Vaterstetten:Drei Hirten am Fluss

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Das Ensemble Zeitsprung spielt brillante russische Kammermusik

Von Claus Regnault, Vaterstetten

Es war ein Kammermusik-Abend seltener und lohnender Entdeckungen, denn russische Kammermusik des 19. Jahrhunderts ist in den Konzertsälen selten zu hören. Es ist dem Ensemble Zeitsprung zu danken, dass es dem Publikum die Begegnung mit hörenswerter russischer Musik aus der Zeit der Romantik, von Michail Glinka und Nikolai Rimski-Korsakow, ermöglichte. Es ist ja schon ein Phänomen, dass die russischen Geistesmenschen, vor allem die Komponisten, im 19. Jahrhundert und erneut nach Ausbruch der russischen Revolution in westeuropäischen Ländern, vor allem in Deutschland und Frankreich, den Anschluss an die dortige Musikkultur suchten.

Michail Glinka, der von 1804 bis 1857 lebte, verbrachte, auch aus gesundheitlichen Gründen, in den dreißiger Jahren drei Jahre in Italien. Dort begegnete er Komponisten wie Donizetti, Bellini und vor allem Mendelssohn-Bartholdy. Letztere Begegnung blieb nicht ohne deutlichen Einfluss auf sein "Trio pathétique für Klarinette, Fagott und Klavier d-Moll" von 1832, aber auch das große Vorbild Beethoven. So ist ein meisterliches Werk entstanden, welches in seiner Musiksprache durchaus auch von einem Westeuropäer stammen könnte, leidenschaftlich im Ausdruck, dramatisch im Tonfall und im Scherzo des Finales auch humorig. Schon hier beeindruckte die technisch und klanglich vorbildliche Qualität der Zeitsprung-Bläser Elisabeth Seitenberger, Klarinette, Cornelius Rinderle, Fagott, gleichwertig ergänzt durch das Klavierspiel von Lauriane Follonier. Das Russische ist in diesem Werk noch kaum prägend, erst später wurde Glinka, sinnigerweise hierzu angeregt von dem in Berlin wirkenden Siegfried Dehn, zum Vater der nationalrussischen Musik und damit zum Vorläufer der Gruppe des "Mächtigen Häufleins", bestehend aus Balakirew, Cui, Mussorgsky, Borodin, und Rimski-Korsakow.

So war es stimmig, dass nach der Pause das Hauptwerk des Abends, das Quintett B-Dur für Klavier, Flöte, Klarinette, Horn und Fagott von 1876, eine brillante Komposition von Rimski-Korsakow, erklang, wiederum mitreißend gestaltet und ergänzt um die Stimmen der Flöte Tobias Kaisers und des farbgebenden Horns von Maria Teiwes. Das ist Musik, die in den drei nach beethovenschem Vorbild klassisch geprägten Sätzen Hörvergnügen bereitet, so mitreißend ist sie gemacht. Vorher nie gehört, hatte man das Gefühl, einer Uraufführung beizuwohnen, so frisch ist sie geblieben!

Dennoch war das Herzstück des Abends die Komposition "Drei Hirten" des zeitweise in München lebenden Russen Rodion Shchedrin, Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste und seinerzeit in seiner Datscha neben der seines Freundes Schostakowitsch lebend. Das Werk ist ein zauberhaftes Klangbild, entstanden aus der Vorstellung, dass sich drei Hirten über einen sie trennenden Fluss unterhalten. Die Musiker von Zeitsprung haben dieses Werk als Welturaufführung auf CD bekannt gemacht. Aber gegenüber der Stereo-Wiedergabe hatte die Aufführung in der akustisch fabelhaften Baldhamer Kirche eine besondere Qualität: Sie begann mit einem eindringlich rufenden Solo der von Yukino Thompson geblasenen Oboe, dann kam aus dem Hintergrund des Kirchenraums die langsam nach vorne schreitende Klarinette und schließlich, seitlich aus der Sakristei kommend, gesellte sich die Flöte zum Trio. Das Besondere dieser Aufführung war also das Element des Raums zwischen den drei Stimmen. Eine wunderbare, mal energische, mal zärtlich schmeichelnde Unterhaltung, und eine wunderbare Komposition des großen Rodion Shchedrin!

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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