Sport:Kopf frei durch Fußball

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Seit mehr als zwei Jahren lebt Joseph Dalmeida in Ebersberg - ob er bleiben darf, weiß er bis heute nicht. Beim Sport findet er Ablenkung. (Foto: Christian Endt)

Der Senegalese Joseph Dalmeida kam vor fast drei Jahren nach Deutschland. Er ist ausgebildeter Schweißer und Elektriker, darf aber nicht arbeiten - der Sport bietet Ablenkung vom eintönigen Alltag des Flüchtlings

Von Matthias Reinelt, Ebersberg

In dem kleinen Raum im ehemaligen Gasthaus Seerose, der sechs Flüchtlinge beherbergt, stehen sechs Betten, Schränke und ein Schreibtisch. Und ein alter Sessel, auf dem sitzt Joseph Dalmeida. Aus circa einem halben Meter Höhe schüttet der großgewachsene Mann Tee aus einem Kännchen in kleine Glastassen. Kunstvoll sieht das Ganze aus und sehr gekonnt - kein Tropfen geht daneben. Dann wird der Tee in einer zweiten Tasse hin und zurück geschüttet, bis der Tee schaumig ist. Getrunken wird er dann mit viel Zucker. Ataya nennt sich das, eine spezielle Zubereitungsart von grünem Tee aus dem Senegal.

Im August 2013 kam der 28-Jährige nach Deutschland. Er lebte drei Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung in München, bevor er in der Seerose eine Bleibe fand. Manche hätten nur eine Woche warten müssen, manche gar bis zu sechs Monate, bis ihnen mitgeteilt wurde, wo sie leben werden. Ob Dalmeida in Ebersberg oder überhaupt in Deutschland bleiben kann, weiß er nicht, sein Asylantrag läuft noch. Zurzeit hat er "keine Ahnung, wie es weitergeht", sagt er, die untätige Warterei sei das Schlimmste. Arbeiten darf er als Asylbewerber hier nicht, dabei habe er im Senegal sogar zwei Ausbildungen gemacht: eine als Schweißer und eine als Elektriker.

Zumindest durch den Sport gibt es ein wenig Ablenkung. "Dabei vergisst du für einen Moment die schwierigen Dinge im Kopf", sagt er. Unter anderem jede Woche beim Sonntagskick für Asylbewerber im Jugendstadion, eine Veranstaltung, die der Abteilungsleiter des TSV 1877 Ebersberg, Dominic Mayer, schon seit längerem anbietet. Dort widmen sich meist 20 bis 30 junge Flüchtlinge aus Ebersberg der schönsten Nebensache der Welt. Dort war Mayer dann auch auf Dalmeidas Talent aufmerksam geworden und hatte ihn zum Training der dritten Mannschaft des TSV Ebersberg eingeladen.

Mittlerweile wurde der zweikampfstarke Verteidiger sogar schon in den regulären Ligabetrieb integriert, Dalmeida spielte in sieben Spielen insgesamt bereits 367 Minuten für die Kreisstädter. Seine Mitspieler gaben alle etwas Geld, damit er anständige Fußballklamotten bekam. Mayer besorgte ihm zwei Paar Fußballschuhe. Es sei so wichtig, dass die Leute auf einen zugehen und mit einem sprechen, sagt Dalmeida. "Dann bin ich auch noch viel offener gegenüber anderen", sagt er.

In der Unterkunft in der Seerose leben Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Nigeria, Mali und dem Senegal zusammen. Mit der Zeit seien sie alle Freunde geworden, sagt Dalmeida und es gehe ihm "ganz gut" in dem ehemaligen Restaurant. Alle seine fünf Zimmergenossen sind ebenfalls Senegalesen. Das sei gut, denn wenn man gemeinsame Probleme besprechen möchte oder sich einfach nur austauschen will, dann "geht das in der eigenen Sprache". Diese nennt sich Wolof, das rund 80 Prozent aller Senegalesen beherrschen. Natürlich sei es manchmal schwierig, mit so vielen Leuten in einem Raum zu leben. Doch grundsätzlich würden sich die Bewohner der Seerose gut verstehen, schwerwiegende Probleme hätte es dort noch nie gegeben. Oft werde auch zusammen gekocht und gegessen, natürlich stehen dabei oft afrikanische Gerichte auf dem Speiseplan. Und bei allen Unterschieden, eines verbindet alle: das ewige Warten.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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