Unter der Leitung von Markus Lugmayr:Zeitlos schön

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Chor, Orchester und Solisten zeigen unter der Leitung von Markus Lugmayr eine beeindruckende Leistung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Chor und Orchester der Stadtpfarrkirche St. Sebastian bewegen mit Mendelssohns "Elias"

Von Peter Kees, Ebersberg

Felix Mendelssohn-Bartholdy war als Kapellmeister des Gewandhaus-Orchesters in Leipzig ab 1835 ein Star: der erste Dirigent im heutigen Sinn. Bis dahin wurden Orchester in der Regel von einem Instrument aus geleitet. Auch als Pianist, Organist, Chorleiter und Komponist war der einer wohlhabenden bürgerlichen Familie entstammende Musiker Zeit seines Lebens hoch verehrt. Vor allem in England herrschte zu Lebzeiten geradezu eine "Mendelssohn-Manie". Schumann bezeichnete ihn sogar als den "Mozart des 19. Jahrhunderts".

Doch seinem Œuvre erging es nicht anders als dem Bach'schem Werk, an dessen Renaissance er maßgeblich beteiligt war; 50 Jahre nach seinem Tod - Mendelsohn wurde gerade mal 38 Jahre alt - war die Musik des Romantikers mehr oder weniger vergessen. Antijüdische Propaganda, die ihren Anfang in Richard Wagners Pamphlet "Das Judenthum in der Musik" nahm, trug hierzu bei. Während der NS-Zeit wurden seine Werke fast gar nicht mehr aufgeführt, obwohl der Mann, wenn auch einer jüdischen Familie entstammend, christlich erzogen und protestantisch getauft war. Rehabilitiert wurde der Gründer des ersten Konservatoriums in Deutschland erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, allerdings zunächst sehr zaghaft.

Auf die Beschäftigung mit Bach geht auch Mendelssohns Auseinandersetzung mit der Gattung Oratorium zurück, die er, wenn man so will, "gerettet" hat. Nicht nur, dass der mit Goethe befreundete Tonsetzer die erste Wiederaufführung der Matthäuspassion seit Bachs Tod unternommen hatte, er komponierte auch zwei eigene, die Oratorien "Paulus" und "Elias". Vergangenen Samstag führten Chor und Orchester der Stadtpfarrkirche St. Sebastian samt dem Jugendchor Cantores iuvenes Sti. Sebastiani Mendelsohns 1846 beim Birmingham Festival uraufgeführten Elias unter Leitung des Kirchenmusikers Markus Lugmayr in Ebersberg auf. Ein bemerkenswerter Abend, denn Lugmayr gelang es, das Werk mit großer Emotionalität wiederzugeben. Mag der Kirchenraum mit seinem langen Nachklang auf den ersten Blick nicht als idealer Aufführungsort für romantische Musik gelten, so erwies er sich hier als wunderbare Fügung: die Klangmischung, die entstand, entführte das Publikum gleichsam in eine andere Welt. Und hier passte eben auch Lugmayrs interpretatorischer Ansatz, der nicht allein dem Zeitgeist folgt, sondern sich dem Kern des Werkes stellt. Da war Dramatik zu hören, es klangen mitreißende, mitunter erhabene Chorsätze, zarte wie kraftvolle Rezitative, Arien, Duette, Terzette, Quartette - und jenes berühmte Doppelquartett "Denn er hat seinen Engeln befohlen". Die Geschichte, die erzählt wird, ist die des Propheten Elias, der sich auflehnt gegen die Vielgötterei. Im ersten Teil bildet die Sorge um Wasserknappheit den dramaturgischen Bogen des Stücks - am Ende regnet es -, der zweite zeigt einen lebensverdrossenen, verzweifelten Elias, gegen den das Volk zum Mord aufgerufen wird: Er ist ein unbequemer Mahner. Zum Schluss fährt Elias in einem feurigen Wagen gen Himmel, zugleich wird der Messias angekündigt.

In Ebersberg stand mit dem Bassisten Klaus Reiter ein stimmlich ausgereifter, wahrlich wohlklingender und starker Elias in der Kirche. Priska Eser (Sopran), Sabine Staudinger (Alt) und Carsten Müller (Tenor) ergänzten das Solistenquartett absolut ebenbürtig. Auch die Chöre und das Orchester der Stadtpfarrkirche gaben ihr Bestes. Dass im Chor Sänger und Sängerinnen vertreten sind, die - wie im Doppelquartett zu hören - auch solistische Qualitäten haben, spricht für sich.

Der Jahreszeit entsprechend war es kalt in St. Sebastian. Manche Sänger und Musiker musizierten in Wintermänteln. Doch das Publikum saß zweieinhalb Stunden gebannt, obwohl man fröstelte. Womöglich war auch das ein Aspekt, der zur Entführung in eine andere Welt beitrug: die Kirche, ihre Atmosphäre und die eisigen Temperaturen. Mendelsohn und Lugmayrs zeitlose Interpretation jedenfalls ließen die zahlreichen Zuhörer am Ende lange applaudieren.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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