Theaterkritik:Packende Vorstellung

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Was in den Köpfen der Protagonisten vorgeht, visualisiert die Theatertruppe des Grafinger Gymnasiums mit einem Schattenspiel. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Gymnasium Grafing wird zur Drogenhölle

Von Amelie Hörger, Grafing

"Kiffen, Cracken, Schießen, Durchziehen, High sein, Runterkommen". Jedes einzelne Wort kommt wie aus der Pistole geschossen aus den Mündern von sechs Jugendlichen. Sie stehen am Rand einer provisorischen Bühne, aufgebaut in der Aula des Grafinger Gymnasiums, auch Badewanne genannt. Alle tragen schwarze T-Shirts, in aufgesprühten goldenen Lettern prangen ihre Rollennamen auf dem schwarzen Hintergrund. Jens (Kilian Jocher) und Hanke (Tobias Manegold) kann man hier zum Beispiel lesen. Zu sanften Klängen schieben sie Stühle für die kurzdarauffolgende Gruppentherapiesitzung über die Bühne, bevor sie sich wieder im Scheinwerferlicht versammeln. "Horrortrip, Horrortrip" hört man sie gemeinsam murmeln.

Es ist eine düstere Welt, in welche die Theatergruppe des Grafinger Gymnasiums an diesem Abend, einlädt. Denn das Stück "Kiffen! Cracken! Schießen!" von Thor Truppel gibt Einblick in eine Suchtklinik für Jugendliche, mit allem, was dazu gehört. Gruppentherapie, Einzelsitzungen mit Therapeutin Frau Reichert (Theresa Emmert) und Malworkshop. Die Jugendlichen unter der Leitung von Caroline Reh scheuen sich dabei nicht, auch schwierige Schicksale gekonnt auf die Bühne zu bringen. Nicole (Thalie Schröter) hat ihre Eltern bei einem Autounfall verloren, Diana (Paula Katterloher) wurde von ihrem Vater geschlagen, Marcel (Leo Maier) von seinem nie beachtet. So rutschten sie ab, bis sie schließlich in der Klinik landeten. Um ihren Geschichten den nötigen Raum zu geben, spielen die Akteure mit unterschiedlichen Erzählformen.

So steht Isabetta, sehr berührend verkörpert von Isabel Kanczer, einmal im gleißenden Scheinwerferlicht und ruft: "Ich möchte vergessen, dass es eine Welt da draußen gibt!" Hinter ihr sieht man durch ein weißes Leinentuch einen Schatten, der Isabettas Gedanken bildlich darstellt und sich selbst Schmerzen zufügt. Ein anderes Mal ist die Bühne leer, nur Videos der Patienten erscheinen. Trotz der manchmal etwas schlechten Tonqualität wirkt das Gezeigte sehr real, fast wie ein Videotagebuch. Das gibt dem Stück einen modernen Touch und zeigt, wie viel Mühe die Schüler in die Aufführung gesteckt haben.

Während der Gruppentherapiesitzungen lernt der Zuschauer nicht nur die Schicksale der Jugendlichen kennen, sondern kann auch hinter die Fassade der kumpelhaften Frau Reichert oder des scheinbar unnahbaren Professor Schubert (Linus Ahr) blicken. Die Dialoge sind aufgrund der Schicksale häufig dramatisch, lassen aber auch Spielraum für Humor. In dieser Suchtklinik tobt nicht nur der Kampf gegen die Stimmen im eigenen Kopf, die immer wieder durch das Schattenspiel im Hintergrund in Szene gesetzt werden, sondern auch ein Machtkampf zwischen den Schwachen und den Starken, es geht um Liebeskummer und Familienprobleme. All das komprimiert auf einer Bühne.

Man merkt, wie mitgerissen die Zuschauer sind, denn als plötzlich ein Schuss fällt, zuckt nicht nur das halbe Publikum zusammen, nein, man hört auch hier und da einen kleinen Aufschrei. Es ist eine packende Stunde Theater, nicht nur wegen der berührenden Thematik, sondern auch wegen der Leidenschaft, welche die Gruppe zur Schau stellt.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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