Studie im Landkreis:Der Stimmungstest

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Diskutieren mit: der ehemalige Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr (links) und Landrat Robert Niedergesäß (Mitte). (Foto: Christian Endt)

Ein Forschungsprojekt untersucht am Beispiel Energiewende im Landkreis Ebersberg, wie Meinungen entstehen

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Auf welchen Wegen verbreiten sich Informationen in der Gesellschaft? Wie ändern sich Einstellungen und Stimmungen durch diesen Informationsfluss? Und kann man dies aktiv in eine bestimmte Richtung beeinflussen? Diese und weitere Fragen untersucht derzeit ein Forschungsprojekt am Beispiel der Energiewende im Landkreis Ebersberg. Am Dienstagabend wurde es in der Kreisstadt vorgestellt.

Beteiligt sind die Deutsche Umwelthilfe, die Stiftung Mercator, das Fraunhofer Institut, die Fakultät Architektur der TU München sowie die Fachrichtung Psychologie der MSH Medical School Hamburg. Im Sparkassensaal stellten Nadine Bethge und Philipp Barthel von der Umwelthilfe und Sören Schöbel-Rutschmann, Professor für Landschaftsarchitektur an der TU, die Versuchsanordnung vor. Diese besteht aus zwei Teilen. Zum einen der Ermittlung der derzeitigen Akzeptanz der Energiewende im Landkreis. Dazu gab es Anfang des Jahres eine Umfrage unter 600 Personen aus Zorneding, Oberpframmern und Egmating.

Dass man diese Gemeinden ausgewählt hat, liege an der überschaubaren Zahl der Einwohner, erklärte Schöbel-Rutschmann auf eine Zuhörerfrage, warum es nicht auch im nördlichen Landkreis Befragungen gegeben habe. Was die Befragten genau geantwortet hatten, könne man nicht im Detail veröffentlichen, so Barthel, um das Ergebnis einer zum Ende des Projektes geplanten zweiten Umfrage nicht zu verfälschen. Allerdings könne man sagen, dass die überwiegende Zahl der Befragten der Energiewende positiv gegenüberstünden.

Teil zwei des Versuchs ist die sogenannte "Kerngruppe". Diese besteht aus derzeit zehn Personen - drei Frauen, sieben Männer im Alter zwischen 18 und 59 Jahren - die man über Vereine und Organisationen wie etwa den KJR gefunden habe. Man hätte gerne mehr Frauen in die Gruppe aufgenommen, sagte Barthel, leider scheine das technische Thema der Aufgabenstellung diese aber abgeschreckt zu haben. Denn die Kerngruppe - die ausdrücklich aus Laien bestehen soll - hat den Auftrag, Ideen zur Umsetzung des vom Kreistag beschlossenen Meilensteinplans zur Energiewende zu entwickeln. Oder ein komplett neues Konzept zu erstellen, wie der Landkreis sein Ziel, bis in zehn Jahren unabhängig von fossilen Energieträgern zu sein, umsetzen kann.

Ein ähnliches Gremium, nur in größerem Maßstab, gibt es derzeit in Frankreich, wo 150 zufällig ausgewählte Personen im sogenannten Bürgerkonvent Ideen für die Energiewende erarbeiteten - die durchaus radikal seien, wie der frühere Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr sagte. Er stellte die Frage, ob die in der Kerngruppe erarbeiteten Vorschläge - am Ende soll ein 3D-Modell möglicher Standorte für Windräder und Freiflächen-Solaranlagen entstehen - auch in den Gremien des Landkreises zur Abstimmung gestellt würden.

Dies sei nicht ausgeschlossen, aber auch noch nicht sicher, so Bethge, denn schließlich sei das Ergebnis völlig unabsehbar. "Wir machen das zum ersten Mal, es ist ein Experiment", sagte Schöbel-Rutschmann. Landrat Robert Niedergesäß bezeichnete die Versuchsanordnung zwar als "spannend - aber wenn wir es in der Politik so machen würden, würden sie uns prügeln". Er vermisste mehr Informationen zu Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kerngruppe: "Transparenz ist wichtig".

Grundsätzlich sei dieses "Anliegen legitim", so Schöbel-Rutschmann, allerdings sei die Kerngruppe eben ausdrücklich kein Experten- oder politisches Gremium. Darum gebe es auch nicht für jede der 21 Landkreiskommunen einen Vertreter. Repräsentativ sei die Gruppe nicht, sagte Schöbel-Rutschmann, "aber so ein Gremium gibt es ja bereits: den Kreistag."

Auch inhaltlich sei die Kerngruppe nicht repräsentativ, sonst müssten ja auch etwa Windkraftgegner mitmachen dürfen. Stattdessen gehe es darum, erläuterte Barthel, "konstruktiv für die Energiewende" zu arbeiten. Daher habe man zwar ausdrücklich Laien ausgewählt, allerdings solche, die erneuerbaren Energien grundsätzlich positiv gegenüber stehen. Wer die zehn Personen sind, könne man zumindest derzeit nicht veröffentlichen, "sie sollen nicht unter Druck gesetzt werden" und es gebe auch Risiken für die Teilnehmer, etwa Anfeindungen.

Wie denn die Nicht-Profis an die nötigen Informationen kämen, um sinnvoll planen zu können, wollte Gröbmayr wissen, und ob vielleicht auch Treffen oder sonstiger Austausch mit Experten geplant sei. Diese Frage soll gleich im ersten der drei Workshops diskutiert werden, erklärte Schöbel-Rutschmann, die Teilnehmer sollen sich überlegen, welche Infos sie benötigen und wo man diese bekommen könnte. Außerdem würden die Teilnehmer in den Grundlagen von Energiewende und Planungsrecht geschult.

Ziel des Projektes sei, dass die Teilnehmer der Kerngruppe "Wissen und Fortschritt in ihre eigenen Netzwerke tragen", formulierte es Barthel. Wie das genau passiere, "das ist das Experiment". Gewissermaßen der Lackmustest, wie sich die Arbeit der Kerngruppe im landkreisweiten Stimmungsbild bemerkbar macht, ist dann die zweite Umfrage in den drei Gemeinden. Auf keinen Fall könne oder solle das Projekt bereits laufende Planungen ersetzen, so Schöbel-Rutschmann auf eine Publikumsfrage, ob man diese Planungen pausieren sollte. "Wir stellen keinen Fahrplan auf, wie der Landkreis die Energiewende machen soll, das ist ein Forschungsprojekt zur Bürgerbeteiligung."

Dieses beginnt mit dem ersten Workshop der Kerngruppe am 26. September, weitere sind im November und im Februar geplant, Ende April soll es dann eine Abschlusskonferenz geben. Da es in der Kerngruppe noch einen Männerüberhang gibt, könnten interessierte Frauen noch aufgenommen werden, so Barthel, allerdings nur, wenn sie sich vor dem ersten Workshop unter p.barthel@duh.de melden und keine Energiewende-Profis sind.

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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