Vaterstetten:"Ein Konzertsaal ist eine billige Investition"

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Der Architekt Peter Haimerl berichtet in Vaterstetten von einer beispielhaften Erfolgsgeschichte - und fordert die Gemeinde auf, auf Hochkultur zu setzen

Interview: Rita Baedeker, Vaterstetten

"Wie machen es andere - und warum kann es Blaibach?" Diese Frage stellt der Förderverein "Bürgersaal für Vaterstetten" dem Münchner Architekten Peter Haimerl, der am Freitag, 25. September, im Lichthof des Rathauses Vaterstetten das von ihm entworfene Konzerthaus in Blaibach vorstellt und Fragen dazu beantworten wird. Haimerl stammt aus dem Bayerischen Wald. Für seine innovativen Entwürfe erhielt er etliche Wettbewerbspreise. Beginn ist um 19 Uhr.

SZ: Blaibach ist ein Dorf mit 2000 Einwohnern in der Oberpfalz. Es besitzt Kirche, Gasthaus, Schloss und seit einem Jahr einen bekannten Konzertsaal für Kammermusik, Jazz und Kleinkunst, etwas, was Vaterstetten mit seinen fast 23 000 Einwohnern nicht gelingen will. Was macht Blaibach in Ihren Augen richtig?

Peter Haimerl: Zunächst muss man wissen, dass Blaibach zu den zehn ausgesuchten Modellvorhaben für das bayernweit ausgeschriebene Projekt "Ort schafft Mitte" gehört. Das Dorf befand sich auf dem absteigenden Ast und liegt in einer strukturschwachen Randregion. Keiner konnte sich zunächst vorstellen, dass man ausgerechnet dort mit einem Konzertsaal Erfolg haben würde. Und doch ist es so.

Wie konnte sich so viel Optimismus entwickeln, dass man es dennoch angepackt hat?

Es gab zunächst lange Diskussionen im Gemeinderat, die waren immer sehr sachlich. Dann hat man sich mit extrem großer Mehrheit dazu durchgerungen. Die hohe Zustimmung ging durch alle Parteien.

Was war dafür Ihrer Ansicht nach das ausschlaggebende Motiv?

Die Blaibacher haben erkannt, dass heute andere Wege begangen werden müssen, um als Gemeinde attraktiv zu sein, und dass die Kultur dabei eine große Rolle spielt. In den wirtschaftlichen Boomjahren war das nicht so wichtig. Damals galt: Hauptsache, die Wirtschaft brummt und es gibt Arbeitsplätze. Aber dieses automatische Wachstum ist vorbei. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung bei uns im Durchschnitt immer gebildeter wird, auch auf dem Land, daher wird die Hochkultur immer wichtiger. Und genau das beeinflusst wiederum auch die Architektur. Heute können Sie den Bürgern keinen Betonklotz mehr hinstellen wie in den Siebzigern. Die Ansprüche sind gestiegen.

Vielerorts, auch in Vaterstetten, werden Einsparungen in der Kultur damit begründet, dass man nicht genügend Mittel zur Verfügung habe, weil man zum Beispiel zuerst Kitaplätze schaffen müsse. Hatte Blaibach dieses Problem nicht?

In Blaibach hat man beides gemacht: Kitas geschaffen und ein Konzerthaus gebaut. Und Blaibach verfügt sicher über weniger Geld als Vaterstetten.

Die Situation in Vaterstetten ist allerdings komplett anders als diejenige von Blaibach. Zum Beispiel liegt Vaterstetten nahe an München, wo es ein riesiges und anspruchsvolles Kulturangebot gibt.

Der Münchner Architekt Peter Haimerl ist bekannt für innovative Städtebauprojekte, etwa das "schwarze Haus" in Krailling und das Konzerthaus Blaibach. (Foto: Pape)

Ach, wissen Sie, dieses häufig gebrauchte Argument gegen einen Konzertsaal kann man auch umdrehen, indem man sagt: Blaibach liege viel zu weit ab vom Schuss, da komme am Ende kein Mensch. Und was ist passiert? Die Leute kommen in Scharen - aus München, aus den Niederlanden. Wenn man will, dann geht es auch.

Warum, denken Sie, geht dann in Vaterstetten nichts voran?

Vaterstetten wirkt auf mich wie eine Gemeinde, die stecken geblieben ist zwischen Dorf und Vorort. Es fehlt ein Stück weit die Identität. Wenn man aber so etwas wie Identität schaffen will, braucht es ein kulturelles Zentrum, aber nicht irgendeines. Die Qualität des Kulturangebots, das Niveau einer Gemeinde muss sich auch in der Architektur spiegeln. Und ich rede hier nicht von Funktionalität. Aber all das, Geist, Niveau, das muss man wollen. Die Blaibacher haben gesagt: Wir wollen etwas Tolles!

Wie wurde das Konzerthaus in Blaibach finanziert?

Man hatte Mittel aus der Förderung als Modellprojekt. Den Rest aber, vierzig Prozent, hat die Gemeinde allein gestemmt. Man hat innerhalb von drei Jahren ein Rathaus und das Konzerthaus gebaut und einen Bauernhof saniert - in dieser Reihenfolge. Der Hof wird demnächst fertig. Für das Projekt wurden Profis engagiert, die ohne permanente provinzielle Einflussnahme tätig waren. Es ist doch längst bewiesen, dass Geld, das man in die Kultur steckt, zigfach zurück fließt. Ein Konzertsaal ist so gesehen eine billige Investition, die Werbewirkung ist unbezahlbar. Die Menschen wollen heute mehr urbanes Umfeld. Firmen, deren Manager weltweit unterwegs sind, legen Wert auf Niveau. Der chinesische Geschäftsmann soll nicht nach Peking mailen müssen, dass er gerade in einem Kuhdorf festsitzt.

Was werden Sie also Ihren Vaterstettener Zuhörern sagen?

Setzt auf Hochkultur und Geist. Schafft euch eine Gemeinde, die mit Hilfe der Kultur zusammenfindet, die von innen nach außen strahlt.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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