Vaterstetten:Keine Frage des Geschmacks

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Von der Freifläche wird nicht viel übrig bleiben, wenn auf diesem Grundstück in Baldham zwei neue Einfamlienhäuser entstehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Anwohner klagt vergeblich gegen einen neben seinem Grundstück geplanten Neubau. Das Verwaltungsgericht verweist auf das geltende Baurecht

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Viel steht nicht mehr auf dem Grundstück in der Blombergstraße. Statt einem dicht bewachsenen und mit alten Bäumen bestandenen Garten - wie es hier im Baldhamer Osten noch einige gibt - blickt man auf eine Schotterfläche und eine Baugrube. Als hätte "eine Bombe eingeschlagen" se he es dort aus, beschwert sich einer der Nachbarn. Der, wenn auch unschöne, aktuelle Zustand ist aber nicht der Grund, warum sich der Anlieger ans Verwaltungsgericht gewandt hat. Stattdessen geht es um das, was dort einmal entstehen könnte - und, nach Einschätzung der Kammer auch nicht zu verhindern ist.

Geplant sind auf dem etwa 1500 Quadratmeter großen Areal zwei Einfamilienhäuser, zuletzt war es lediglich mit einem Haus bebaut. Laut dem für das Gebiet geltenden Bebauungsplan steht dem zusätzlichen Haus nichts im Weg, worauf auch Rigo Kurtz vom Vaterstettener Bauamt in der Verhandlung hinwies: "Wenn Baurecht da ist, dürfen wir es nicht versagen". Das geplante Vorhaben entspreche den Vorgaben, erklärte auch die Vorsitzende Richterin Cornelia Dürig-Friedl.

Für den Kläger hingegen geht es um etwas Grundsätzliches, er stört sich an der zunehmenden Nachverdichtung seiner Nachbarschaft: "Es muss doch nicht immer mehr und mehr werden.". Vor allem kritisierte er, dass zumeist Bauträger zum Zuge kämen, die die Grundstücke "optimal verwerten", also so viel wie möglich bauten. Wenn "wir hier ein Gebiet bekommen, wo auf engstem Raum ein Haus am anderen steht", so der Kläger, drohe "der Charakter der Siedlung" verloren zu gehen. Auch wenn dies der Fall sei, könne der Nachbar nicht dagegen vorgehen - zumindest nicht über das Baurecht, versuchte die Vorsitzende zu erklären. Denn zwar gebe es dort den Nachbarschutz, dieser greife im aktuellen Fall aber ausdrücklich nicht. Eine als unschön empfundene Verdichtung, sei nämlich definitiv nichts, wovor das Baurecht den Nachbarn schütze: "Es geht darum, dass Sie es nicht schön finden, aber auch wenn jemandem etwas nicht gefällt, muss man es hinnehmen."

Den Charakter der Siedlung vor Nachverdichtung zu bewahren, wie es der Kläger forderte, sei ebenfalls keine Aufgabe des Baurechts, so Richter Josef Beil: "Sie haben ein politisches Anliegen, aber dies können Sie nicht mit dieser Klage durchsetzen." Schließlich gebe es für Politik andere Wege als das Baurecht, sagte auch Dürig-Friedl. Außerdem wohne der Kläger praktisch selbst in einem Präzedenzfall dessen, was er zu verhindern trachte. Sein eigenes vor etwa 20 Jahren gebautes Haus steht auf einem ebenfalls zuvor geteilten Grundstück. "Sie wenden sich gegen etwas, das sie selbst gemacht haben", sagte die Vorsitzende. Noch dazu überschreitet das Haus des Klägers, im Gegensatz zum nun verhandelten Vorhaben, die im Bebauungsplan festgelegten Baulinien. "Sie hatten Glück, dass sich damals kein Nachbar beschwert hat", so die Vorsitzende.

"Das ist doch ein anderer Charakter", versuchte der Kläger noch zu erläutern und wurde dabei lautstark von einer weiteren Nachbarin unterstützt, die den Hinweis des Gerichts auch nicht akzeptieren wollte, dass Zuschauer bei Verhandlungen nicht mitreden dürfen. Es entspann sich ein lebhaftes Gezeter der Nachbarn, in dessen Verlauf eine Zuschauerin erbost den Ort des Geschehens verließ, und die zunächst unterbrochene Verhandlung dann auf die andere Straßenseite verlegt wurde, weil ein weiterer wütender Nachbar das Gericht von seiner Einfahrt verwies.

In der Sache selbst war schnell entschieden. Nach der sehr deutlich gemachten Einschätzung der Kammer, dass die Klage keinen Erfolg haben würde, zog sie der Kläger zurück.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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