Talentiade 2019:Die Goldmedaille im Blick

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Hochspringer Florian Roth vom TSV Vaterstetten ist oberbayerischer Meister in den Altersklassen U18 und U20. Doch seine Ziele sind noch viel ehrgeiziger - daran ändert auch ein gesundheitlicher Rückschlag nichts

Von Matthias Reinelt

Bei Olympia in Rio 2016 schaut Florian Roth am Fernseher zu und ist fasziniert von dem Bewegungsablauf der Hochspringer. "Unglaublich ästhetisch", findet er. Wie alle anderen Buben fängt er mit sechs Jahren das Fußballspielen an, aber in der siebten Klasse, also vor vier Jahren, entdeckt er seine eigentliche Leidenschaft, den Hochsprung. In der U14 der Leichtathletik-Abteilung des TSV Vaterstetten macht es ihm so viel Spaß, dass der Hochsprung zu seiner Disziplin wird. Noch einmal vier Jahre später ist er doppelter oberbayerischer Meister, in den Altersklassen U18 und U20. An den vergangenen beiden Wochenenden hat er seine Titel aus dem Vorjahr verteidigt. Er überquerte die Latte bei 1,86 und 1,87 Metern. "Ich bin ganz zufrieden", sagt er zu den Erfolgen.

Doch in diesem Jahr will er mehr. Im Juli sind die bayerischen Meisterschaften. "Die Goldmedaille will ich mir ins Zimmer hängen." Eigentlich ist sogar die Qualifikation zur deutschen Meisterschaft das Saisonziel. Dafür muss der Grasbrunner 1,95 Meter springen. Das schaffen jedes Jahr nur etwa zehn Athleten in seinem Alter, erzählt der 17-Jährige, der in Vaterstetten das Gymnasium besucht. Mit seinen 1,99 Metern Körpergröße sprang er im vergangenen Jahr seine Bestleistung, 1,92 Meter. Um seine Ziele zu erreichen, will er in den nächsten Wochen "im Wettkampfmodus drinbleiben" und auch mal auf einem Sportfest einen kleineren Wettkampf springen, sagt er.

Beim TSV Vaterstetten trainiert er zweimal die Woche. Der Verein sei ein Breitensportverein, der nicht unbedingt auf Leistung aus ist, sagt Florian. Bei anderen Vereinen würde er sechsmal die Woche trainieren. Das ließe sich mit der Schule aber gar nicht vereinbaren. Doch für die Möglichkeiten, die er in Vaterstetten habe, sei er "echt gut dabei", sagt Florian. Außerdem schätze er die "eingeschworene Gemeinschaft", die Leute im Verein, die er schon lange kennt und die guten Bedingungen. Montags lässt er sich, so oft es geht, vom Sportunterricht an der Schule freistellen. Denn dann darf er zum Stützpunkttraining nach München. Nach dem intensiven Training lässt er sich zur Regeneration Wasser in die Badewanne und stellt den Hahn auf ganz kalt. "Das kostet zwar Überwindung, aber der Effekt ist auch krass", erzählt Florian. Das Lactat, also die Milchsäure in den Muskeln, werde dadurch schneller abtransportiert und verhindere Muskelkater, erklärt er.

Für Florian ist Hochsprung nach dem Stabhochsprung die komplexeste Disziplin in der Leichtathletik. Denn in einem sehr kurzen Moment müssten die Athleten einen "riesigen Bewegungsablauf" abspulen. Wichtig sei, dass man sich beim Anlauf "schön in die Kurve reinlegt", wie bei einem Motorradfahrer, erklärt er. Die gehaltene Spannung treibe den Hochspringer über die Latte und die ganze Energie, mit der man abspringt, gehe nach oben. Kopf zurück, Hüften hoch, Schwungbein nachziehen und hoffen, dass die Latte "noch oben hängt". So soll es funktionieren, am besten immer. Sprung für Sprung. Vor dem Anlauf wippt er immer dreimal vor und zurück und klopft sich motivierend auf die Oberschenkel. "Ist bisschen irre, aber mein Ritual", sagt Florian. Unter Leichtathleten sei das aber auch völlig normal.

Um Erfolg zu haben, brauche man Glück, Talent und die richtige Einstellung. Bevor er den Fuß an die Ablaufmarkierung setzt, macht er sich noch einmal bewusst: Was will ich bei diesem Sprung besser machen? Entweder hat er dann ein gutes oder ein "komisches Bauchgefühl". Wenn es schlecht ist, läuft er nicht los. Dann muss er seine Gedanken erst "mit dem Kopf steuern", um wieder positiv zu denken. "Wenn man nicht dran glaubt, wird es nichts", sagt er. Florian gehe es darum, die "Stellschrauben auf perfekt zu stellen", sagt er. Selbst nach einem gelungenen Sprung denke er oft sofort an den nächsten Sprung und was er verbessern kann. Bevor ihm der Trainer Vorschläge macht, ist sich Florian oft schon über seine eigenen Fehler bewusst, sagt er.

Die meisten von Florians Freunden spielen Fußball oder gehen ins Fitnessstudio. "Da ist Hochsprung schon eher exotisch" sagt er. Aber wenn er erzähle, was er erreicht habe sei die Verwunderung oft groß. Viele könnten sich nicht genau vorstellen, was Leichtathleten machen. "Die denken, wir hüpfen da so ein bisschen rum", sagt er. In seiner Altersklasse ist Florian nach den Bestenlisten aber Führender in Bayern und gemeinsam mit zwei anderen Athleten der zehntbeste Hochspringer in Deutschland. Doch für diese Leistungen musste Florian sich herankämpfen. Im November des vergangenen Jahres verletzte er sich im Training. Diagnose: Außenband und Kapsel gerissen, außerdem ein Ödem am Gelenk. Seine Verletzung warf ihn sehr zurück. "Denn im Winter werden die Athleten gemacht", sagt Florian. Wenn es draußen kalt ist, springen die Sportler kaum, sondern schaffen die Grundlagen und "bereiten den Körper vor", sagt er. Zum Bei-spiel wird die Rücken- oder Wadenmuskulatur gestärkt. Im Sommer bei den Wettkämpfen zahle sich das Schuften dann aus.

(Foto: Logo Talentiade)

Doch sein Bein steckte in einem Gips-schuh. Drei Wochen musste er auf Krücken gehen. Durch die Ruhelage habe er stark an Kondition und Muskelmasse abgebaut. In der Zeit fing er an nachzudenken und fragte sich: Macht es Sinn, mehr zu investieren und zurückzukommen? Kann ich an das Erreichte anknüpfen? "Hochsprung ist eine brutale Kopfsache", sagt Florian. Die Zeit sei schwer gewesen, doch die Titelverteidigungen in den letzten Wochen waren für ihn die Bestätigung: "Ich hab's noch drauf".

Damit der 17-Jährige bei der deutschen Meisterschaft dabei sein kann, fehlen ihm noch acht Zentimeter. In fünf Wochen will er aber erst einmal unbedingt im eigenen Bundesland der Beste sein. Dann kann er sich vielleicht die ersehnte Goldmedaille übers Bett hängen und von Rio träumen.

Bei der Talentiade 2019 zeichnet die Süddeutsche Zeitung zum zehnten Mal die Leistung junger Sporttalente (bis Jahrgang 2000) aus München und den umliegenden Landkreisen aus sowie die hervorragende Nachwuchsarbeit ihrer Vereine. Wir suchen deshalb junge Sportlerinnen und Sportler, die in den vergangenen beiden Jahren - unabhängig von Sportart, Meisterschaften oder Titeln - besonderes sportliches Engagement gezeigt haben. Vergeben werden unter anderem neun Förderpreise à 1500 Euro. Bewerbungen und Vorschläge unter sz.de/talentiade. Die Bewerbungsphase endet am Dienstag, 18. Juni.

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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