Vaterstetten:Klangzauber im Dunklen

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Mulo Francel, hier bei einem anderen Konzert, da es in der Petrikirche zu dunkel zum Fotografieren war. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Konzert in der Petrikirche wird intensives Erlebnis

Von Rita Baedeker, Vaterstetten

In den Fensternischen der Petrikirche flackern Teelichter, auch im Altarraum, dort wo Chris Gall, Mulo Francel und D.D. Lowka, Mitglieder des Ensembles Quadro Nuevo, ihr "Konzert in der Dunkelheit" spielen, ist es schummrig. Aber das zarte Glimmen reicht aus, um den Schatten Francels, mal mit Saxofon, mal mit Klarinette, an die Wand der Petrikirche zu werfen. Manchmal, wenn der Musiker sich beim Spiel nach vorne beugt, vereinigt sich der Schatten des Blasinstruments mit dem des Kreuzes.

Das "Konzert in Dunkelheit" am Tag vor Silvester ist ein Experiment, die Idee dazu hatte Mulo Francel. Die Kirche ist bis zum letzten Winkel voll besetzt, das auf die Eintrittskarte gedruckte Motiv der Milchstraße korrespondiert mit dem blanken Nachthimmel draußen, wo der Abendstern hell leuchtet. "Gott will im Dunkeln wohnen und macht es doch hell", sagt Pfarrer Stefan Opitz zu Beginn. Fernab von greller Betriebsamkeit, von einem Alltag, in dem auch noch der letzte Winkel des Daseins ausgeleuchtet wird, in dem es eigentlich von allem zu viel gibt, können die Besucher nun in der dunkelsten Zeit des Jahres die vergangenen Monate an sich vorüberziehen lassen, darüber nachdenken, was war. "Meditativ, intensiv, dunkel eben", so beschreiben die Musiker dieses Konzert.

Mit Beginn der ersten perkussiven Klänge, die wie Tropfen ans Ohr perlen, spürt man die Veränderung. Raum und Musik werden anders und neu wahrgenommen, auch jedes Nebengeräusch, und sei es noch so leise. Wo das Auge endlich einmal Ruhe hat, wird das Gehör feiner. Im Dunkel kommen die Gedanken zur Ruhe, die Sinne erholen sich für eine Weile.

Allmählich steigen die Musiker ein, kreieren ein Klanggespinst: Pianist Chris Gall, Klarinettist und Saxofonist Mulo Francel und D.D. Lowka, der Schlagzeug und Kontrabass spielt, aber zunächst Klangschalen einsetzt. Die drei gehören der berühmten und beliebten Formation Quadro Nuevo an, Harfenistin Evelyn Huber ist nicht mit dabei, auch das Akkordeon fehlt an diesem Abend. Das Trio spielt eine faszinierende Mischung aus Improvisation, Balkan-Swing, Jazz-Standards und, wie Francel es formuliert, "Stücken, die im Dunkel funktionieren". Etwa die Komposition "Ikarus Dream", die, wie er erzählt, an eine Bergtour zum Gipfel des Kerkis beim Young-Artists-Festival auf Samos erinnert, von dem aus die Musiker einen spektakulären Blick zur Insel Ikaria hatten, wo der antiken Sage nach Dädalus seinen Sohn Ikarus, der bei seinem Flugversuch ins Meer gestürzt war, beerdigt hat. Die Tour war auch für die Musiker ein Abenteuer, das allerdings glücklich endete.

Immer wieder wechseln sie sich ab zu wunderschönen und virtuosen Soli. Wilde, treibende Basslinien, mäandernde Melodien im Wechsel mit rasenden Arpeggien und unter die Haut gehenden Melodien auf Saxofon und Klarinette, ein furioses Schlagzeugsolo, dazu der Pianist, der improvisiert, komponiert und die Grenzen zwischen elegischem Impressionismus, strengem Minimalismus und beseeltem ungestümen Jazz souverän überschreitet.

Melodien schweben wie glänzende Preziosen durch den Raum, tragen das Licht in die Köpfe und Herzen, fesseln die Aufmerksamkeit so sehr, dass die jähe Pause - in der es wieder Licht wird- beinahe verstört. Ein Jazzstandard aus den Dreißigern, hinreißend arrangiert, fährt, als es wieder dunkel ist, auch denjenigen in die Beine, die noch ganz in Gedanken versunken sind.

Auch Zugaben werden nach tosendem Applaus gewährt, darunter eine "Gewürzvertonung" aus der Reihe der "Songs of Spices". Die Formation Quadro Nuevo, stets auf der Suche nach Motiven und Ideen, die sich in Musik verwandeln lassen, hat in diesem Fall Gewürz und Musik des jeweiligen Herkunftslandes kombiniert. In der Petrikirche ist es der "Mohn", ein sinnliches Stück für das Sopransaxofon. Mit dem herzerwärmenden Klang im Ohr geht es hinaus in die kalte sternklare Nacht. Um ein Erlebnis reicher.

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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