Ausverkauf in der Kirche:200 Euro für die größte Pfeife

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Eine Pfeife allein macht noch keine Orgel. Aber Töne, wie Volker Stegmann vom Förderverein während der Versteigerung demonstriert. (Foto: Christian Endt)

Die Petri-Gemeinde verabschiedet ihre alte Orgel mit einem Faschingsgottesdienst und versteigert die Überreste zugunsten des neuen Instruments

Von Karin Kampwerth, Vaterstetten

Mit Pfeifen, so zumindest die übertragene Deutung des Begriffs, ist in der Regel nicht viel anzufangen. Dieses Schicksal teilen künftig wohl auch die Pfeifen der Orgel in der Baldhamer Petrikirche. Staubfänger, Dekoration im Treppenhaus, Sammelstück auf dem Speicher. Doch bevor es soweit ist, durften sie am Sonntag ein letztes Mal den Ton angeben: In einem Faschingsgottesdienst mit dem aufschlussreichen Titel "Abpfiff" verabschiedete sich die Gemeinde von dem Instrument, das sie seit den 1950er Jahren musikalisch durch die Gottesdienste begleitet hat, - und dessen Schwächen, so Pfarrer Stephan Opitz, sich die Organisten zuletzt alle Mühe gegeben hätten, zu verheimlichen.

"Wir werden sie nicht vermissen", sagte Opitz zu Beginn des "etwas skurrilen" Faschingsgottesdienstes. Mit einer launigen Predigt aus der Kirchen-Bütt erheiterte er die Gläubigen, "obwohl wir uns als ordentliche Protestanten schwer tun mit dem Spaß. Doch da müssen Sie jetzt durch", warnte Opitz die Gläubigen in der bis auf den letzten Platz gefüllten Petrikirche, in der an diesem Sonntag viel gelacht und geklatscht wurde. Gut so, "denn es sind auch ein paar Katholiken unter uns", sagte Opitz. "Es geht also auch um unser Image."

Der Gottesdienst ist noch nicht zu Ende, da werden die Pfeifen schon herausgetragen. (Foto: Christian Endt)

Dabei bekannte der Pfarrer durchaus Wehmut vor dem letzten Weg der Orgel zum Wertstoffhof. Dennoch: "Metall zu Metall, Holz zu Holz, Zinn zu Zinn", wandelte er die liturgische Beerdigungsformel für den Abschied von der Orgel um, bevor er frei nach Reinhard Mey "Gute Nacht Freunde" anstimmte. Wenngleich mit einem dem Anlass entsprechend abgewandelten Refrain: "Pfüadi Gemeinde, bald ist Zeit für mich zu gehen. Was ich noch zu spielen hätte, dauert keine Operette, leiser Wind durch Pfeifen weht."

In seiner Faschingspredigt erinnerte Opitz an das mitunter diskussionsreiche Vorspiel für die neuen Orgel mit einer Typologie der Gemeindemitglieder. Da gebe es den Depressiven, der jeder Erinnerung gleich goldene Rähmchen verleihe und sich frage, ob die Orgel wirklich auf den Wertstoffhof müsse oder ob es nicht doch noch einen Polen gebe, der sie nehme. Oder der Zwanghafte, der meistens, wie schon SZ-Autor Axel Hacke erkannt habe, mit einer Wegschmeißerin verheiratet sei. Der die Geschichte der Orgel von Adam und Eva aus erzählen könne - nachher aber gar nicht merke, dass etwas fehle. Oder der Schizoide, der der durchaus zeitintensiven Diskussion um den richtigen Standort der Neuanschaffung mit der Aussage "Mir ist wichtig, dass sie kräftig klingt" eine Wende gab. Und nicht zu vergessen der Hysteriker, der "macht, was machbar ist. Und was nicht machbar ist, machbar macht".

Die letzten Lieder der Orgel kommen von Frank Sinatra und Abba

Zu letzterem Typus darf sich seit Sonntag spätestens auch die Petrigemeinde zählen. Denn noch ist die neue Orgel, die im Mai eingeweiht werden soll, eigentlich nicht machbar, also nicht ganz finanziert. 220 000 Euro werden die frischen Pfeifen samt Klangkörper kosten, 190 000 Euro wurden inzwischen an Spenden eingenommen. Ein wenig näher gekommen ist die Gemeinde dem Endbetrag während des Kirchencafés nach dem Gottesdienst. Denn da versteigerte Volker Stegmann vom Förderverein der Petrikirche Pfeife um Pfeife für den guten Zweck.

"Ich wollte schon immer ein Fis besitzen", freute sich etwa Angela Schreiner, die die entsprechende Pfeife für 100 Euro ersteigerte. Das große D hingegen, nach dem Pfeiftest von Stegmann auch als "Nebelhorn für ein Schiff" für gut befunden, brachte 200 Euro. Und Pfeife 11, eine kleinere Vertreterin ihrer Art, brachte immerhin 50 Euro ein. 4600 Euro konnte Auktionator Stegmann am Ende in die Spendenkasse einzahlen. Hinzu kamen weitere 1200 Euro aus der Kollekte.

Dass sie aus ihren Pfeifen das Letzte herausholen müssen, wissen die Organistinnen Annemarie Rein und Gabriele Blum seit langem. Dass das Ende so erfolgreich sein würde, dankten sie ihrer Orgel mit Frank Sinatras "I did it my Way" und einem "Thank you for the Music" von Abba.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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