Teilerfolg der Kläger:Landratsamt muss nachsitzen

Lesezeit: 3 min

Die Verwaltungsrichter überzeugen sich selbst von der beengten Situation für Fußgänger an der Straußdorfer Kirche. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Das Verwaltungsgericht sieht deutlichen Verbesserungsbedarf an der Engstelle neben der Straußdorfer Kirche. Die zuständige Verkehrsbehörde hat nun drei Monate Zeit, entsprechende Maßnahmen zu veranlassen

Von Wieland Bögel, Grafing/Ebersberg

Die Straußdorfer Mitte soll sicherer werden. Bewohner des Ortes und die Stadt Grafing fordern schon länger, dass der Verkehr, besonders rund um die Kirche, entschärft wird - passiert ist allerdings noch nichts. Das könnte sich nun aber ändern, und sogar relativ schnell. Binnen drei Monaten soll das Landratsamt als zuständige Verkehrsbehörde Vorschläge prüfen und Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit anordnen. Das ist das Ergebnis einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München.

Angerufen hatte dies Martin Lechner, CSU-Kreisrat und Straußdorfer. Beziehungsweise nicht er selbst, offizielle Kläger sind Lechners Kinder. Denn, so die Begründung in der Klage, besonders für Kinder sei der Straußdorfer Straßenverkehr sehr gefährlich. Um dieses Risiko zu vermindern, fordern die Kläger ein Tempolimit auf der Ortsdurchfahrt, wenigstens auf dem Teil in der Nähe der Kirche soll nur 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden dürfen.

Beim Ortstermin des Gerichts - unter großer Anteilnahme der Straußdorfer - erklärte Lechner, welchen Bereich er sich für ein solches Tempolimit vorstellt. Am besten wäre es von der Kreuzung Moosstraße/Am Hang im Süden der Ortsdurchfahrt bis zur Schulbushaltestelle auf dem Hügel nördlich der Kirche. Denn sowohl die Kreuzung als auch der Hügel machten die Stelle unübersichtlich für Autofahrer, so Lechner. Außerdem hätten Fußgänger im Bereich der Kirche keine Ausweichmöglichkeit: "Der Gehweg verdient diesen Namen nicht", so Lechner.

Gerade einmal 75 Zentimeter misst der Gehsteig an seiner schmalsten Stelle. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Tatsächlich, so stellte es auch das Gericht per Meterstab fest, ist der Fußweg an zwei Stellen, an der Friedhofsmauer und an der nördlichen Kirchenmauer lediglich 75 Zentimeter breit. "Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen haben da keine Chance", meinte Lechner. Und auch für die Schüler, deren Weg zum und vom Bus an der Stelle vorbeiführt, sei der Gehweg gefährlich eng, so Lechner weiter, weshalb viele Straußdorfer, er eingeschlossen, die Kinder mit dem Auto zur Bushaltestelle führen. "Nicht weil wir es wollen, sondern weil es sonst zu gefährlich ist."

Auch bei der Grafinger Stadtverwaltung sieht man den Gehsteig als unzureichend an, wie Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) erklärte. Aber da die Straße eben dem Freistaat gehört, "können wir immer nur Krücken anbieten, hier ein Smiley, da ein Smiley", sagte sie in Anspielung auf die elektronischen Geschwindigkeitsmesser entlang der Straße. Die Stadt sei daher ebenfalls für ein Tempolimit auf 30 in Straußdorf.

Dass der Gehweg an der Stelle zu wünschen übrig lässt, wollte auch Hermann Ziegler vom Landratsamt Ebersberg nicht bestreiten. Trotzdem sei dies kein Argument für ein Tempolimit, dies werde an dem Problem nichts ändern. Ohnehin solle demnächst das Warnschild "Verengte Fahrbahn" vor der Kirche aufgestellt werden. Zudem prüfe man gerade, ob sich der Gehweg nicht vielleicht doch etwas erweitern lasse, wenigstens um einen halben Meter. Auch sei die Stelle weniger gefährlich als vom Kläger behauptet, jedenfalls wenn es nach der polizeilichen Statistik geht. Demnach habe es zwischen 2013 und 2017 fünf Unfälle in Straußdorf gegeben, lediglich einer war auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen - und dabei war der Raser auch noch ein Radler gewesen.

Zumindest dieser Einschätzung wollte das Gericht nach einem ausführlichen Spaziergang die Straße und den Gehweg entlang indes nicht ganz folgen. Wie der Vorsitzende Richter Dietmar Wolff erklärte, sei mindestens zwischen den beiden Engstellen "eine besondere Gefahrenlage" festzustellen. Was auch Folgen haben solle: "Da gehört irgendwas gemacht für Kinder, Ältere und Behinderte." Allerdings sei das nicht unbedingt das von den Klägern geforderte Tempolimit, so Wolff weiter, "da gibt es einen ganzen Strauß von Maßnahmen". Etwa eine Verbreiterung des Gehweges, das angesprochene Warnschild "Engstelle", oder "Vorsicht Fußgänger", eine einseitige Vorfahrtsregelung und vieles mehr. Welche davon sinnvoll und effektiv seien, könnten die Verkehrsbehörden nach und nach ausprobieren, regte Wolff an, schließlich gebe es die Möglichkeit, die Verkehrsschilder testweise für bis zu ein Jahr aufzuhängen.

Wolff schlug daher den Lechners vor, die Klage zurückzuziehen. Im Gegenzug sollte sich das Landratsamt dazu verpflichten, bis Ende Oktober "gefahrenmindernde Maßnahmen" für Straußdorf nicht nur zu prüfen, sondern auch konkret anzuordnen und umzusetzen. Denn hier sieht das Gericht durchaus Nachholbedarf in der Behörde. Konkret habe das Landratsamt sein "Auswahlermessen nicht ausgeschöpft", was übersetzt bedeutet, es wurde in den vergangenen Jahren einfach zu wenig versucht, die Gefahrenstelle an der Straußdorfer Kirche zu entschärfen.

Was genau der Grund für die Klage gewesen sei, so Lechner, er habe nämlich zuletzt 2016 beim Landratsamt einen Antrag auf ein Tempolimit gestellt, aber bis heute nicht einmal eine Antwort, geschweige denn eine Entscheidung bekommen. Daher zögerte er auch zunächst mit der Rücknahme der Klage: "Was ist, wenn jetzt wieder nichts passiert?" Dann könne er ja bei der nächsten Instanz klagen, so Wolff. Lechner nahm den Vorschlag nach Rücksprache mit den vier Klägern an.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: