Unterhaltsamer Gruselspuk:Opulente Collage mit Monstern

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Großer Motivator: Heinrich Klug kann es beim Mitsingen gar nicht laut und schnell genug sein. (Foto: Christian Endt)

Heinrich Klug präsentiert beim Vaterstettener Rathauskonzert für Kinder sein neuestes Programm

Von Anja Blum, Vaterstetten

Basilisk und Minotaurus, Sphinx und Chimäre - jedes dieser Fabelwesen böte wohl ausreichend Furcht und Schrecken, um völlig alleine ein dramatisches Bühnenprogramm zu füllen. Gleich einem ganzen Reigen solch furchterregender Gestalten sind jedoch die Besucher des jüngsten Vaterstettener Rathauskonzerts für Familien begegnet: Heinrich Klug, langjähriger Erster Solocellist der Münchner Philharmoniker, hat ein neues Programm zusammengestellt, das den Nachwuchs mit Mäusen und jeder Menge Monster beglückt. Transportieren sollen die Tiere und Gruselwesen freilich klassische Musik - denn Heinrich Klug hat sich seit Jahrzehnten auf die Fahne geschrieben, diese Kindern nahezubringen.

In seinem neuen Programm, das gerade erst Premiere gefeiert hat, verknüpft der 83-jährige Klug mehrere Werke: Er verschmilzt Passagen aus dem "Karneval der Tiere", den der französische Komponist Camille Saint-Saëns 1886 als Suite für Kammermusikorchester geschrieben hat, mit der Mini-Oper "Maus und Monster" der Komponistin Helga Pogatschar aus München, und würzt das Ganze mit Stücken von Paganini, Rimski-Korsakow, Messiaen und anderen. Das Ergebnis ist eine akustisch wie optisch opulente Collage, die Kindern Mut machen soll, es auch mit übermächtig scheinenden Bedrohungen aufzunehmen. Dargeboten wird das Programm wie immer bei Klug auf sehr hohem Niveau - von Mitgliedern der Münchner Philharmoniker sowie Preisträgern des Wettbewerbs "Jugend musiziert", hinzu kommen diesmal Eleven der Ballettschule Gilching.

Sechs entzückende kleine Mäusemädchen stellen sie dar, die in grauen Samt-Latzhosen und zum Dutt geflochtenen Haaren hübsch tanzend und singend die Szenen ergänzen. Star des Nachmittags aber ist "Gil mit den grünen Hosen", ein kleiner Mäuserich, "schlau und smart", der es mit den Monstern aufnimmt - und sie reihenweise besiegt. Nicht mit Muskelkraft freilich, sondern dank Klugheit und Musik. Verkörpert wird Gil von dem jungen Geigenvirtuosen Anton Carus, ein Zehnjähriger, der bereits zu spielen versteht wie ein Großer. Bei seinen Paganini-Variationen aus dem "Karneval" bleibt vor lauter Doppelgriffen und Glissandi so manch Erwachsenem der Mund offen stehen, und selbst die Kinder machen spitze Ohren und große Augen. "Der spielt aber toll!"

Musikalisch funktioniert die Collage, weil der "Karneval" und "Maus und Monster" für fast die gleiche Besetzung geschrieben sind. Das Kammerorchester von Klug besteht aus Geige, Querflöte, Klarinette, Cello, Kontrabass, Schlagwerk und Klavier. So treffen hier klassische Ohrwürmer - wie die große Melodie der Anmut, die Klug für den Schwan am Cello zaubert - auf die Klangmalereien moderner Tonsprache von Pogatschar. Da drohen die Bässe und Dissonanzen, da scheppert es ordentlich im Gebälk. Und zwischendrin darf das Publikum singen, was das Zeug hält, dem großen Motivator Klug kann es offenbar gar nie laut und schnell genug sein.

Inhaltlich aber hat das Programm leichte Schwächen, hier rächt es sich, dass es nicht aus einem Guss ist. Die Geschichte von Gil, dem Monsterbezwinger, wird leider nicht so gut herausgearbeitet, dass die Kinder mit dem Mäuserich mitfiebern würden. Und so manches Tierporträt wirkt wie ein unwillkürlicher Einschub.

Trotzdem bietet der Nachmittag viele intensive Momente, so humorvoll wie kontemplativ ist zum Beispiel die Geschichte von der "zerstreuten Brillenschlange" aus der Feder des Komponisten Wilfried Hiller: Das halb blinde Tier frisst sich versehentlich vom Schwanz her selbst auf, dargestellt wird dieses Geschehen mit einer Klarinette, die der Spieler immer weiter auseinandernimmt. So wird das Klangbild schräger und schräger, bis am Ende nur mehr ein heiserer Luftstrom durch das Mundstück rauscht. Großartig! Eine Klangakrobatin ist auch Salome Kammer: Der Sängerin sind die Texte von Rudolf Herfurtner wie auf den Leib geschrieben, virtuos und ausdrucksstark spielt sie mit rhythmischem Sprechgesang und den Grenzbereichen des Stimmumfangs, die Mimik, der ganze Körper erzählt.

Gekrönt aber wird die Vorstellung von den diversen Monstern, von irren Figuren des Textilkünstlers Robert Kis: kugelförmige Fabelwesen in bunten Farben, mit riesigen Augen, Zähnen, Krallen und Hörnern. Da sie sich allerdings kaum bewegen, sondern zumeist am Bühnenrand verharren, hält sich der Schrecken für die Kleinen in Grenzen. Und ganz am Ende, beim finalen Siegeszug durch den Saal mit Saint-Saëns, ist der ganze Gruselspuk ohnehin schon wieder vergessen.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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