Vaterstetten:Gute Luft, Sonne und Wald

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Nach einem Schlaganfall zog der Physiker nach Vaterstetten

Von Rita Baedeker, Vaterstetten

Als der am 18. Februar 1838 in Mähren geborenen Ernst Mach das Gymnasium besuchte, beschied man ihm, ein "sehr talentloser Knabe" zu sein. Welch ein Irrtum! Nach der Matura 1855 begann er ein Mathematik- und Physikstudium in Wien. Im Alter von nur 22 Jahren erwarb er den Doktortitel, habilitierte sich ein Jahr später. Seine Laufbahn als ordentlicher Professor für Mathematik und Physik führte ihn nach Graz, Prag und Wien, wo er 28 Jahre Philosophie, Geschichte und Theorie der induktiven Wissenschaften lehrte. Nach einem Schlaganfall schied er 1901 aus der akademischen Lehre aus, setzte aber seine Forschungen fort - von 1913 an in Vaterstetten. "In guter Luft, Sonne und Wald wird es noch einmal gehen", befand Sohn Ludwig, ein Arzt, der das Haus nach den Meridianen ausgerichtet und ein Brunnenpumpwerk angelegt hatte.

In dem 20 000 Quadratmeter fassenden Grundstück an der Ecke Wasserburger Landstraße, Möschenfelder Straße hatte Ludwig, Inhaber etlicher optischer Patente, ein physikalisches Privatlabor eingerichtet und wurde zum engsten Mitarbeiter seines Vaters. Im Alter von 78 Jahren starb dieser dort am 19. Februar 1916.

Mach war der erste, der Schallschwingungen sowie die Geschwindigkeit von Druckwellen maß und das Verhalten eines geschleuderten oder geschossenen Projektils in Beziehung zu Luftwiderstand und Erdanziehung untersuchte. Es gelang ihm mit Hilfe selbst konstruierter Apparate, die Geschosse nicht nur zu fotografieren, sondern auch die durch Druckwellen erzeugten Linien sichtbar zu machen, also das Verhältnis der Geschwindigkeit des Objekts zu derjenigen des Schalls zu berechnen. Dieses Verhältnis wird heute "Mach-Zahl" genannt. Der Begriff entstand 1929 und ist für die Flugtechnik und Raumfahrt bedeutsam. Zu Machs Lebzeiten hatten die Ergebnisse nur theoretischen Wert.

Mach gilt auch als Vorreiter von Einsteins Relativitätstheorie. Das nach ihm benannte Prinzip, das die "relative Bewegung zweier Körper zueinander" als Basis physikalischer Betrachtungen beschreibt, so Hedwig Sensen in ihrer Schrift über Ernst Mach, ist Grundlage späterer Studien von Einstein. Er forderte, sich in den Naturwissenschaften ausschließlich auf die Erforschung beobachtbarer Tatsachen und mathematischer Gesetze zu verlassen. Allerdings führte diese Haltung dazu, dass Mach die Hypothese der Existenz von Atomen und Molekülen zurückwies - und damit falsch lag. Als Philosoph vertrat er eine Denkrichtung, die allein auf Sinneswahrnehmungen fußt. Womit er etwa Lenin zu einer Streitschrift herausforderte. Eine Folge war, dass in der damaligen Sowjetunion lange Zeit der überall in der Fliegerei übliche Begriff der Mach-Zahl verboten war.

Ernst Mach hatte fünf Kinder. Neben Ludwig, der 1951 starb, gab es drei Söhne und eine Tochter. Einer der Söhne hieß Viktor. Er starb 1940 in Kirchseeon. Nach Ernst Mach sind ein Platz in Wien und ein Mondkrater benannt.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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