Urlaub in Grafing:Erwin kommt aus Kirgistan

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Seit 25 Jahren vermittelt der Tourismus-Verein Grafing private Gastgeber. Ein Gespräch über exotische Gäste - und warum die Region östlich von München so gut als Urlaubsdomizil taugt

Von Karin Pill, Grafing

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Zumindest für einen Großteil der Deutschen. Was dabei alle Urlauber gemein haben dürften, ist die Hoffnung auf warme Temperaturen und Sonne am Urlaubsdomizil. "Die Vorstellung man verbringt eine Woche Urlaub in einer Ferienwohnung und es regnet, so wie zurzeit..." - Horror für Angela Hof.

Für die 58-Jährige, die selbst Vermieterin einer Ferienwohnung in Grafing ist, war genau das der Grund, ihre zu vermietende Urlaubsunterkunft nicht zweckmäßig einzurichten, sondern so, dass man sich auch bei sieben Tage Regenwetter wie daheim fühlt. "Eine voll ausgestattete Küche, bequeme Betten, einfach eine Wohlfühloase - das möchte ich meinen Mietern schon gerne bieten", so Hof.

Seit fünf Jahren ist die hauptberufliche Hebamme Eigentümerin einer Ferienwohnung und auch von Beginn an Mitglied des Tourismus-Verein Grafing. Da sie mit ihrem Mann und ihren Kindern selbst immer gerne Urlaub in einer Ferienwohnung machte und diese Zeit genoss, stand für sie außer Frage, dass das geerbte Elternhaus beim Umbau eine Ferienwohnung bekommen sollte.

Von Anfang an habe Hof der Tourismus-Verein da zur Seite gestanden, erzählt Brigitte Binder, die erste Vorsitzende des Vereins. In Binders Haus in Grafing ist an diesem Sommernachmittag auch Mike Schenker, der zweite Vorsitzende des Tourismusvereins, eingeladen. Die drei tauschen sich aus über ihre vermieteten Ferienwohnungen, interessante Begegnungen mit Mieterinnen und Mietern und - natürlich - die vergangenen eineinhalb Jahre.

Vom Waldmuseum in Ebersberg aus kann man auf einer Liege den schönen Ausblick auf die Alpenkette genießen - es sei denn ein Hut versperrt die Sicht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie für alle Menschen, die im Tourismus tätig sind, bedeutet die Pandemie auch für die Vermieter Hof, Binder und Schenker Einschränkungen. Erst seit 21. Mai begrüßt etwa Angela Hof wieder Urlauber in ihrer Ferienwohnung. Dafür ist sie nun bis Ende November lückenlos ausgebucht. Sie freut sich besonders darüber, dass sie den Pandemie-geplagten Urlaubern nun so eine Freude bereiten kann. "Die Menschen genießen es so, endlich mal wieder einen Tapeten-Wechsel zu haben, hier in die Berge zu gehen oder nach München zu fahren", so Hof.

Die drei Vermieter sind sich einig - Grafing ist dafür der ideale Ausgangspunkt. "Man darf auch nicht vergessen, welche Vorteile die Vermietung von Ferienwohnung für Grafing mit sich bringt", sagt Binder. "Die Leute gehen hier ins Café, nutzen die Infrastruktur... Jeder Tourist lässt im Schnitt 70 Euro pro Tag in der Region, in der er wohnt."

Neben Urlaubern kommen auch immer wieder Monteure oder Geschäftsreisende in die Wohnungen der drei Vermieter nach Grafing. Gerade während der Corona-Zeiten war das hilfreich, denn Ferienwohnungen durften zwar nicht an Urlauber vermietet werden, wohl aber an Geschäftsreisende.

Brigitte Binder, Mike Schenker und Angela Hof vom Tourismus-Verein Grafing berichten von Gästen aus der ganzen Welt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass nun seit Mitte Mai wieder Urlauber zu Hof kommen, bedeutet nicht nur finanzielle Entspannung. Ein wichtiger Grund für Hof, ihre Ferienwohnung zu vermieten ist, "mit Menschen aller Couleur in Kontakt zu kommen". Bei der Anreise lege sie den Urlaubern daher "nicht einfach nur den Schlüssel hin", sondern wechselt mit ihnen gerne auch ein paar Worte.

Genau das ist es auch, was der 66-jährigen Binder so gefällt. "Ich habe gerne Besuch und ich mag Menschen aus aller Welt", erzählt sie. Oft kämen ihre Gäste von weit weg, um Familienmitglieder in Grafing oder der Umgebung zu besuchen. "Australier, Neuseeländer, Kenianer", zählt Binder auf. Mit vielen Nationalitäten komme sie durch das Vermieten ihrer Wohnung in Kontakt. Inzwischen habe sie auch schon viele Stammgäste von weit weg gewinnen können.

Besonders in Erinnerung wird ihr immer eine Familie aus Kirgisistan bleiben. Als sie einmal mit den kirgisischen Stammgästen telefonierte, offenbarten diese ihr, dass sie nun ein Kind namens Erwin hätten. "Sie haben das Kind nach meinem Mann benannt", erzählt Binder lachend. Die Stammgäste verbrachten wohl so eine gute Zeit im Haus der Binders, dass sie durch den Namen des Kindes immer daran erinnert werden wollten.

Doch bei allen positiven Aspekten räumen die drei Vermieter ein, dass es natürlich auch gewisse Arbeit bereite, eine Ferienwohnung zu vermieten. Dazu zählt unter anderem, dass man auf die Urlauber warten müsse, bis sie in der Ferienwohnung ankommen, um den Schlüssel zu überreichen - auch wenn diese mehrere Stunden im Stau stünden. Außerdem gebe es gewisse Standards, die beim Einrichten einer Ferienwohnung erfüllt werden müssten. "Wenn ich eine Wohnung für vier Leute vermiete, dann brauche ich natürlich auch vier Stühle", erklärt Binder. Hof, die ihre Ferienwohnung ja vor knapp sechs Jahren einrichtete, stand damals aber ein Berater des Deutschen Tourismusverbandes zur Seite. "Diese Beratung war super, denn ich habe ja keine touristische Ausbildung", so Hof.

Auch wenn die Vermietung ihrer Ferienwohnung für die Hebamme eine gewisse Mehrarbeit darstellt. Die Erfahrungen, die sie damit macht, möchte sie nicht missen. "Es ist wirklich eine Bereicherung für einen selbst, all diese Menschen kennenzulernen", sagt Hof abschließend.

© SZ vom 02.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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