Traum von der Stichwahl:Vom Seitenrand mitten ins Geschehen

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Waltraud Gruber feiert ihre einstimmige Nominierung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Grünen im Landkreis Ebersberg nominieren Landratskandidatin Waltraud Gruber und die Kreistagsliste

Von Elisabeth Urban, Grafing

Fröhliches Schwatzen und Murmeln untermalt den letzten Check der Technik, Neuankömmlinge bestätigen per Unterschrift ihre Anwesenheit, lassen sich ein Gerät zur digitalen Abstimmung aushändigen und verteilen sich an einem großen U-förmigen Tisch. 54 wahlberechtigte Mitglieder der Grünen im Landkreis Ebersberg sitzen in einer Stube des Kastenwirts in Grafing, und es werden noch einige dazukommen. Sie entscheiden, mit welchen Kandidatinnen und Kandidaten die Grünen im März 2020 in die Kreistagswahl gehen. Dabei gilt es einerseits, die Landratskandidatin Waltraud Gruber offiziell zu nominieren, andererseits über die Belegung der 60 Listenplätze abzustimmen.

"I hob dramt" - ich habe geträumt, so beginnt Waltraud Gruber ihre Rede, warum sie ein weiteres Mal für die Grünen als Landratskandidatin antreten will. Seit 36 Jahren ist Gruber Mitglied bei den Grünen, und fast genauso lange sitzt sie im Kreistag. Gruber "träumt" von mehr Naturschutz im Landkreis, beklagt den Flächenverbrauch, der nur mit "desaströsem" Ausgleich verbunden sei, spricht sich für die Einrichtung eines Frauenhauses im Landkreis aus und gegen den Bau neuer Straßen. Die Rede der Frau mit der energisch wirkenden Kurzhaarfrisur wird immer wieder von Applaus unterbrochen, zum Beispiel als sie fordert, den Ermessensspielraum bei Arbeitserlaubnissen für Geflüchtete auszuweiten und die Radwege im Landkreis auszubauen. Die Grünen, so Gruber "fahren keinen Schlingerkurs, mal so mal so". Sie gibt aber auch zu: "Wir sind noch meilenweit von unseren Zielen entfernt" - und setzt dann wieder beim Träumen an: Sie träume davon, diese Ziele weiter zu vertreten, am Ende in die Stichwahl gegen den amtierenden CSU-Landrat Robert Niedergesäß zu gehen und die Sitze der Grünen im Kreistag von bislang neun auf fünfzehn zu erhöhen. Die Umweltingenieurin aus Aßling tritt ohne Konkurrenten an - und die Anwesenden sprechen sich einstimmig für sie aus.

Weil die Abstimmung über 60 Listenplätze für den Kreistag dann doch den zeitlichen Rahmen deutlich sprengen würde, erklärt Versammlungsleiter Thomas von Sarnowski, dass nur die ersten 30 Listenplätze einzeln gewählt würden. Für die Vergabe der restlichen Plätze wird vom Kreisverband ein Vorschlag vorgelegt, der dann per Antrag noch verändert werden kann. Nachdem der erste Listenplatz auch direkt mit Waltraud Gruber besetzt wird, geht es also in einen Vorstellungs- und Abstimmungsmarathon, teilweise tritt nur ein Kandidat für einen Platz an, auf manche Plätze bewerben sich bis zu fünf Kandidatinnen und Kandidaten.

Drei Minuten um die eigenen Wünsche und Schwerpunkte darzulegen - das scheint beim einen viel zu kurz, beim anderen fast schon zu lang. Thomas von Sarnowski, der auf den zweiten Platz gewählt wird, löst das Problem, indem er mit stark erhöhter Sprechgeschwindigkeit für seine Ziele wirbt, später sagt ein Parteikollege "er hat so schnell gesprochen wie er Radl fährt" - und von Sarnowski fahre sehr schnell Rad. Von der Jurastudentin im ersten Semester über den selbstständigen Veranstaltungstechniker bis hin zur Diplomingenieurin, das Bewerberspektrum um die Listenplätze ist bunt gemischt. Nach der jeweiligen Vorstellung besteht für das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ist es vereinbar, für die Grünen zu kandidieren, gleichzeitig aber die Welt zu bereisen und dabei auch zu fliegen? Ja, sagt die befragte Ilke Ackstaller, denn man müsse über den Tellerrand schauen, um die Welt zu verstehen, und das gehe nun mal nicht über das Fernsehen, sondern nur durch direkte Begegnungen. Wie planen die Kandidatinnen mit Vertretern der AfD umzugehen? Den Dialog suchen und sich auf argumentativer Basis auseinandersetzen, sagen die einen, eine Diskussion sei nicht möglich die anderen. Was soll mit dem maroden Ebersberg Sparkassengebäude passieren, und was ist beim Bau der Berufsschule in Grafing Bahnhof wichtig? Sollen weitere Wohnungen gebaut werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, oder soll vielmehr der Schwerpunkt auf neue Wohnkonzepte, also beispielsweise Mehrgenerationenhäuser, gelegt werden?

Lakhena Leng, die auf Listenplatz elf landet, bringt neben vielen Themen, die bis zu ihrer Vorstellung schon oft gefallen sind, einen neuen Blickwinkel ein: "Umweltschutz sollte kein Statussymbol sein", sagt sie zum Beispiel und erhält für diese Forderung viel Zustimmung und setzt sich am Ende gegen drei Mitbewerberinnen durch.

Ob schon lange dabei oder verhältnismäßig neu im Politikbusiness, und egal auf welchem Listenplatz sie letztendlich landen, eines haben die aufgestellten Kandidaten am Ende des Tages gemeinsam: Wie Niklas Fent aus Aßling, der auf Listenplatz acht gewählt wird, haben sie sich entschieden, "nicht mehr am Seitenrand zu stehen und zuzuschauen", sondern sich "dort einzubringen wo Entscheidungen getroffen werden".

1. Waltraud Gruber, 2. Thomas von Sarnowski, 3. Antonia Schüller, 4. Reinhard Oellerer, 5. Angelika Obermayr, 6. Johannes von der Forst, 7. Ronja Ofner, 8. Niklas Fent, 9. Ilke Ackstaller, 10. Benedikt Mayer, 11. Lakhena Leng, 12. Johannes Rumpfinger, 13 Teresa Stock, 14. Jakob Greithanner, 15. Susanne Höpler, 16. Franz Greithanner, 17. Veronika Ruoff, 18. Uwe Peters, 19. Ulrike Burggraf, 20. Gunter Schmidt, 21. Ottilie Eberl, 22. Hermann Maier, 23. Margrit Pricha, 24. Joachim Weikel, 25. Claudia Peter, 26. Daniel Göhler, 27. Kathrin Nagy, 28. Wolfgang Huber, 29. Andrea Oberhauser-Hainer, 30. Helmut Obermaier, 31. Brigitte Freund, 32. Werner Dankesreiter, 33. Doris Seibt, 34. Stefan Kisters, 35. Monika Kalberlah, 36. Philipp Goldner, 37. Bärbel Aschauer-Lammel, 38. Joachim Hellriegel, 39. Angela Heilmann, 40. Frank Stephan, 41. Bettina Goldner, 42. Tobias Vorburg, 43. Tina Lucka, 44. Fritz Gerneth, 45. Andrea Maier, 46. Konrad Eibl, 47. Melanie Kirchlechner, 48. Axel Weingärtner, 49. Bärbel Weiß, 50. Moritz Dietz, 51. Elisabeth Mundelius, 52. Matthias Linnemann, 53. Natalie Katholing, 54. Andreas Löffl, 55. Gertrud Höpfner, 56. Stefan Ruoff, 57. Petra Behounek, 58. Johannes Oswald, 59. Sieglinde Pehl, 60. Max Maier.

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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