Fotos vom Filzenexpress:Der Mann, der immer am Zug ist

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Bayerisches Idyll mit rotem Zug: Das ist das bevorzugte Motiv von Markus Schmid. (Foto: Christian Endt)

Seit mehr als 35 Jahren ist Markus Schmid für seine Fotografien auf der Jagd nach Eisenbahnen. Vor allem der Filzenexpress nach Grafing hat es ihm angetan - ihm hat er einen eigenen Bildband gewidmet.

Von Franziska Langhammer

So wie der Ton die Musik, macht das Wetter das Bild, findet Markus Schmid. Und das kann ihn manchmal ganz schön ärgern: Da steht er um vier Uhr morgens auf, fährt mit dem Auto eine lange Strecke, schlägt sich durch Wald und Wiesen, postiert sich mit der Kamera, justiert mal hier und mal da. Und wartet, mit Blick auf die Uhr, bis es so weit ist.

Endlich dann der ersehnte Moment: Der Zug kurvt um die Ecke - und just in diesem Augenblick verwandelt sich eine der zahmen Schäfchenwolken in eine aufdringliche graue Masse, die sich über die Szenerie schiebt und ihm das ganze Motiv verhagelt. "Das dauert manchmal nur zwei Sekunden, und der Hauptschuss geht kaputt", sagt Schmid.

Fotografien von Bahnen auf der Strecke zwischen Mühldorf und Rosenheim zeigt Markus Schmid in seinem Bildband. (Foto: Christian Endt)

Ein gewisser Frustrationsfaktor sei bei seinen Fotofahrten schon dabei. "Manche Situationen gibt es nur ein einziges Mal", erklärt er, "da muss alles auf den Punkt genau stimmen." Sein Motiv nämlich ist kein unbewegliches, das man in aller Seelenruhe von allen Seiten knipsen kann. Markus Schmid fotografiert Züge.

Seit seinem zehnten Lebenjahr ist Markus Schmid, Jahrgang 1969, mit der Kamera unterwegs, um Eisenbahnen, Lokomotiven, S-Bahnen und alles, was sich auf den oberbayerischen Schienen fortbewegt, fotografisch festzuhalten. Der Vater war Eisenbahner, es gab kein Auto, und so war Familie Schmid auf den Zugverkehr angewiesen, den sie vergünstigt nutzen konnte.

"Von Griechenland bis Norwegen, wir haben alles mit der Bahn gemacht"

Schon als Zehnjähriger fotografierte Markus Schmid mit Leidenschaft Züge, in einem Bildband hat er nun mehr als 400 Abbildungen vom Filzenexpress. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Von Griechenland bis Norwegen, wir haben alle Familienurlaube mit der Bahn gemacht", erzählt Markus Schmid. Ob ihm das Bahnfahren denn besonders Spaß gemacht habe? Schmid überlegt kurz und schüttelt dann den Kopf: "Das war einfach unser Fortbewegungsmittel, ich kannte nix anderes."

Mit zehn Jahren macht er seine ersten Fotoversuche von den Fahrzeugen auf der Schiene, vier Jahre später entstehen vorzeigbare Bilder. "Die waren schon richtig gut", so Schmid. Der Vater fördert das Hobby des Sohnes, lässt ihn mit 13 Jahren allein von Kiefersfelden nach Würzburg fahren, damit Markus die Bahnstrecken dort fotografieren kann. Damit er auch gut am Ziel ankommt, schreibt der Vater ihm die Umstiegszeiten und -orte auf einen Zettel. "Aber er hätte mich auch unterstützt, wenn ich etwas anderes gerne gemacht hätte", sagt Schmid.

Hauptsächlich Bayern, Baden-Württemberg und Österreich hat er so in den vergangenen 35 Jahren auf seinen Touren erkundet, oftmals auch per Rad, um in jeder freien Minute seiner Leidenschaft nachzugehen. Dabei fokussiert sich Schmid vor allem auf Nebenbahnen, die kurz vor dem Abriss stehen. "Die haben oft einen morbiden Charme. Mann kann den Glanz der alten Zeiten noch an ihnen ablesen", sagt er.

In den 70er- und 80er-Jahren fand ein starker Strukturwandel auf der Schiene statt, erzählt Schmid. Besonders im ländlichen Bereich zog sich die Eisenbahn zurück; die Politik setzte vermehrt auf den Ausbau von Autobahnen. Dadurch gerät Anfang der 80er etwa auch der Filzenexpress ins Visier der Sparmaßnahmen: Die eingleisige Bahnstrecke zwischen Grafing und Wasserburg soll stillgelegt werden. Den Protest aus der Bevölkerung, der schließlich erfolgreich war, hat Markus Schmid nicht nur unterstützt, sondern auch fotografisch festgehalten. So zeigen seine Bilder etwa Menschen in Tracht, die den vorbeifahrenden Waggons entgegen winken.

Die Bilder seiner Streifzüge hat Markus Schmid in einem Fotoband veröffentlicht; mehr als 400 Abbildungen zeigen den Filzenexpress sowie Bahnen auf der Strecke Rosenheim-Mühldorf. Oftmals sind es Kleinigkeiten, die Markus Schmid auffallen, wie etwa die Kennzeichnung einer Schiene auf einem Abstellgleis in Forsting: Sie trägt das Walzzeichen "1887", die Bahnstrecke wurde aber erst 1905 eröffnet.

Eine Schrankenwärterin bei ihrem letzten Dienst

"Die Schienen wurden also nicht verschrottet, sondern abgebaut und woanders wieder eingebaut", schlussfolgert Schmid, "das zeigt, wie ressourcenschonend und sparsam man bei der Eisenbahn vorgegangen ist." Manche Kommentare zu den Bildern lesen sich überraschend kurzweilig. Zu einem Foto mit drei Pferden auf der Weide heißt es etwa: "Fotos von fahrenden Zügen in Kombination mit grasenden Tieren klappen nur in den seltensten Fällen."

Und so gerät der ausgefallene Zeitvertreib Markus Schmids zu einer Chronik der jüngeren Eisenbahngeschichte: Ein nostalgisch anmutendes Bild von 1985 zeigt zum Beispiel eine Schrankenwärterin bei ihrem letzten Dienst; ein anderes präsentiert einen mit Hand geschriebenen Fahrplan, der an der Holzwand der Wartehütte befestigt ist.

Mit der Zeit hat sich auch die Suche nach den Hotspots der Eisenbahnfotografie verändert. Früher, so Schmid, habe er vieles aus Fachzeitschriften erlesen. Heute tauscht er sich mit Gleichgesinnten in Foren im Internet aus. Denn um ein gutes Foto von einer fahrenden Eisenbahn zu machen, braucht es viel Geduld und Zeit für die Recherche. Insider wissen etwa, dass Güterzüge nicht im normalen Fahrplan stehen.

Wenn er nicht seinem zeitintensiven Hobby frönt, arbeitet Markus Schmid als Angestellter in einem Büro. "Da hab ich nix mit Fotografie zu tun", sagt er. Seine Frau begleitet ihn zwar nicht auf seinen Fotofahrten. Da er aber seit Kindertagen diesem Hobby nachgehe, sagt Schmid, kenne sie ihn ja nicht anders.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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