Vaterstetten:Heiß auf Metall

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Der 90 Kilo schwere Käfer, eines der Lieblingsstücke von Bernhard Rausch, ist aus 19 Einzelteilen zusammengesetzt. (Foto: Christian Endt)

Haus und Garten von Kunstgießer Bernhard Rausch beherbergen unzählige Glocken und Skulpturen aus Bronze, Messing und Silber. Leben kann er von seinen Werken jedoch nicht

Von Johanna Feckl, Vaterstetten

Von außen sieht das Zuhause von Bernhard Rausch recht gewöhnlich aus: ein gepflegtes Einfamilienhaus mit Garten in einer Vaterstettener Seitenstraße. Ein paar kleinere Bäume und Büsche säumen die Rasenfläche. Und doch verbirgt sich hier viel mehr: Heim, Werkstatt und Ausstellungsraum - alles in Einem. Rausch ist Kunstgießer.

"Ich habe das Bronzegießen gar nicht richtig gelernt. Das habe ich mir selber beigebracht", erzählt der 53-Jährige. Seinen ersten Gussversuch unternahm der gebürtige Untergiesinger mit 18 Jahren zusammen mit zwei Freunden. Wie genau er auf die Idee kam, kann Rausch heute nicht mehr sagen. "Wir hatten absolut keine Ahnung. Das war alles ziemlich abenteuerlich", erinnert er sich und lacht dabei. Mit kurzen Hosen und ohne Schutzbrillen haben sich die Jugendlichen damals ans Werk gemacht. "Der erste Versuch ist völlig schief gegangen. Da ist überhaupt nichts übrig geblieben!" Zu spät haben er und seine Freunde bemerkt, dass der Eisentopf, in dem sie Messing erhitzen wollten, durchgeschmolzen war. Das Messing versickerte im Garten von Rauschs Eltern.

Beim zweiten Mal waren die jungen Männer besser vorbereitet. Rausch war mittlerweile Student der Bildhauerei an der Münchener Kunstakademie und gemeinsam hatten die drei auch eine Gießerei besucht, wo sie sich Arbeitsschritte und Gerätschaften genau erklären ließen. Die Gussinstrumente haben sie zum Teil nachgebaut oder sich mit kreativen Provisorien beholfen: Die fertigen Güsse haben sie mit Kuhketten aus dem Schmelztiegel geholt und nicht etwa mit Zangen. Und trotzdem ist auch dieser Gießversuch im Grunde genommen missglückt. "Die Form ist nicht ganz ausgebrannt", gibt Rausch zu. Deshalb hatte der Bronzekopf keine ebenmäßige Oberfläche, sondern eine Schwammstruktur. "Letztlich war das aber das Interessante und hat den Kopf aufgewertet!" Das sah wohl nicht nur Rausch so, denn die Skulptur hat er recht schnell verkaufen können. Deshalb war es für ihn auch nicht schlimm, dass man ihn zur selben Zeit von der Kunstakademie geworfen hat. "Das hat mir den Abschied leicht gemacht."

Zehn Jahre hatte Rausch dann eine Werkstatt in Kufstein. Sein ursprünglicher Plan war, von der Gießerei leben zu können. Aber: "Das Kunstgießen ist tot", meint er. Allein wegen der Materialkosten ist es ein sehr teures Handwerk. Für ein Kilo Bronze bezahlt man mal etwas mehr, mal etwas weniger als fünf Euro. Die Glocke beispielsweise, die ihren Platz in seinem Wohnzimmer vor der Balkontür hat, wiegt rund 50 Kilo. Da ist man schnell bei einem reinen Materialwert von einigen 100 Euro. "Und die eigentliche Arbeit beginnt erst, wenn die Form fertig gegossen ist. Das alles bezahlt einem heute keiner mehr", sagt Rausch. Zu seinen Anfangszeiten habe es in der Gießkunst noch mehr Käufer gegeben. "Vielleicht hatten die Leute früher mehr Geld", überlegt er. "Irgendwann hat sich das finanziell nicht mehr gerechnet." Aus diesem Grunde verkauft Rausch heute Holzbriketts und sieht das Gießen als spannende Leidenschaft. Seine Werkstatt in Kufstein musste er Mitte der 1990er-Jahre aufgeben. "Da steht jetzt eine Fabrik", bedauert Rausch. Seitdem muss der hauseigene Keller als Atelier herhalten.

Auf dem Weg durch das Haus in seine Werkstatt begegnet man überall kleineren und größeren Kunstwerken. Vor dem Sofa steht eine große silberne Kröte, die ihr linkes Hinterbein nach hinten streckt. Auf dem großen Holztisch ist auf einem Sockel eine geöffnete Schere drapiert, die einen hintenüber gebeugten Mann durchbohrt. "Die Armutsschere", wie Rausch die Skulptur nennt. Im Flur und im Arbeitszimmer reihen sich zahllose Glocken in verschiedenen Größen aneinander. Eine von ihnen klingt trotz ihrer stattlichen Maße wie eine Kuhglocke. "Ich habe das einfach mal ausprobiert. Dafür ist es ganz gut geworden", sagt Rausch. Auf dem Treppenabsatz gibt es noch mehr Glocken. "Die ganze Bude ist voll damit!" Wie viele Skulpturen sich insgesamt bei ihm tummeln, kann er nicht schätzen.

In seiner Werkstatt stößt man aber auf den eigentlichen Schatz seiner Skulpturen: ein kniehoher, 90 Kilo schwerer und etwa 60 Zentimeter langer Käfer. Rausch stellt ihn als Exemplar seiner ganz eigenen Käferspezies vor. Bei einigen Körperteilen hat er seiner Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das Mundwerkzeug aber ist realitätsgetreu. "Ich habe mir vom zoologischen Staatsinstitut Materialien ausgeliehen und Exponate angeschaut", sagt Rauch. 19 Einzelteile hat er gegossen und sie dann zu dem Käfer zusammengegossen. Einzig die Fühler hat er angeschraubt. Und in dem Hohlraum zwischen Panzer und Bauch des Insekts, von außen nicht mehr sichtbar, hat er eine besondere Finesse eingebaut. Dort streckt eine aus Metall gegossene Frau ein Schild mit seiner Signatur empor. Drei Jahre hat er für den gigantischen Käfer gebraucht.

Seine letzte Ausstellung liegt schon einige Jahre zurück. Eine neue hat Bernhard Rausch nicht geplant. "Es kommt nicht viel dabei rum und ist immer ein ziemlicher Aufwand", erklärt er. "Meine Arbeit sehen auch hier genügend Leute. Zumindest diejenigen, die mir wichtig sind."

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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