Umstrittener Dirigent:Von Hitlers Gnaden

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Im Residenztheater läuft ein Stück über Karl Böhm

Von Alexandra Leuthner, Vaterstetten

Einen "willigen Diener des Nationalsozialismus" hat Österreichs Staatspräsident Alexander Van der Bellen den Dirigenten Karl Böhm genannt. Was er deswegen tat, weil Böhm, der lange in Vaterstetten gelebt hat, Gegenstand eines Theaterstücks ist, das Teil der Bregenzer Festspiele 2018 war. Nun läuft das Stück im Residenztheater. Und könnte für den ein oder anderen Vaterstettener, der die im Gemeindegebiet verlaufende Karl-Böhm-Straße bisher nur mit Karl-Heinz Böhm, Schauspieler, Gründer einer Hilfsorganisation für Äthiopien und Sohn des Dirigenten, in Verbindung gebracht hat, manche Erkenntnis liefern.

Karl Böhm, einer der größten Dirigenten des 20. Jahrhunderts, kam 1921 aus Österreich nach Deutschland, wirkte zunächst in München, Darmstadt und Hamburg, bis er 1934 auf Fürsprache Hitlers Generalmusikdirektor der Dresdner Semperoper wurde. Mitten im Krieg, 1943, kletterte er noch eine Stufe höher, wurde Direktor der Wiener Staatsoper. Noch im August 1944 wurde er in die von Hitler genehmigte "Gottbegnadetenliste" aufgenommen - so dass ihm ein jeder Fronteinsatz erspart blieb. Bereits 1935 hatte Böhm geschrieben: "Es ist sicher im Sinne der Regierung gelegen, wenn ich als deutscher Dirigent nach Wien gehe, um dort den zahlreichen Anhängern der nationalsozialistischen Idee neue Anregung zu geben, umso mehr als ich gebürtiger Österreicher bin. [...]Heil Hitler!" Nachdem er 1945 von den alliierten Besatzungsbehörden wegen Nähe zum Nazi-Regime aus dem Amt entfernt worden war, bekam er es 1956 wieder zurück.

Schlicht "Böhm" heißt das Solostück das der österreichische Puppenspieler und Regisseur Nikolaus Habjan in Szene gesetzt hat. Der niederösterreichische Schriftsteller und Opernfan Paulus Hochgatterer hat es geschrieben. Habjan stammt wie Karl Böhm aus Graz, und war mit der Produktion nominiert für den Nestroy-Theaterpreis. Neben kleineren Puppen in der Rolle von Opernsängern und anderen Akteuren, hat Habjan drei fast lebensgroße Halbkörperpuppen gebaut, die als Mimen des jungen, mittleren und - vielleicht - alten Böhm dienen. Man weiß es nicht genau, vielleicht ist es auch nur ein alter, im Rollstuhl sitzender Mann, durch dessen Augen der Zuschauer auf das Leben des Dirigenten blickt. So sind die Spielszenen nicht chronologisch, sondern wie Erinnerungsfetzen als Stücktext gereiht. Da schimpft der Schauspieler Habjan in seiner Sprechrolle als alter Mann mit dem rumänischen Pfleger, da moniert er als pingeliger Musiker verhunzte Einsätze bei eingespielten Schallplattenaufnahmen, da huldigt er am Dirigentenpult mit großer Geste seiner Berufung - während im Hintergrund Arien oder Reden von Hitler oder Goebbels laufen. Böhm war nie Mitglied der NSDAP, aber er hat sich die Nazis elegant zunutze gemacht, auch das wird thematisiert.

Über eine Umbenennung der Straße in Vaterstetten hat es vor Jahren mal eine Diskussion im Gemeinderat gegeben, geändert aber wurde er bisher nicht.

Das Stück "Böhm" ist im Residenztheater am Montag und Dienstag, 4. und 5. Februar zu sehen. Beginn ist jeweils um 20 Uhr, Karten gibt es an der Kasse der Bayerischen Staatstheater, unter www.residenztheater.de und (089) 2185 1940.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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