Vaterstetten:Melodienselig und wild

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Das Dante-Quartett, bestehend aus Stimmführern des Bayerischen Staatsorchesters, spielt erst seit zwei Jahren zusammen, macht aber bereits Furore. (Foto: Christian Endt)

Überwältigend: Dante-Quartett

Von Claus Regnault, Vaterstetten

Kalt war's in der Kirche Maria Königin in Baldham, das Publikum vermummt bis zum Kinn. Und dann betraten in ihren dunklen Anzügen und weißen Hemden der Kälte trotzend die vier Musiker des Dante-Quartetts mit David Schultheiß, 1. Violine, Guido Gärtner, 2. Violine, Adrian Mustea, Viola, und Yves Savary, Violoncello, den mächtig ausschwingenden Kirchensaal, den man seiner guten Akustik wegen für dieses Konzert gewählt hatte. Und wie tröstlich und schlagartig erwärmend begannen sie ihr Konzert mit dem "Langsamen Satz in Es-Dur" von Anton Webern aus dem Jahre 1905, ein bezaubernd zärtlicher Abgesang auf die Spätromantik von einem Komponisten, der sich wenig später in die klösterliche Strenge seines seriellen Spätstils zurückzog. Dieses Stück besticht dank seiner Gesanglichkeit so, als sei es von einem anderen Komponisten geschaffen, den manche von den Zuhörern dem späteren Webern in seiner prophetischen Strenge mit sich und uns wohl vorgezogen hätten. Es besticht vor allem durch den mehrfachen Wechsel zwischen dämpferlosem und gedämpftem Spiel, als verberge sich hinter dieser Melodieseligkeit ein Geheimnis.

Die Kälte behielt jedoch im folgenden Stück, dem "Streichquartett Nr. 13 a-Moll op. 29 D 804" von Franz Schubert, wegen seiner Selbstzitate "Rosamunde-Quartett" genannt, ein wenig die Oberhand. Merkwürdig entrückt zelebrierte das Dante-Quartett dieses Bekenntnisstück eigenen Leids und eigener Todesahnung.

Das Dante-Quartett, bestehend aus stimmführenden Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchesters, hat in ihrem bisher erst zweijährigen Zusammenspiel ein erstaunliches Maß an sicht- und hörbarer Homogenität entwickelt und in der derzeitigen Flut neuer Streichquartette einen oberen Platz erreicht. Und dies bewiesen sie nach der Pause in einer fulminanten Interpretation des großartig männlichen "Klavierquintetts f-Moll op. 34" von Johannes Brahms. Hierzu hatten sie den italienischen Pianisten Pierpaolo Maurizzi eingeladen, ein Glücksfall kammermusikalischer Integration, der zurückhaltend, aber dennoch bestimmt seinen Klavierpart technisch bravourös dem Gesamtklang des Ensembles ein- und unterordnete. Ursprünglich hatte Brahms dieses Werk als Streichquintett konzipiert, ein leider verschollenes Werk, dessen Kühnheit den Freundeskreis von Brahms, insbesondere seinen Beraterfreund Josef Joachim, so irritiert haben muss, dass er den Einwendungen seiner Herzensberaterin Clara Schumann folgend dem Klang des Quintetts durch die Klavierstimme der Endfassung ins Orchestrale ausweitete. Es ist auch in dieser Endfassung ein kühnes Werk geblieben, herb und streckenweise grimmig dem Vorbild des Klavierquintetts von Robert Schumann verpflichtet.

Aus dem elegischen Grundcharakter der beiden ersten Sätze dieses Werks, der sich im Vorsatz des Finales, "Poco sostenuto" wiederholt, findet dieses Werk im dritten Satz Scherzo über einem punktierten, reiterhaften Rhythmus zu einem hymnisch strahlenden Höhepunkt, eine der großartigsten Eingebungen von Brahms voller Siegesgewissheit. Im Allegro non troppo des Finales gerät dieser Ritt "über Stock und Stein" in das Gestrüpp kleinteiliger Motivik und schließlich in den abwärts führenden Sturz des Endes.

Die Interpretation durch das Quintett war getragen von mitreißender Intensität und bewies die hohe Kunst der fünf Musiker, unter denen Yves Savary mit großem Ton und impulsgebend hervorstach, mit seinen 30 Jahren Musikerfahrung dienstältestes und interpretatorisch führendes Ensemblemitglied. Der Beifall des Publikums war Echo der inneren Überwältigung durch das Erlebte.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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