Vaterstetten:Melodischer Zauber

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Zum 70. Geburtstag von John Rutter wurden in Maria Königin dessen Werke aufgeführt. (Foto: Christian Endt)

Großartiges Kirchenkonzert erklingt zum 70. Geburtstag des englischen Komponisten John Rutter

Von Peter Kees, Vaterstetten

Nicht ohne Grund wird die Musik des englischen Komponisten John Rutter häufig zwiespältig rezensiert, vermischt sie doch Elemente traditioneller abendländischer Musik mit amerikanischer Unterhaltungsmusik. So manches klingt wie Filmmusik oder erinnert an den Soundtrack amerikanischer Vorabendserien. John Rutter ist einer der populärsten Komponisten der Gegenwart, der Schwerpunkt seines Werks liegt auf Chor- und Kirchenmusik.

Anlässlich seines 70.Geburtstags führten vergangenen Sonntag der Kirchenmusiker und Chorleiter Matthias Gerstner mit dem Barockensemble Vaterstetten, dem Kammerchor Con Voce, dem Jugendchor Crescendo, dem Jubilate-Chor Zorneding sowie den Solisten Priska Eser (Sopran) und Virgil Mischok (Bariton) Rutters "Requiem" sowie dessen "Mass of the Children" in der katholischen Kirche Maria Königin in Baldham auf.

Tatsächlich könnte das Hauptthema des Gloria aus der "Mass of the Children" auch Titelmelodie einer TV-Serie sein. Aber man hörte auch den englischen Übervater Benjamin Britten heraus, bei dessen "War Requiem" Rutter 1963 als Chorist unter des Komponisten Leitung bei Schallplattenaufnahmen mitgewirkt hat. Nun ist Rutters Requiem kein verstörendes Werk, keines, das sich in die Dramatik eines Giuseppe Verdis oder gar Brittens einreihen lässt. Es ist versöhnlicher, zarter, lyrischer, eingängig und voll von melodischem Einfallsreichtum.

Der Komponist weiß dabei geschickt mit Effekten umzugehen. Sein Requiem komponierte Rutter 1985 im Andenken an den eigenen Vater, der ein Jahr zuvor gestorben war. Nach der Uraufführung erlebte das Werk eine wahre Explosion - allein in Amerika wurde es in den ersten sechs Monaten nach der Veröffentlichung mehr als 500mal gespielt. Rutter hat die traditionelle liturgische Form um Psalm-Texte ergänzt, dafür Kyrie, Dies irae, Domine Jesu Christe und das Benedictus weggelassen.

Das Ensemble um Matthias Gerstner hat in Baldham eine Kammermusikfassung dieses Requiems gespielt, eine Fassung für Sopran, Chor, Flöte, Oboe, Pauken, Glockenspiel, Harfe, Violoncello und Orgel. Rutter hat - wahrscheinlich ganz praktisch gedacht - neben der groß instrumentierten Fassung für Orchester, Chor und Sopran, zugleich diese reduzierte Partitur herausgegeben. Ein gewaltiger Unterschied, immerhin sind die durch ein Orchester erzeugten klanglichen Möglichkeiten weitaus reicher als jene der kammermusikalischen Besetzung. Für die fast sphärischen Verschmelzungsmomente des Werkes und die immer wieder auftretende Mikropolyphonie ist sicher die große Besetzung überzeugender. Dennoch gelang es in Baldham, Rutters Requiem schlüssig aufzuführen. Die Chöre, Solisten und Musiker gaben dabei ihr Bestes.

Gleiches gilt auch für die Aufführung der "Mass of the Children". Auch hier wurde nur in kleiner Besetzung musiziert - Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Pauken, Percussion, Harfe, Violoncello und Orgel, sowie die beiden Chöre und Solisten. Ein wenig schade war, dass der von Rutter vorgesehene Kinderchor in diesem Werk in der Baldhamer Kirche nicht von Kindern, sondern vom Frauenchor Con Voce und Mitgliedern des Jugendchores Crescendo gesungen wurde. Dieser Besetzung fehlte einfach der prägnante Gegensatz der kindlichen und der erwachsenen Stimmen, der doch einen wesentlichen Moment dieser Messe ausmacht. Die "Mass of the Children" wurde übrigens 2003 unter John Rutters Leitung in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführt. Ob nun Star Wars, Musical oder Britten, auch in der "Mass of the Children" fühlte man sich an diverse musikalische Genres erinnert. Man lauschte gern der mitunter fast volksliedhaften Melodik des Werkes, das mit mancher rhythmischen Raffinesse versehen ist. Was man sich bei beiden Werken etwas intensiver gewünscht hätte, wäre mehr Zauber, sprich längere Bögen und größerer Atem.

Stolz können alle Mitwirkenden dennoch sein, auch die Solisten. Denn sie haben etwas zu Gehör gebracht, was nicht alle Tage aufgeführt wird.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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