SZ-Adventskalender:Schwierige Lebensaufgabe

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Alleinerziehende müssen für ihre Kinder da sein - rund um die Uhr. Das Leben der Kinder und das eigene managen, daneben noch arbeiten und für alles die Verantwortung tragen, überfordert viele.

Von Nicola Staender, Ebersberg

Ein Kind großziehen, "das ist eine Lebensaufgabe", sagt Carola Schreiner. Eine Aufgabe, die umso schwieriger ist, wenn man sie allein bewältigen muss. Das erlebt die Familienbeauftragte im Ebersberger Landratsam immer wieder. Zu ihr und ihrer Kollegin Christine Klostermann kommen regelmäßig Menschen, die das sehr stark spüren. Sie müssen zugleich Mutter und Vater sein, Geld verdienen und für ihre Kinder da sein. Viele müssen immer alleine entscheiden, was ihr Kind darf und was nicht, auf welche Schule es gehen soll und wann es abends nach Hause kommen soll.

Eine enorme Verantwortung, die zeitweise kaum auszuhalten ist. Hinzu kommt, dass viele nicht arbeiten können, weil sie sich um das kleine Kind kümmern müssen - oder nur sehr wenig verdienen. Zeit für sich bleibt ihnen häufig nicht.

689 Väter waren im Jahr 2011 im Landkreis Ebersberg alleinerziehend und 3384 Mütter. Die Zahlen stammen aus der Zensus-Befragung, aktuellere gibt es noch nicht. Manche der Alleinerziehenden haben noch Kontakt zu ihrem Ex-Partner, manche wissen gar nicht, wer der Vater ist. Wieder andere wurden sitzen gelassen.

Weil es viel mehr alleinerziehende Frauen als Männer im Landkreis gibt, sind es hauptsächlich sie, die bei Klostermann und Schreiner im Ebersberger Landratsamt um Hilfe bitten. Die Familienbeauftragten sprechen mit den Müttern am Telefon oder vereinbaren mit ihnen einen Termin zu einem Beratungsgespräch. In diesem Gespräch versuchen sie, "genau aufzudröseln", was Schwierigkeiten bereitet und warum. Hat jemand keine Arbeit? Überfordert ihn die Kindererziehung? Gibt es Probleme in der Partnerschaft?

Viele Frauen kommen zu den Familienbeauftragten, wenn sie sich trennen wollen, oder kurz nachdem sie sich getrennt haben. Oft müssen sie dann eine neue Wohnung suchen, eine Arbeit finden oder staatliche Unterstützung beantragen. "Es geht für die Frauen häufig zunächst darum, finanziell über die Runden zu kommen", sagt Schreiner. "Sie fragen sich: Wie kann ich Wohnung, Heizung, Strom und Lebensmittel bezahlen?" "Wir sind da der erste Krisenkontakt", sagt Klostermann.

Schreiner und Klostermann hören sich genau an, was die Alleinerziehenden brauchen, die sich bei ihnen melden. Und weil die Familienbeauftragten Teil eines großen Netzwerkes im Landkreis sind, können sie dann gut vermitteln. "Wir können den Frauen sagen, wo sie konkrete Hilfe bekommen", sagen die Familienbeauftragten. Sie vermitteln an das Jobcenter, an die Wohngeldstelle, an das Jugendamt, wenn Mütter die Vaterschaft anerkennen lassen wollen oder Unterhaltszahlungen durchsetzen müssen. Möglichst unbürokratisch wollen sie helfen. Wenn sie das Gefühl haben, eine Frau müsse "sich erst mal selbst sortieren", dann organisieren sie auch eine psychologische Beratung.

Die Familienbeauftragten wissen, dass es vielen Alleinerziehende nicht leichtfällt, zu ihnen zu kommen. "Ich will nicht vom Staat abhängig sein" sei, was viele von ihnen sagten. Manche würden versuchen, nur vom Kindergeld zu leben, beantragten kein Arbeitslosengeld. Auch Spenden für besondere Anschaffungen würden viele nur "mit Anlauf" annehmen. Dabei ist Scham nicht nötig. "Es gibt eben kaum noch soziale Netze wie Großfamilien", sagt Schreiner. Und meint: Wenn man Unterstützung braucht, muss man sie sich dort holen können, wo es vorgesehen ist. Zum Beispiel bei ihr und ihrer Kollegin im Landratsamt.

Die Aussage "Ich liebe mein Kind, werde dem Ganzen aber nicht gerecht" hört Hans Anzensberger immer wieder. Er leitet die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Ebersberger Beratungsstelle der Erzdiözese München und Freising. In den psychologischen Sitzungen helfen er und sein Team Alleinerziehenden, "sich von belastenden Themen zu verabschieden", sie weniger als Belastung wahrzunehmen. Und außer der psychologischen Einzelberatung wurde in der Einrichtung auch eine Trennungsgruppe gegründet, in der sich Menschen über ihre zerbrochenen Beziehungen austauschen können. Die Beratung ist kostenlos - nur um eine Spende wird gebeten.

Dass Kosten Alleinerziehende abschrecken können, Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie so oft schon sehr wenig Geld zum Leben haben, vermutet Kerstin Kugler, Leiterin des Projekts "Kinder werden daheim gesund". Sie vermittelt Ehrenamtliche an Eltern, deren Kind krank geworden ist, die aber trotzdem zur Arbeit gehen müssen. Sechs Euro pro Stunde sollten die Eltern als Entschädigung zahlen.

"Im letzten Jahr war aber von 32 Elternteilen, die uns angerufen haben, nur einer alleinerziehend, obwohl das Projekt auf Alleinerziehende ausgelegt ist." 30 der anderen Kunden gehörten zu Ehepaaren, die doppelt verdienen. Zwar könnten die sechs Euro Gebühr auch vom Landkreis übernommen werden, das müssen die Alleinerziehenden aber erst beantragen - und dafür ihre Einkünfte offenlegen. "Vielen ist das unangenehm", sagt Kugler.

Bei der Grafinger Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien rufen auch immer wieder Alleinerziehende an. Eltern können sich hier Rat holen, wenn sie Fragen zur Erziehung oder zur Entwicklung ihrer Kinder haben, aber auch, wenn sie häufig Streit mit dem anderen Elternteil haben. "Alleinerziehende stellen sich die gleichen Fragen wie Eltern, die ihr Kind gemeinsam erziehen", sagt die Leiterin der Beratungsstelle, Regina Brückner. "Bei ihnen kommt aber häufig noch eine organisatorische Herausforderung dazu."

So müssen sich getrennt lebende Eltern zum Beispiel über Betreuungszeiten und Unterhaltszahlungen einig werden. Auch die Grafinger Caritas vermittelt weiter, wenn der Bedarf da ist, genau wie die Familienbeauftragten. "Kinder allein zu erziehen ist machbar", sagt Carola Schreiner schließlich. "Es ist aber kein Kinderspiel."

© SZ vom 13.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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