Vaterstetten:Berechtigte Kritik

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Vaterstettens Verwaltung reagiert auf einen offenen Brief der FDP zur Gewerbepolitik der Gemeinde

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Großgemeinde hat in den vergangenen Jahren viele Fehler bei ihrer Wirtschafts- und Gewerbepolitik gemacht. Eine Einschätzung, die in Vaterstetten durchaus nicht selten zu hören ist, zuletzt von der örtlichen FDP. Diese hatte öffentlich kritisiert, dass es in Vaterstetten nicht nur zu wenig, sondern vor allem zu wenig profitables Gewerbe gebe, also trotz großer Flächen zu wenig Steuergeld in der Gemeindekasse lande. Nun erhält die FDP in ihrer Kritik Unterstützung - und zwar von der Rathausverwaltung.

Man sei von dem Schreiben der FDP zwar überrascht worden, sagt Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), wenig überraschend sei dagegen der Inhalt des Briefes gewesen. Und auch nicht besonders kontrovers, wie Vaterstettens Wirtschaftsförderer Georg Kast sagt: "In den meisten Punkten besteht Einverständnis mit der FDP." Etwa darin, dass die Gemeinde zu wenig Gewerbesteuereinnahmen erzielt und dass dies durchaus mit der Ansiedelungspolitik der Vergangenheit zusammenhängt. Was laut Kast auch damit zu tun habe, dass Gewerbepolitik in Vaterstetten lange Jahre darin bestand, eben kein Gewerbe anzusiedeln, sondern auf Wohnen zu setzen.

Aber auch in jüngerer Zeit seien Fehler gemacht worden, etwa beim neuesten Parsdorfer Gewerbegebiet, hier habe die Gemeinde "leider nicht den Mut gehabt, das Gebiet alleine zu entwickeln." Stattdessen habe man diese Aufgabe einem Investor übertragen, und sich dadurch einiger Einflussmöglichkeiten beraubt, welche Art von Gewerbe man dort haben will. "Parsdorf hat sich in eine Richtung entwickelt, die nicht gut ist", gibt Kast unumwunden zu. Zwar gebe es, anders als manche Kritiker inner- und außerhalb des Gemeinderates behaupten, durchaus Steuereinnahmen aus dem Gebiet - aber eben weniger, als man bei einer Eigenvermarktung hätte erzielen können.

Als Beispiel nennt Kast den großen Baumarkt im neuen Gewerbegebiet. Der bringe der Gemeinde höchstens einen kleinen Zuwachs an der Umsatzsteuerbeteiligung - Gewerbesteuer zahlten solche Betriebe aber nur an ihrem Hauptsitz. Einen Fehler, den man bei zukünftigen Gewerbeausweisungen aber vermeiden wolle, kündigt Reitsberger an. Konkret geht es dabei um ein geplantes Gewerbegebiet in Baldham, nördlich des Philipp-Maas-Weges. Dort hatte die Gemeinde vor einiger Zeit ein Grundstück gekauft, dieses könnte nach dem demnächst anstehenden Umzug des Umspannwerks nutzbar werden. Der Bürgermeister wünscht sich, dass die Flächen dort vor allem an örtliche Handwerker vergeben werden - und diesmal ohne Investor sondern durch die Gemeinde als Grundstückseigentümer.

Was aber wohl in Vaterstetten nicht kommen werde, sei der Bau von Bürogebäuden. Genau dies hatte die FDP in ihrem Schreiben gefordert und auf die Nachbargemeinde Grasbrunn als Positivbeispiel verwiesen. Im dortigen Technopark seien durch "viele Büroarbeitsplätze auf geringem Raum" deutlich höhere Steuereinnahmen möglich, als in Vaterstetten mit seinen "riesigen Einzelhandelsflächen mit relativ wenigen und eher gering qualifizierten Arbeitsplätzen", sagt FDP-Ortsvorsitzender Klaus Willenberg.

Eine Einschätzung die zwar grundsätzlich richtig sei, so Kast, dennoch sei die Forderung der FDP, "aus meiner Sicht leider nicht umsetzbar." Er habe in den vergangenen Jahren die Erkenntnis gewonnen, "dass Büroflächen und hochwertige Arbeitsplätze in Vaterstetten nicht realisierbar sind." Den Grund dafür sieht Kast zum einen im Überangebot, das es bei Büroflächen derzeit in der Region gebe. "In München und Umgebung gibt es viel Büroflächenleerstand", auch in Vaterstetten warteten einige Büros seit längerem auf einen Mieter, "kaufen will kaum einer". Mit der Folge, "dass die Unternehmen sich aussuchen können, wo sie hinwollen", und da sei Vaterstetten und vor allem Parsdorf einfach zu wenig attraktiv. "Da braucht es eine gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln", so Kast. Die Büros sollten in Laufweite zur nächsten S-Bahn-Station liegen - doch solche Flächen stünden in der Gemeinde eben nicht zur Gewerbeansiedelung zur Verfügung.

Allerdings seien "Umsatz und Rendite in jeder Branche möglich", sagt der Wirtschaftsförderer - und widerspricht Kritik der FDP am möglichen Umzug des Münchner Obst- und Gemüsegroßmarktes. Dessen Händler hatten Interesse an einem Grundstück an der A 94 bekundet. Davon, dass es soweit kommt, scheint man aber auch bei der Gemeinde nicht unbedingt überzeugt zu sein, erst diese Woche auf der Parsdorfer Bürgerversammlung nannte Reitsberger einen Umzug der Großhändler "eher unwahrscheinlich." Ob er damit lediglich die Parsdorfer beschwichtigen wollte, die eine Zunahme des Verkehrs befürchten, ist allerdings unklar, offiziell hält man im Rathaus nämlich an einer Ansiedelung des Großmarktes fest. Allerdings sei an der Stelle auch jede andere Gewerbenutzung möglich, schränkt Kast ein, schließlich habe der Gemeinderat beschlossen, an der Autobahn Betriebe anzusiedeln. Wann dort aber etwas entstehen wird, und was, könne man erst sagen, wenn die Zukunft der Münchner Großmarkthalle feststehe.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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