Turmstube Grafing:Bescherung vor Heiligabend

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Mixed Shows bieten Kleinkunst - von wem, ist ein Geheimnis

Von Amelie Hörger, Grafing

Einmal durch das Programm der Grafinger Stadthalle geblättert, fällt einem eine mysteriöse Rubrik ins Auge: Regelmäßig steht dort ganz schlicht: "Mixed Show - Vier in einem Turm". Mehr nicht. Keine Beschreibung, was oder wer einen dort erwartet. Aber wahrscheinlich ist genau dieses Konzept das Geheimnis der immer ausverkauften Show. Das Rätselraten und die Überraschung. Auch in der Turmstube verrät fast nichts etwas über die Künstler des Abends. Eine Gitarre und zwei Mikrofone stehen einsam auf der rot erleuchteten Bühne. Sie ist von Tischen umringt, an denen die Leute schon gespannt auf den Abend warten. Es herrscht eine Art gespannte Wohnzimmeratmosphäre wie an Heiligabend. Was gibt es auszupacken? Was wird man bekommen?

Die Stadthalle gleiche momentan "einem Schiff mit starkem Seegang", sagt Moderator Sebastian Schlagenhaufer zu Beginn und weist damit auf den möglichen Abriss des Gebäudes hin. Er sei trotzdem ganz fröhlich - was wohl an dem geplanten Bürgerbegehren liegt. Diese Fröhlichkeit ist jedenfalls ideale Grundvoraussetzung für den anstehenden Abend, der laut Schlagenhaufer ein internationales Programm verspricht. "Wir bemühen uns, die Künstler von immer weiter weg zu bekommen", sagt er. Die ersten Kabarettisten des Abends stammen immerhin aus einer Stadt, die von Grafing mit der Bahn manchmal besonders schwierig zu erreichen ist: München. Es sind Alex Döring und "sein Bassist", wie er an diesem Abend immer nur genannt wird, Denis Jaworski. Der junge Liedermacher hat eigene Songs mitgebracht, die thematisch ein wirklich buntes Repertoire abdecken. Unerwartet erklingt ein Lied über tote Zirkustiere, dann ein Liebeslied, das zur Stalker-Hymne wird, und ein Song über die horrenden Mietpreise der Münchner Innenstadt. "Diskutabel und verwerflich", nennt Döring sein ein oder anderes Stück. Lustig sind sie aber allemal und werden vom Grafinger Publikum mit lautem Lachen und enthusiastischem Begleitgesang goutiert. Jaworski ist währenddessen nur wichtig, dass alle im Raum verstehen: "Ich spiel nur Bass und trinke Bier." Mit dem Inhalt der Lieder habe er nichts zu tun.

Nach der Heimateinlage aus München wird es tatsächlich international. Mit Hilfe von Mademoiselle Mirabelle erleben die Zuschauer einen Abstecher nach Frankreich. Stilecht mit grünem Barett und Baguette hat sie es sich mit ihrem weichen Akzent zur Aufgabe gemacht, den Deutschen endlich Lebensfreude beizubringen. Auch gerade im Flirten könne sich der Deutsche noch ein wenig vom Franzosen abschauen, so ihre Devise. Und deswegen sind besonders die Männer im Publikum nicht sicher, als Mirabelle auf Streifzug durch die Reihen geht, um passende Kandidaten auf die Bühne zu holen. Die beiden Grafinger, die am Ende neben ihr stehen, schlagen sich tapfer durch Gesangs- und Tanzeinlage.

"Vier in einem Turm" lautet der Untertitel der Veranstaltung, und auch, wenn der Zuschauer zunächst nicht weiß, welche Darsteller kommen, so weiß er doch immerhin, wie viele. Klar, vier. Aber selbst in diesem Punkt kann man sich offensichtlich nicht sicher sein. An diesem Abend findet sich spontan noch ein fünfter Künstler ein: Michi Marchner. Weil er etwas in der Turmstube vergessen hat, landet er prompt für zwei Songs auf der Bühne. Der Musikkabarettist hat dabei einen festen Auftrag bekommen: Noch etwas für die intellektuellen Gäste spielen, "weil die noch nicht so angesprochen wurden", so Marchner. Deswegen folgt von dem Herrn mit der brauen Gitarre und den zerzausten Haaren nun eine Literaturvertonung des Märchens "Vom Fischer und seiner Frau".

Nach diesem Intermezzo geht es europäisch vielseitig weiter. Aus dem benachbarten Tschechien kommt Jaromir Konecny, der seine Kindheit in lustige Geschichten verpackt, und auch aus Österreich ist Besuch da: Jimmy Schlager und Band haben es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst alle gleich zu beleidigen, damit sich auch niemand benachteiligt fühlt. Mit einer Reihe von Wortspielen gelingt das dem Duo hervorragend - ein schöner Abschluss des überraschenden Abends. Und im Vergleich zu Weihnachten hat die "Mixed Show" einen eindeutigen Vorteil: Hier gibt es jeden Monat eine neue Bescherung, ganz ohne Christbaum.

Die "Mixed Show" findet immer am ersten Donnerstag im Monat in der Turmstube der Grafinger Stadthalle statt. Allerdings sind die Termine bereits bis zum 4. Juni ausverkauft. Falls spontan Karten frei werden, erfährt man dies häufig über die Facebook-Seite der Veranstaltung.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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