SZ-Serie: Der Start ins Amt:Uli Proske startet mit angezogener Handbremse

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Ulrich Proske (parteilos), Bürgermeister von Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

Die Corona-Krise war auch für Ebersbergs neuen Bürgermeister Uli Proske die erste Bewährungsprobe, Projekte mussten auf die Warteliste und er selbst in Quarantäne.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Darauf, dass die Kreisstadt eines Tages autofrei ist, würden wohl selbst die größten Optimisten keine allzugroßen Summen setzen. Zumindest aber ein Auto ist seit Mai deutlich weniger in Ebersberg unterwegs: die Dienstlimousine des Bürgermeisters. Denn eine der ersten Amtshandlungen von Uli Proske - der als parteiloser Kandidat von der SPD nominiert worden war und sich in der Stichwahl gegen CSU-Mitbewerber Alexander Gressierer durchgesetzt hatte - war, eine Art Carsharing einzuführen. Der dunkle Audi des Stadtoberhaupts steht seitdem mit dem überwiegenden Rest des städtischen Fuhrparks am Bauhof. Die Mitarbeiter nutzten das Auto etwa, wenn schnell etwas in München zu besorgen sei, insgesamt war es aber seit Mai nur etwa 200 Kilometer unterwegs. Am seltensten mit ihm als Fahrer oder Passagier, sagt Proske, für seine Termine in der Stadt nutze er ein kleines Elektrorad, etwa wenn es Geburtstagsgrüße zu überbringen gibt: Blumen und ein Buch seien damit problemlos zu transportieren. Und es sei auch "viel spannender", als einfach im Auto zu sitzen, schließlich müsse und wolle der Bürgermeister doch die Leute treffen.

Was Proske erst seit dieser Woche wieder möglich ist, denn nahezu exakt nach 100 Tagen im Rathaus hieß es für den neuen Bürgermeister schon wieder ab nach Hause. Grund war der mögliche Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person. Zur Sicherheit begab sich Proske freiwillig in häusliche Quarantäne, bis zwei Tests negativ ausgefallen waren. Immerhin trifft man als Bürgermeister ja immer viele Leute, schon von Amts wegen. Etwa 320 Termine habe er seit Mai gehabt, sagt Proske - und um die Corona-Krise ging es nur auf den allerwenigsten.

Denn, "die Maßnahmen haben gegriffen", Krisentreffen waren allenfalls in den ersten Wochen nötig. Mittlerweile normalisiere sich vieles wieder, am Dienstag tagte seit langer Zeit wieder ein Stadtratsausschuss im Sitzungssaal des Rathauses. Was zwar einerseits wieder ein Stück Normalität ist, aber auch wieder nicht: Denn "an den Abendterminen merkt man es schon", sagt Proske, die sind wegen Corona bis auf Weiteres eher selten.

Natürlich macht sich die Krise auch in der Stadtpolitik bemerkbar, allerdings wohl weit weniger dramatisch, als anfangs befürchtet: "Wir kommen davon, nicht mal mit einem blauen Auge", fasst Proske die Situation zusammen. Zum einen wegen des geplanten Ausgleichs der Gewerbesteuerausfälle aus dem Konjunkturprogramm, zum anderen hat die Krise Ebersberg nicht zum falschen Zeitpunkt erwischt. "Wir stehen mit allen unseren Projekten am Anfang." Einiges werde sich wohl verzögern, "wir haben schon überall die Handbremse reingehauen", aber eben nicht mitten in der Umsetzung. Die Kämmerei habe sehr gelassen reagiert, lobt Proske, nach dem Motto "schaun wir halt, was kommt" und eine Prioritätenliste erstellt. Darauf stehen unter anderem die Renovierung des Hallenbades, das Bürgerhaus Oberndorf und der Neubau der Umkleiden am Waldsportpark. So ist das einzige Loch, das den Bürgermeister gerade beschäftigt, weder in der Stadtkasse noch in einer krisenbedingt stillgelegten Baustelle, sondern im Wald zu finden: ein kürzlich wiederentdeckter antiker Brunnenschacht, der überregionales Interesse erregt hat. Erst am Dienstagnachmittag gab es wieder einen Termin mit einem Fernsehteam, die für ihre Geschichte vom Ebersberger Loch auch ein Statement vom Bürgermeister haben wollten.

Das Gefühl, dass er wirklich der Bürgermeister ist, habe sich nicht gleich nach der Amtsübergabe und Vereidigung eingestellt, sagt Proske. Etwa fünf Wochen habe es gedauert, bis der Perspektivwechsel vom Leiter der Wasserversorgung zum Leiter des ganzen Rathauses geklappt habe. Mit der Hilfe der Mitarbeiter, wie Proske betont, sein Einstieg ins neue Amt sei "äußerst kollegial" verlaufen, "die Akzeptanz ist da", sagt der neue Chef.

Der neben Corona gleich ein paar durchaus kontroverse Sachen auf den Schreibtisch bekam. Etwa den geplanten Neubau eines Wohnhauses anstelle des seit Jahren geschlossenen Lokals "El Macho" an der Sieghartstraße. Der erste Entwurf war weder im Stadtrat noch bei den Nachbarn auf besondere Gegenliebe gestoßen. Der gemeinsam von Stadträten, Verwaltung, Architekt und Eigentümer erarbeitete neue Plan sei deutlich besser, sagt der Bürgermeister. Etwa weil es nun ein Geschäft im Erdgeschoss geben soll, man habe so gut wie sicher jemanden gefunden, der mit einem Laden einziehen will.

Ebenfalls kontrovers diskutiert wurde über Für und Wider einer Freiflächenphotovoltaikanlage bei Halbing. Die Stadträte entschieden sich zwar gegen eine Genehmigung, brachten aber das von der Verwaltung vorgeschlagene Konzentrationsflächenkonzept auf den Weg. Damit wird künftig geregelt, wo solche Anlagen grundsätzlich möglich sind und wo nicht.

Was beim Thema Verkehr möglich ist und was nicht, ist eine Frage, die sich vor Proske schon mindestens drei Amtsvorgänger gestellt haben. Einen Teil der Antwort hat der neue Bürgermeister bereits im Wahlkampf gegeben: Eine Ostumfahrung "steht nicht auf der Agenda", diese sieht Proske nicht als sinnvoll und machbar an. Ohnehin sei dem Problem wohl nicht von Ebersberg alleine beizukommen, dazu brauche es die Unterstützung und Zusammenarbeit der Amtskollegen, durch deren Kommunen ebenfalls der Durchgangsverkehr fließt. Voraussichtlich im Oktober wolle man gemeinsam versuchen "das Straßenbauamt zu überzeugen". Proske hält es für möglich, den Verkehr großräumig über bestehende Straßen um die Ortschaften herumzuleiten. Vielleicht müsse man einige Straßen ausbauen, aber man komme ohne neue Trassen aus, so die Vision des Bürgermeisters.

Eine andere sind mehr städtische Wohnungen. Etwa am Hölzerbräugelände, wo derzeit die letzte Phase des städtebaulichen Wettbewerbs läuft. Drei Entwürfe sind in der engeren Wahl, alle davon gehen von 50 bis 60 Wohnungen aus. Der nördliche Teil des Grundstücks gehört bisher der Stadt, wann es bebaut werden kann, hängt davon ab, wie schnell man einen neuen Standort für das Feuerwehrhaus findet. Proske, bis zu seiner Wahl zum Bürgermeister als Kommandant quasi Hausherr, hofft auf eine baldige Entscheidung. Der Standort an der vielbefahrenen Eberhardstraße sei nicht optimal und das Gebäude selbst in die Jahre gekommen. Es gebe bereits Verhandlungen über den Erwerb eines anderen Grundstücks in der Stadt, das Proske für die Feuerwehr für deutlich besser geeignet hält. "Ich hoffe, dass es sich heuer noch rausstellt, ob es geht oder nicht." Falls ja, wäre das Grundstück frei für eine neue Bebauung, bislang war geplant, die Fläche zu veräußern. Womit der Bürgermeister nicht ganz glücklich ist: "Ich hätte es gerne in städtischer Hand behalten."

Denn der Bedarf an günstigem Wohnraum ist auch in Ebersberg groß. Wie Proske sagt, seien manche Gewerbetreibende in der Stadt besorgt, dass ihre Mitarbeiter keine bezahlbaren Wohnungen fänden. Doch auch, wo genau diese geplant sind, kann es Ärger geben. Etwa im neuen Baugebiet Friedenseiche VIII, genauer daneben. Denn die Nachbarn sind nicht glücklich über das Ausmaß der geplanten Neubauten, besonders die Mehrfamilienhäuser - welche die Wohnungsgenossenschaft Ebersberg bauen will - entlang der Elsa-Plach-Straße werden als zu massiv kritisiert. Mit den Anwohnern ist der Bürgermeister im Gespräch, mehr als 200 Stellungnahmen zum Bebauungsplan seien bislang eingegangen, demnächst findet ein Treffen statt. "Ich sehe beide Seiten, jeder hat recht", sagt Proske, "wir brauchen bezahlbare Wohnungen, aber es soll schon auch schön sein."

© SZ vom 20.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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