Startup aus Moosach:Frau Biene und ihre Tücher

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Silvia Tänzer hat die Firma "Beefree - Plastikfrei leben" gegründet. Hergestellt werden die umweltfreundlichen Bienenwachstücher in den Steinhöringer Werkstätten

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Irgendwo in Thailand beginnt die Geschichte des Moosacher Startups "Beefree - Plastikfrei leben". 2006 wanderte Silvia Tänzer mit Mann und Baby dorthin aus auf eine Insel, wo sie ein Restaurant betrieben, das hauptsächlich auf junge Leute und Partys ausgerichtet war. Von fünf sorglosen, sonnenverwöhnten Jahren erzählt Tänzer; dann stand ein Umzug ins 2000 Kilometer entfernte Chian Mai an, wo der Sohn zur Schule gehen sollte. Dort, wo sich auch eine große Community von Ausländern angesiedelt hat, eröffnete Tänzer mit ihrem Mann das erste Familienrestaurant, das nach ihren Angaben sehr großen Anklang fand. Sie zeigt Fotos von sehr hellen, gastlichen Räumen mit hauptsächlich aus Naturmaterialien gefertigten Möbeln wie Steinsitzen oder einem Spielplatz aus Bambus. Vor drei Jahren etwa erkrankten dann zwei in Deutschland lebende Elternteile von Tänzer und ihrem Mann, so dass sie entschieden, wieder zurückzukommen. 2017 schließlich zogen sie, der Nähe zur jetzigen Schule des Sohnes wegen, nach Moosach im Landkreis Ebersberg. "Eine sehr schwierige Entscheidung", kommentiert Silvia Tänzer diesen Schritt.

All dies muss man im Hinterkopf behalten, um die Idee, die hinter "Beefree - Plastikfrei leben" steckt, zu verstehen. Eine Freundin aus Thailand nämlich hatte schon in Chian Mai ein Startup mit Bienenwachstüchern gegründet. Diese stellen eine nachhaltige Alternative zu Klarsicht- und Aluminiumfolie dar, weil sie aus Naturprodukten bestehen und mehrmals benutzt werden können. Bis zu einem Jahr sind die Tücher haltbar, die sich bestens zum Frischhalten von Lebensmitteln eignen.

"Ich fand das Produkt von Anfang an super und wollte es unbedingt mitnehmen", so Tänzer. In der ersten Zeit ließ sie sich die Tücher noch schicken und verkaufte sie dann auf Märkten wie in Herrmannsdorf. Schon damals sei Nachhaltiger Konsum zwar ein Thema in der Bevölkerung gewesen, doch oft habe sie auch in verdutzte Gesichter geschaut, so Tänzer: "Was ist denn das? Wozu nehm ich das her?" Doch immer mehr Menschen fanden die Idee, hier Plastik einzusparen, reizvoll. Bald trat man in Herrmannsdorf an Silvia Tänzer heran und bat, ob nicht auch eine Produktion in Deutschland möglich sei; was bringt schließlich das nachhaltigste Produkt, wenn es aus Asien importiert wird.

Die große Frage sei gewesen, so Tänzer: Wie kann ich in die Produktion gehen, ohne dass ich selbst Mitarbeiter anstellen muss? Bei einem eher zufälligen Besuch in der Ebersberger Speisekammer, die vom Einrichtungsverbund Steinhöring betrieben wird, erfuhr sie von der angrenzenden Werkstatt, in der Menschen mit Behinderung arbeiten. Bald kam eine Kooperation zustande, und Tänzer konnte die gesamte Produktion der Bienenwachstücher dorthin auslagern.

In der Werkstatt herrscht eine fröhliche Atmosphäre. Radiomusik dudelt, und etwa eine Handvoll Menschen kümmert sich darum, dass aus Stoff und einer Mischung aus Bienenwachs und Baumharz die bunten, wachsbeschichteten Tücher werden. Sorgsam werden diese abgewogen, gefaltet und verpackt, natürlich in recycelbarem Pappkarton. "Frau Biene", hat letztens einer der Mitarbeiter Silvia Tänzer genannt.

Wegen der großen Nachfrage holte die Unternehmerin im vergangenen Jahr Sandra Illgner-Henlein mit ins Boot. "Vor allem an Weihnachten war so viel los, dass es für einen allein nicht zu schaffen war", so Illgner-Henlein. Die beiden haben sich vor über 20 Jahren als Mitarbeiterinnen einer Marketing-Firma für Fitnessstudios und Wellnessanlagen kennengelernt, seitdem sind sie befreundet. Während Illgner-Henlein ausgebildete Bürokauffrau ist, kommt Tänzer ursprünglich aus dem Gesundheitsbereich, hat unter anderem ein eigenes Fitnessstudio im Altmühltal geführt.

Während Tänzer sich um Schriftverkehr, Buchhaltung und Organisation kümmert, ist Illgner-Henlein für die Koordination der Produktion und den Online-Auftritt des Unternehmens zuständig. Wird das Bienenwachs derzeit von einem Imker aus dem Bayerischen Wald geliefert, mussten Tänzer und Illgner-Henlein jedoch in Sachen Stoff überregional werden: Ihr Stofflieferant hat seinen Sitz in Holland. "Einen Tod muss man sterben", sagt Tänzer.

Die Nachfrage nach den Öko-Tüchern ist so groß, dass die Firma demnächst ein Büro in Grafing eröffnet. Doch vor allem auf den Märkten zu verkaufen und direktes Feedback von den Leuten zu bekommen, das ist es, was Illgner-Henlein und Tänzer an ihrer Arbeit schätzen. Würden Männer eher schlicht bedruckte Exemplare favorisieren, gelte meist für die weiblichen Kunden: Je bunter, desto besser. Ob sie die neue Aufgabe mit der Rückkehr aus Thailand versöhnt habe? Silvia Tänzer überlegt kurz, dann sagt sie: "Definitiv." Sie bekomme durch ihre Arbeit so viel zurück. Und alles habe eben seine Zeit, seinen Ablauf.

© SZ vom 31.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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