaststätte erhalten kann", sagt Reitsberger und hat bereits eine Idee, wie dies gelingen könnte: "Eine Genossenschaft wäre mir am liebsten." Die Parsdorfer könnten Anteile an ihrer Wirtschaft kaufen und diese auch über die Genossenschaft selbst verwalten, schlägt Reitsberger vor - und stellt Unterstützung durch die Gemeinde in Aussicht. Zwar könne diese die Wirtschaft nicht selbst kaufen, aber eine Beteiligung an der Genossenschaft ist für den Bürgermeister durchaus vorstellbar. "Wir werden unseren Beitrag leisten." Nicht zuletzt sei die Wirtschaft ein wichtiges Stück Geschichte: "Ohne die Poststation hätte es Parsdorf und Vaterstetten als Orte nie gegeben, das ist die Keimzelle unserer Gemeinde."

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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