Trachtenverein:Im Namen der Berge

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Seit 70 Jahren gibt es den G.T.E.V. "Voglbergler" Straußdorf. Von diesem Donnerstag bis Sonntag wird das Gründungsjubiläum ausgiebig gefeiert

Von Annalena Ehrlicher, Grafing

Je genauer man hinschaut, desto mehr sieht man - was wie eine Binsenweisheit klingt, kann im Fall von Trachten als Gebrauchsanweisung verstanden werden. "Der Lederhosensteg hier wurde vor fünf Jahren von Fridolin Gruber entworfen", erzählt die Schriftführerin des G.T.E.V "Voglbergler" Straußdorf, Rosemarie Maierbacher, und fährt mit dem Finger über die Stickerei. Auf dem schmalen Bund ist die Südfassade der Straußdorfer St. Johannes-Kirche mit ihrem Zwiebelturm zu sehen, von Johanniskraut und bayerisch-blauen Wolken gerahmt. Tatsächlich ist die Lederhosenstickerei nur eines von schier endlosen Details, die ins Auge fallen, wenn man mit Bedacht schaut: "Ja, wir leben von solchen Einzelheiten. Es steht ja schon in unserem Namen: Wir sind ein Gebirgstrachtenerhaltungsverein", sagt Maierbacher mit einem Lachen. "Natürlich ist die Tradition wichtig - das war ja auch nicht immer ganz einfach."

70 Jahre ist es dieses Jahr her, dass sich der Verein in Straußdorf nach dem zweiten Weltkrieg zusammenfand: Die Idee entstand, so erzählt es die Vereinschronik, bei einem Trachtenball in Baiern. Im Mai 1948 wurde die Gründungsversammlung abgehalten, vier Jahre später folgte die Fahnenweihe. Auch hier lohnt der Blick ins Detail: Auf der Fahne prangen in großen gestickten Lettern die Sätze: "Sitt und Tracht der Alten wollen wir erhalten" und "Treu dem guten alten Brauch."

Alois Bell feiert im August seinen 90. Geburtstag. Seine Leidenschaft für den Trachtenverein gibt er an den Nachwuchs weiter. (Foto: Christian Endt)

Trachten und Traditionen - einen gewissen Aufschwung hat die Kombination in den vergangen Jahren erneut erlebt, aber finden kleine Verbände wie die "Voglbergler" damit noch Nachwuchs? "Na, schwierig ist das teilweise schon, weil die Konkurrenz natürlich groß ist", räumt Maierbacher ein. Von den 200 Mitgliedern des Vereins ist nur ein Bruchteil richtig aktiv. Etwa ein Fünftel ist älter als 75 Jahre - und von den Jüngeren sind die meisten Verwandte von älteren aktiven Mitgliedern. "Aber das kann sich auch wieder ändern. Emmering hat zum Beispiel ganz viel Nachwuchs - bei dem Umzug gehen sie sogar mit einem Wagen für die Kinder mit."

Eine Besonderheit am 70. Gründungsjubiläum ist, dass mit Alois Bell tatsächlich auch ein originäres Gründungsmitglied teilnehmen kann: "Da in den ersten Jahren noch kein Mitgliederbuch geführt wurde, ehren wir auch die Mitglieder, die in den ersten fünf Jahren des Bestehens dabei waren", erklärt Maierbacher. Die Schriftführerin sitzt in ihrer Küche, die in den vergangenen Wochen mehr und mehr zur Organisationszentrale für die Feierlichkeiten wurde. "Hier im Haus geht's gerade nur noch um den Verein", sagt sie lachend, als ihr Sohn und Tochter Lisbeth beladen mit Fotografien für das Festzelt in die Küche kommen. Seit etwa einem Jahr laufen die Vorbereitungen bereits - der Festsonntag ist bis ins kleinste Detail geplant. "Das muss man auch, schließlich haben wir im Moment 1200 Anmeldungen für den Festzug zur Kirche", sagt Maierbacher.

Der Nachwuchs probt für das Jubiläum bereits fleißig. (Foto: Christian Endt)

Vier Gauverbände, unterteilt in 16 Trachten- und zahlreiche weitere Heimatvereine, gibt es im Landkreis Ebersberg. "Da kommt ganz schön was zusammen". Tänze und Platteln der einzelnen Vereine gibt es am Sonntag im Festzelt zu sehen - dazu kommt eine Premiere der "Voglbergler": 16 Paare werden den Kronentanz auf die Bühne bringen, der seit den 1920er Jahren zu den wichtigsten Trachtentänzen zählt.

Zahlreiche Fotografien, Urkunden, Fahnen und Dokumente geben einen Eindruck davon, wie sich der Verein entwickelt hat. "Es gibt ja auch immer wieder Neuerungen", sagt Maierbacher über einem Teller Kartoffelsuppe. "Seit 2014 haben die Dirndl für die Wettkämpfe neue Seidengarnituren - und seit letztem Jahr gibt es neue Vereinschürzln." Maierbacher selbst trägt seit ihrer Hochzeit 1983 den "Schoik", den Schalk: langer Rock, lange Ärmel, schwarz und mit einem Hut, der sich von den Dirndln unterscheidet. "Das ist natürlich heute nicht mehr verpflichtend, bloß weil man heiratet." Und andersherum? "Nein, Unverheiratete können keinen Schalk tragen."

Wer selbst auf der Suche nach der perfekten Tracht ist, kann sich an diesem Donnerstag bei der "Gwandschau" inspirieren lassen und die neue Kleidung am Freitag beim Weinfest testen. Neben Essen und Unterhaltung gibt es vor allem eins: "Richtig bayerische Musik." Immer live? Maierbacher schaut verächtlich. "Des is a Muss."

Das Jubiläums-Programm und weitere Informationen unter http://www.voglbergler-straussdorf.de

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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