Umwelt:Brüte Vogel, brüte!

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Der Kiebitz findet im Landkreis seit Jahrzehnten keine Nistplätze mehr. Ein Schutzgebiet im südlichen Teil des Brucker Mooses soll das ändern.

Von Anselm Schindler, Aßling

Sie sehen fast lebendig aus, die drei ausgestopften Vögel, die da auf einer langen Bierbank, mitten zwischen den Feldern unterhalb der kleinen Ortschaft Loitersdorf bei Aßling, stehen. Die toten Vögel könnten auch ein Sinnbild sein, für das verschwinden vieler Vogelarten aus dem Landkreis. Der Kiebitz ist wohl das bekannteste der drei ausgestopften Tiere.

Landrat Robert Niedergesäß hält bereits nach Wiesenbrütern Ausschau. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Geht es nach Max Finster von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratamt, sollen hier, südwestlich von Loitersdorf bald auch wieder lebende Exemplare des Vogels gesichtet werden können. Deshalb hat der Landkreis unter Federführung Finsters in einem rund 50 Hektar großen Gebiet zwischen dem Flussverlauf der Alten Moosach und dem Moosach-Hangkanal ein Schutzgebiet für Wiesenbrüter wie den Kiebitz und andere Zugvögel eingerichtet.

Die Bekassine mag nasse Flächen, die sie mit ihrem langen Schnabel nach Nahrung absucht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Menschenaufläufe sind selten, hier, einige Höhenmeter unter der Ansammlung von Höfen und Häuschen, die sich Loitersdorf nennt. Doch an diesem Dienstagnachmittag hat sich hier eine bunte Truppe eingefunden. Landwirte aus der Umgebung sind dabei, eine Schulklasse aus der Aßlinger Grund- und Mittelschule, diverse Vogelschützer und auch Landrat Robert Niedergesäß ist mit von der Partie. Sie alle sind gekommen, um sich von Max Finster über das neue Vogelschutzgebiet informieren zu lassen. Genauer gesagt ist es ein Wiesenbrüterschutzprojekt. Wie der Name schon verrät handelt es sich dabei um ein Gebiet, in dem die Gattung der Wiesenbrüter ihre ursprüngliche Heimat zurückbekommen soll.

Den Kiebitz und Bekassine gibt es bei Loitersdorf inzwischen nur noch ausgestopft. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wiesenbrüter sind besonders sensible Vögel, zumindest was die Aufzucht ihrer Nachkommen betrifft. Denn versteckt im Gras- und Buschland bauen sie ab März ihre Nester. Traktoren, Spaziergänger und vor allem ihre Hunde vertreiben die Vögel aus ihrem Lebensraum. Bis in die achtziger Jahre wählten noch zahlreiche Kiebitz-Pärchen das Brucker Moos als Nistplatz.

Martina Lietsch und Max Finster von der Unteren Naturschutzbehörde stellen ein neues Schutzgebiet auf dem Plan vor. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Doch mit der sich immer weiter intensivierenden Landwirtschaft, die immer mehr auf Düngmittel und Einsatz großer Maschinen setzt, verschwand auch der Kiebitz. Und mit ihm andere Arten von Wiesenbrütern wie die Uferschnepfe, das Braunkehlchen oder der Wiesenpieper. 2013 fand dann eine Kartierung im Brucker Moos statt, bei der auch der Vogelbestand unter die Lupe genommen wurde. Das alarmierende Ergebnis: Diverse Brutvogelarten, die ehemals im Brucker Moos verbreitet waren, konnten kaum mehr nachgewiesen werden.

Fachreferent Max Finster will die Vögel wieder zurückholen. Und dafür hat der Landkreis auch einiges an Geld springen lassen: Rund 5000 Euro für Infotafeln, ein Standfernglas, Infotafeln und Bänke. Die Regierung von Oberbayern legte noch mal 2500 Euro drauf. Dem Kiebitz und seinen Vogel-Kollegen wird das herzlich egal sein. Er profitiert davon, dass neun Landwirte aus den umliegenden Dörfern einen Teil ihres Grundes für das Projekt verpachten.

Eine Vereinbarung mit den Landwirten sieht auch vor, dass diese die Wiesen des neuen Schutz-Gebietes zwischen März und Juli, also zur Brut-Zeit der gefährdeten Arten, nicht bewirtschaften. Vom Freistaat bekommen die Landwirte dafür zusammengerechnet 15 000 Euro pro Jahr. Die Verträge sind auf fünf Jahre befristet, doch geht es nach den Initiatoren des Projektes, soll die Zusammenarbeit länger dauern.

Letztlich hat die Population des Kiebitz das selbe Problem wie die Bevölkerung Mitteleuropas: Den demografischen Wandel. "Es gibt schon noch viele Kiebitze, doch auch die werden älter, und es kommen einfach keine neuen nach" formuliert es Richard Straub, Kreisvorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz. Denn es fehlen Nistplätze. Und so sei der Vogel in unseren Breitengraden nahezu vom Aussterben bedroht.

Der Kiebitz legt, wie auch die anderen Wiesenbrüter-Arten, jährlich Tausende von Kilometern zurück. Wenn sich der Sommer im Landkreis dem Ende zuneigt, machen sie sich auf den Weg in wärmere Gefilde: in den Süden Afrikas, nach Japan oder China beispielsweise. Ihre Heimat haben diese Zugvögel trotzdem "hier, denn hier ziehen sie ihren Nachwuchs hoch", sagt Vogelschützer Straub.

Auch ein Teil des Grundes von Landwirt Johann Hintermair soll wieder Heimat für Uferschnepfe, Kiebitz und Co. werden. Hintermair ist einer der Bauern, die dem Landkreis einen Teil ihres Grundes für die Wiederansiedlung der Wiesenbrüter zur Verfügung stellen. Er hofft, dass der Versuch Früchte trägt.

Doch dabei komme es, betont Hintermair, auch auf die Bürger im Landkreis an. Denn gerade bei schönem Wetter nutzen viele Menschen aus der Umgebung das Brucker Moos, um hier, inmitten der Felder, Erholung zu suchen. Viele nehmen dabei auch ihre Hunde mit. Das allein wäre noch kein Grund zur Sorge, doch "die freilaufenden Hunde sind ein großes Problem", betont Landwirt Hintermair. Denn die nicht angeleinten Tiere würden die Nistplätze der Wiesenbrüter aufstöbern und sie zerstören.

Der Landwirt hofft, dass mit dem neuen Schutzgebiet auch mehr Bewusstsein für solche Probleme entsteht, "vor zehn Jahren hat das noch niemanden interessiert, aber langsam wird es besser", sagt er. Und während Hintermair spricht und einige der Schulkinder ein letztes Flötenstück spielen, knattert oben auf dem Hügel ein Traktor heran. Der aufziehende beißende Geruch verrät schon: Es wird gedüngt. Auch damit müssen sich die Landwirte im Schutzgebiet künftig zurückhalten, denn der Durchschnitts-Bodenbrüter nistest nicht gerne im Dung.

Die Schulkinder haben das neu angebrachte Standfernglas entdeckt und auch, wenn es an diesem Dienstag etwas diesig ist, die Kirchtürme, Baumwipfel und Silhouetten der Alpenausläufer lassen sich mit dem Rohr ganz gut vors Auge holen.

Auch Robert Niedergesäß wagt einen Blick durch das Standfernglas. Er lässt den Blick durch das künftige Schutzgebiet gleiten. Auch das ist freilich ein schönes Sinnbild, ob gewollt oder nicht, es wirkt als würde Niedergesäß in eine ökologischere Zukunft blicken. Zukunftsgewandt wirkt auch seine Wortwahl: "Biodiversität" lautet das Schlagwort. "Wir haben nur ein Ökosystem und dazu gehören alle Arten".

Das Wort "alle" zieht der Dienstherr des Landratsamtes betont in die Länge, es beinhaltet auch die Wiesenbrüter. Während dessen ist auch schon das Dienstauto von Niedergesäß das Hügelchen hinab, zum Veranstaltungsort gebracht worden: Viele PS, der dunkle Lack glänzt in der Sonne. Niedergesäß genießt die letzten Sonnenstrahlen bevor er weiter muss. Der Kiebitz und die anderen Wiesenbrüter können kommen.

© SZ vom 13.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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