Vaterstetten:Mehr Miteinander

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Wie ist das Zusammenleben von Jung und Alt in Vaterstetten? Ein Gespräch zwischen den Generationen

Von Carolin Schneider, Vaterstetten

"Ich würde die Zukunft pessimistisch sehen, wenn es euch nicht geben würde", sagt Günther Koch zu den Jugendlichen Tina Huppmann und Jonas Knott. Der Rentner erlebe die jüngere Generation als sehr hilfsbereit und tolerant. Es ist ein schöner sonniger Nachmittag in Vaterstetten. Drei Senioren und zwei Jugendliche sitzen zusammen und diskutieren darüber, wie gut das Zusammenleben der Generationen in der Gemeinde funktioniert. Dabei wird nicht nur Lob ausgesprochen, es kommt auch zu Kritik.

Die übt Koch vor allem an seiner eigenen Generation: "Die Älteren denken oft, dass sie von Haus aus Recht haben." Da müsse seine Generation lernbereiter sein. Die Jugendlichen wüssten, wie man tolerant ist. Tina Huppmann erklärt, wieso: "Wir lernen das schon in der Schule. Vor allem seit so viele Flüchtlinge gekommen sind, behandeln wir Toleranz eigentlich in jedem Schulfach." Christina Eppinger sieht für ihre Generation nicht ganz so schwarz wie Koch. In jedem Alter gebe es Menschen, die nicht dazu bereit sind, tolerant zu sein. "Toleranz ist immer ein Prozess", fügt Beate Kammel hinzu. Sie müsse sich entwickeln, sei nicht einfach da.

Toleranz und Hilfsbereitschaft lernt man vor allem im persönlichen Kontakt mit der anderen Generation. Davon können dann beide Seiten profitieren. "Meine Nachbarn sind schon etwas älter und können im Garten einfach nicht mehr so viel machen", erzählt Jonas Knott. "Deshalb gehe ich jede zweite Woche rüber und mähe ihnen den Rasen." "Und wie kannst du von den Senioren profitieren?", fragt Beate Kammel neugierig. Darauf weiß Jonas Knott erst einmal keine Antwort, doch Christina Eppinger erzählt: "Mein Mann gibt Nachhilfeunterricht und ist als Lesepate in der Schule aktiv." So engagieren sich auch Senioren dafür, um mit der jüngeren Generation in Kontakt zu kommen. Gleichzeitig sei es wichtig, auch im Alter eine Aufgabe zu haben und sich gebraucht zu fühlen - das wissen die drei Rentner genau. "Wenn man irgendwas helfen kann, macht das glücklich und zufrieden", fügt Koch hinzu.

Unglücklich, das sind sie allerdings über die Situation in der Gemeinde Vaterstetten - da sind sich alle Anwesenden einig. "Es gibt hier einfach keinen Platz, an dem sich Jugendliche treffen können", erklärt Jonas Knott. Ein Jugendtreff, wie es ihn in anderen Kommunen gibt, fehle in Vaterstetten. "Und niemand kann 30 Leute zu sich nach Hause einladen", so Knott weiter. Kammel fügt hinzu, dass die Jugendlichen die Möglichkeit hätten, sich in Vereinen zu engagieren und dort zu treffen. "Jedoch muss es auch einen Treffpunkt geben für Jugendliche, die nicht in einem Verein sind", so Kammel. Jonas Knott weiß auch schon, wie so ein Treff aussehen könnte: "In Parsdorf gibt es einen Keller mit Dart, Beamer, Leinwand und so weiter. Da kann man sich einfach treffen, um etwas zu machen." Mit dem Jugendzentrum Juz habe es so etwas schon einmal gegeben, erinnert sich Koch. Die Rentner nicken zustimmend und fragen die beiden Jugendlichen, ob sie das Juz noch kennen. Die schütteln jedoch den Kopf. "Als Jugendzentrum nicht", sagt Tina Huppmann. Vor etwa drei Jahren wurde das Juz umgebaut zum Offenen Haus der Awo. Dort können sich nun alle Generationen treffen und Kurse belegen. Koch jedoch ist der Meinung, dass das Offene Haus nicht für die Jugendlichen als Treffpunkt geeignet ist. "Die Jungen wurden vornehm aus ihrem Jugendzentrum geekelt und jetzt haben sie keinen Platz mehr", sagt er. Beate Kammel sieht das etwas anders: "Das Problem ist: Für die Älteren gab es lange Zeit auch keinen Platz. Das ist jetzt das Offene Haus."

Günther Koch, Tina Huppmann, Jonas Knott, Beate Kammel und Christa Eppinger (von l.) reden darüber, wie das Zusammenleben der Generationen in ihrer Gemeinde Vaterstetten funktioniert - und wo es hakt. (Foto: Christian Endt)

Was aber eben nur ein halber Erfolg sei, findet Koch: "Wir bräuchten etwas für beide Seiten." Jedoch wolle man keine Trennung der Generationen, sondern eine Anlaufstelle, an der sich Jung und Alt gemeinsam treffen können. Christina Eppinger und Beate Kammel engagieren sich im Arbeitskreis "Wohnen im Alter" in Vaterstetten. Dort mache man sich zur Zeit Gedanken über ein Mehrgenerationenhaus mit Wohnungen für Senioren und junge Familien. "Beide Seiten brauchen barrierefreie Zugänge", erklärt Eppinger. "Die einen für Rollstühle oder Rollatoren, die anderen für Kinderwagen." Tina Huppmann ist sich nicht sicher, ob das funktionieren würde. "Viele jungen Leute wollen nichts mit Älteren zu tun haben", erklärt sie. Deshalb ist Beate Kammel auch der Meinung, dass die Wohnungen der Senioren und die der jungen Familien getrennt sein müssten. Durch einen Gemeinschaftsraum kann dann trotzdem ein Treffen zwischen den Generationen entstehen. Jonas Knott hat eine andere Idee: "Man könnte einfach in der Mitte einen Park als Treffpunkt anlegen." "Das ist eine exzellente Idee", findet Kammel. "Wie ein Dorfplatz!" Ein Dorfplatz oder ein richtiger Park, das ist etwas, was bei den Anwesenden große Zustimmung erfährt. "In Grasbrunn gibt es so einen Platz", erzählt Tina Huppmann. "Da ist immer etwas los." Die Möglichkeit, rauszugehen und immer jemanden zu treffen, gebe es in Vaterstetten nicht, so Kammel. "Wahrscheinlich ist Vaterstetten dafür einfach zu groß", merkt Knott an. Doch Christina Eppinger findet, dass dies keine Entschuldigung ist: "Warum dann nicht einfach zwei Dorfplätze? Einer in Vaterstetten, der andere in Baldham?"

Ob auf einem Dorfplatz oder nicht - wichtig sei immer die Bereitschaft zum Dialog. Nur wer ins Gespräch komme, könne sich in andere hineinversetzen, verstehen, welche Bedürfnisse und Verhaltensweise Jüngere oder Ältere haben. Nachfragen, warum jemand etwas so oder anders mache, sei wichtig. "Und das kann man nicht einfach den Jüngeren aufladen", sagt Beate Kammel. "Dialogbereitschaft muss von beiden Seiten kommen." Dann erst könne ein Miteinander gelingen. "Das Gespräch ist unheimlich wichtig für die Gesellschaft", fasst Günther Koch zusammen. "Daran müssen wir alle arbeiten."

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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