Vaterstetten:Eine Frage der Solidarität

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In dem Zweifamilienhaus in der Enzianstraße leben 18 Flüchtlinge. Das passt nicht jedem Nachbarn. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vaterstettener Bauausschuss diskutiert Flüchtlingsunterkunft

Von Anselm Schindler, Vaterstetten

Bereits seit einigen Wochen sind 18 Asylbewerber in einem Zweifamilienhaus in der Enzianstraße in Vaterstetten untergebracht. Sechs Zimmer mit insgesamt rund 100 Quadratmetern, zwei Küchen, zwei Bäder. Jetzt fiel der Gemeindeverwaltung auf, dass dies nach dem Baugesetzbuch eigentlich unzulässig ist. Denn bei der Unterbringung von Asylbewerbern handelt es sich gesetzlich um eine Einrichtung für soziale Zwecke. Und weil es sich bei der Siedlung, in der auch die Enzianstraße liegt, um ein reines Wohngebiet handelt, ist die Unterbringung von Asylbewerbern nur in Ausnahmefällen zulässig. Im Bauausschuss beschloss man deshalb am Dienstag die Nutzungsänderung.

Eine Routine-Angelegenheit könnte man meinen, doch weil es sich bei den Bewohnern um Flüchtlinge handelt, kam es zum Schlagabtausch, die Argumente erwartbar, die Diskussion langatmig. Gemeinderat Herbert Uhl von den Freien Wählern warnte vor einer "Wertminderung der benachbarten Immobilien", Gemeinderäte von SPD, Grünen und auch von der CSU hielten dagegen.

Vor einigen Tagen habe sich ein Anwohner der Enzianstraße in einer E-Mail über "Lärmbelästigung" durch die Asylbewerber beschwert, berichtete Brigitte Littke, Leiterin des Bauamtes Vaterstetten, den Sitzungsteilnehmern. Und zumindest eine Anwohnerin war auch zur Sitzung des Bauausschusses gekommen, mit missmutigem Blick saß sie in den sonst leeren Publikumsreihen. Nachdem die Beschlussvorlage für die Nutzungsänderung des Zweifamilienhauses in ihrer Straße mit nur drei Gegenstimmen angenommen wird, schüttelte sie den Kopf und verließ den Raum.

Bauamtsleiterin Littke vermutete, die "hohe Belegungsdichte" sei Grund für den angeblichen Lärm, der von der Asylbewerberunterkunft ausgehe. Wo normalerweise zwei Kleinfamilien leben würden, leben aktuell 18 Menschen, teils zu viert in einem Raum. Trotzdem sei diese Form der Unterbringung besser als große Sammelunterkünfte weit ab vom Schuss, darauf jedenfalls pochte Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (Freie Wähler). Auch um der Integration willen. Damit hätte die Diskussion mangels alternativer Vorschläge beendet sein können, doch Reitsberger ließ sie laufen.

Ihm sei die Beschwerde-Mail bekannt, sagte Harald Mayerthaler, der wie Littke im Vaterstettener Bauamt arbeitet. Nur: Zu laute Nachbarn seien ein Fall für die Polizei, der Gemeinde jedenfalls seien die Hände gebunden. Im Bauamt rechne man damit, dass die Genehmigung für die Nutzungsänderung in den kommenden Wochen ergehe, im Detail geht es noch um einige Brandschutzbestimmungen die erfüllt werden müssen. Doch grundsätzlich in Frage stellen wolle man die Unterbringung von geflüchteten Menschen in der Enzianstraße nicht. Was wiederum Herbert Uhl von den Freien Wählern verärgerte: "Nicht alles, was ausnahmsweise möglich ist, muss man auch machen", befand Uhl.

Zum Schluss sprach Bürgermeister Reitsberger dann aber doch ein Machtwort: In Vaterstetten lebten, wenn man es mit Landkreisgemeinden ähnlicher Größe vergleiche, nur recht wenige Asylbewerber, stellte Reitsberger klar. Seiner Auffassung nach gebiete es auch die Fairness gegenüber den anderen Gemeinden im Landkreis, dass sich Vaterstetten mehr bemühen müsse, Platz für Asylbewerber zu finden. "Da kommen wir nicht drum herum". Punkt.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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