SZ-Leser äußern ihre Wünsche:Zorneding soll sozialer und lebendiger werden

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Beim ersten Lesercafé der SZ im Landkreis kommen Bürger, Bürgermeister und SZ-Vertreter zu anregenden Gesprächen über Zorneding und seine Zukunft zusammen

Von Viktoria Spinrad, Anna Horst und Karin Kampwerth, Zorneding

SZ-Redakteurin Karin Kampwerth (3.v.l.) diskutiert mit Alfred Nowosad (1.v.l.) über die Perspektiven für Zorneding. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gerade noch ging es in der Kaffeerunde um Bewohner, die der Ruhe wegen rüde Töne oder gleich eine Ladung Wasser von oben runterregnen lassen, da blickt Peter Maicher auf. "Uns fehlt das Verständnis für die Interessenslage der anderen", so sein diplomatisch verpackter Appell an die Zornedinger. Die waren am Dienstagnachmittag mit vielen Themen ins Café Hasi gekommen. Und mit solchem Redebedarf, dass sich das Lesercafé der Süddeutschen Zeitung zwischenzeitlich anfühlte wie eine kleine, intime Bürgerversammlung. Eine vierstündige Begegnung auf Augenhöhe zwischen Zornedinger Bürgern, Vertretern der Verwaltung, der Gemeinde und der SZ, deren Verlauf auch die Abwägungen und Dilemmata in der Gemeindeentwicklung aufzeigte.

Wohnen

Der Bürgermeister windet sich. Er will nicht verraten, wie viele Wohnungen er dem Investor der großen Wimmerwiesen-Bebauung im Ortsteil Pöring für gemeindeeigenes Belegungsrecht abringen konnte. Er sagt nur so viel zum neuen Wohnquartier mit 200 Wohnungen für 500 Menschen: "Kommen tut's auf jeden Fall." Und: Es sei "gut ausgehandelt" worden. Eine Frau ist trotzdem unzufrieden: Sie ärgert sich darüber, dass die Vergabe für vergünstigte Wohnungen intransparent abläuft. Piet Mayr (CSU) verweist mal auf den Bauträger, das Bauamt und an den Gemeinderat. Er erklärt: Auf der gemeindeinternen Warteliste stünden 120 Leute. Ob es Aufzüge geben wird, kann er noch nicht sagen: "Bei drei Geschossen sind sie gesetzlich nicht vorgeschrieben."

Barrierefreiheit

Ingrid Weidauer hat einen erwachsenen Sohn, der schwerbehindert ist und in Zorneding keine barrierefreie Wohnung findet. Dasselbe gilt für ältere Bewohner, die aus ihren zu großen Wohnungen oder Häusern in eine barrierefreie Wohnung umziehen möchten. "Eine Verschwendung von Wohnraum", kritisiert sie. Abhilfe könnte auch hier die Wimmerwiese schaffen: Denn die Erdgeschosswohnungen müssen barrierefrei gebaut werden. Weidauer reicht das nicht. Sie spricht von einer "Ohrfeige für die, die nicht so mobil sind". Mayr betont, dass die vergünstigten Wohnungen an der Wimmerwiese - anders als beim sozialen Wohnungsbau an der Pfarrstraße - vor allem Zornedingern zugute kommen sollen. "Wir werden da die Hand drauf haben", so Mayr. Dass seine Verwaltung oft vor der Aufgabe steht, gegensätzliche Interessen zu integrieren, veranschaulicht eine Frage nach Bordsteinabsenkungen. Dass hier immer eine kleine Kante bleiben müsse, liege daran, dass blinde Menschen diese als Orientierung nutzten, erklärt Mayr. Ein weiterer Kritikpunkt: In Zorneding gibt es keine mit dem Rollstuhl erreichbare Arztpraxis. Grünen-Gemeinderat Helmut Obermaier sieht hier Handlungsbedarf: Wo die Wirtschaft kein Interesse hat, "muss die Kommune eingreifen".

Der Bahnhof

"Ein Brennpunkt", und das seit Jahren: Hilde Jüngst ist nicht die Einzige, die so über den Zornedinger Bahnhof ohne Bahnhofsgebäude, Kiosk und Toilette denkt. Zwar hat der Gemeinderat im vergangenen Juni

einen erneuten Anschub für ein Bahnhofsgebäude gegeben. Doch seit das Thema im Feld der Bahn liegt, ist es still geworden. Auch am Dienstag hat der Bürgermeister keine Neuigkeiten; die Bahn lässt sich offenbar Zeit. Mayr betont, dass die von der Gemeinde geplante Toilette nicht an den Kiosk gebunden sein wird: "Da denken wir dran", so Mayr.

Verkehr

Seit 1987 müssen Autofahrer zwischen Pöring und Zorneding außen über die Staatsstraße fahren - in dem Jahr wurde der Bahnübergang dichtgemacht. Ein Ärgernis für viele Zornedinger, wie am Dienstag noch einmal klar wird. Genau wie der Schleichweg-Verkehr durch Pöring. Statt die 2007 eröffnete Umgehung der B 304 zu nutzen, kürzen viele gerne quer durch den Ort ab. Ob hier ein Verkehrskonzept Abhilfe schaffen kann, wie kürzlich in der Bürgerversammlung angeregt? "Ich denke nicht, dass es da mit einem Verkehrskonzept getan ist", meint Grünen-Gemeinderat Moritz Dietz. Herbert Mathä zählt derweil an seinen Fingern die Konsequenzen der Verkehrsangst für die Infrastruktur in Zorneding auf: "Gymnasium, Übergangsbrücke, Berufsschule - all das haben die Pöringer erfolgreich verhindert", sagt er.

Geselligkeit

Wenn es nach dem Altbürgermeister gegangen wäre, hätte Zorneding heute eine hübsche Ortsmitte. "Mit Veranstaltungssaal", wie Franz Pfluger (CSU) den aufmerksam lauschenden Gästen erzählt. Doch es kam anders: Der Gemeinderat entschied sich gegen die Investition. Hilde Jüngst schaut unzufrieden. "Dadurch ist gar nichts passiert", moniert sie. Eine weitere verpasste Chance sieht Gemeinderat Obermaier darin, dass in der früheren Ortsmitte nun ein privates Mehrfamilienhaus heranwächst: "Unglaublich" finde er es, dass die Besitzer des Grundstücks der Alten (und zuletzt EU-subventionierten) Brennerei es nicht der Gemeinde überließen.

Bleibt also der Herzogplatz. Lerchenmüller sinniert über eine Art Plaza im südländischen Stil, an der die Zornedinger zusammenkommen. Ließe sich der Platz nicht umstrukturieren? "Das wäre eigentlich Aufgabe des Bauamts", sagt Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (SPD). Dieses sei wegen der laufenden Projekte - allem voran dem Kita-und Hortausbau - zur Zeit allerdings bereits überlastet.

SZ-Mitarbeiterin Viktoria Spinrad (Zweite von rechts) im Gespräch mit engagierten Zornedingern, darunter Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (Mitte) (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wegen Projekten, die auch die Haushaltsrücklagen in Millionenhöhe dahinschmelzen lassen werden. Obermaier sieht hier deswegen ein Finanz-Dilemma: "Sozialer Wohnungsbau oder Ortsmitte." An die Ortsmitte denkt derweil Irene Mooser vom Seniorenbeirat. Im Frühjahr hatte am Birkenhof eine Eisdiele eröffnet. Die Zornedinger saßen draußen, ratschten, kamen über Stracciatella-Eis und Bananasplit miteinander ins Gespräch. Sie sagt: "Das war ein echtes Highlight in diesem Sommer."

Die Ebersberger SZ wird sich diesen und weiteren Themen in den nächsten Wochen annehmen. Weitere Anregungen werden gerne unter lkr-ebersberg@sueddeutsche.de entgegengenommen.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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