Serie: Der Sport im Ort:Wirf so weit du kannst

Lesezeit: 4 min

Seit 45 Jahren gibt es den Moosacher Hammerwurfplatz. Mittlerweile sind dort 300 Wettkämpfe ausgetragen worden. Sportler aus den Nachbargemeinden, aber auch von weit her, erzielen hier immer wieder neue persönliche Bestmarken

Von Alexandra Leuthner, Moosach

Die Warnung ist deutlich. Ein rot-weißes Absperrband, daran ein Schild mit den Worten: "Wurfgelände nicht betreten! Lebensgefahr!" Lieber mal einen Schritt zurücktreten also und den Blick schweifen lassen über das Gelände am alten Moosacher Bahnhof, das sich in üppiges Grün gekleidet hat. Dann ein lauter Schrei, ein dumpfer Aufprall - die Augen suchen und finden am Rand einer sauber ins hohe Gras gemähten länglichen Wiesenfläche einen hohen Käfig aus Metalldraht. Die zierliche Frau, die ihn eben verlässt, schaut ihrem Sportgerät hinterher und schüttelt den Kopf. Sie ist nicht ganz glücklich mit ihrem Wurf - aber er gilt.

"Oans" ruft ein Helfer und steckt ein Schild mit der entsprechenden Ziffer an die Stelle, wo der Wurf-Hammer gelandet ist. Sind alle Werfer der Runde durch, werden die Weiten gemessen und notiert. Die Helfer ziehen sich jetzt ein Stück zurück, denn der nächste Sportler betritt den Kreis. Die Kugel fliegt, landet. Die Stelle im kurz geschnittenen Gras des Sektor genannten Felds müssen die Helfer nicht lang suchen, die Eisenkugel hat ein tiefes Loch in den Boden gegraben - das mit der Lebensgefahr ist nicht übertrieben.

Auf den Kopf kriegen möchte man so eine Wurfkugel nicht. (Foto: Christian Endt)

"Sicherheit ist das oberste Gebot", erklärt Klaus Volkheimer, Organisator und Platzwart der Moosacher Werfer. Er sitzt direkt neben dem Wurfkäfig, notiert Starter, Versuche - sechs Stück pro Durchgang und Teilnehmer - und Weiten. Gelegentlich landet eines der Geschosse über ihm im Fangnetz. Was ihn kalt lässt. Die Höhe des Käfigs ist vorgeschrieben - Erfahrungswerte also, da kommt nichts drüber. Hoffentlich. Sechseinhalb Kilo wiegt so ein Wurfgeschoss für Männer unter 20, die Älteren schleudern ein gutes Kilo mehr, Frauen werfen vier Kilogramm. So hohe Gewichte befördert an diesem Tag in Moosach allerdings kaum einer aus dem Wurfkäfig heraus. In den höheren Altersklassen nimmt das vorgeschriebene Kugelgewicht ab, und die 20-jährige Christina Stumböck aus Hausham ist an diesem Nachmittag mit Abstand die Jüngste. "Aber auch vier Kilo erschlagen einen", sagt Volkheimer trocken und winkt seinen Helfern zu, zwei Radler zu vertreiben, die jenseits des Bachs stehen geblieben sind, der den Wurfsektor hinten begrenzt. Man weiß ja nie - es ist schon so mancher Hammer im Bach verschwunden.

Seit 1973 gibt es den privaten Wurfplatz an der früheren Bahnlinie Grafing-Glonn, auf dem die Moosacher Werfer das Schutzgitter und zwei Wurfkreise - für Hammerwurf, Kugelstoßen und Diskuswurf - errichtet haben. Mit 300 Wettkämpfen, die hier stattgefunden haben, ist er etwas Besonderes. "Es gibt nicht viele Möglichkeiten für Hammerwerfer", erklärt Volkheimer. "Auf Fußballplätzen geht das nicht, die Fußballer würden uns ja steinigen, wenn wir ihren Platz ramponieren." Auch die Moosacher Werfer, die hier jederzeit trainieren dürfen, sind dazu angehalten, die Löcher im Rasen wieder zuzutreten.

Klaus Volkheimer versucht sich an einer Bestleistung aus dem Käfig. (Foto: Christian Endt)

Die Werfergemeinde, zumal im Seniorenbereich, ist relativ klein. Man kennt sich, selbst wenn die Kennzeichen der vor dem alten Bahnhofsgebäude parkenden Autos davon zeugen, dass die etwa 30 Teilnehmer dieses Wettkampfs auch von weit her anreisen; der hünenhafte Werfer aus Dortmund etwa, in Schwarz und Gelb, der Mathematikprofessor aus Österreich, der sich eben im Wurfkäfig konzentriert um sich selber dreht, oder das Ehepaar Schmidt, 79 und 80 Jahre alt, das sich schon in aller Früh von Memmingen aus aufgemacht hat, um dem Stau in München zuvor zu kommen. Die Atmosphäre hier ist es, die sie schätzen, erzählen die beiden Schmidts, die schon so ziemlich alles gemacht haben in ihrem Leben - Leichtathletik, Skifahren, Segeln, letzteres allerdings ausschließlich zum Privatvergnügen.

"Sie ist ein Multitalent", sagt Paul über seine Frau. Hürden, Weitsprung, Hochsprung, alles habe sie mit Erfolg betrieben, bis sie sich vor den Europameisterschaften der Senioren in Athen 1994 das Kreuzband gerissen hat. Seither konzentriere sie sich auf die Werferei. "Mein Mann hat das schon vor mir gemacht, vor 30 Jahren waren wir das erste Mal hier", erzählt Brigitte Schmidt und kommt gleich darauf ins Gespräch mit Günther Ganslmeier, der für den TSV Grafing startet und seinerseits auf einige Erfolge verweisen kann, darunter einen bayerischen Rekord im Rasenkraftsport - Hammerwerfen, Gewichtwerfen und Steinstoßen. "1980 muss das gewesen sein", sinniert er, wie weit der Hammer geflogen ist, weiß er aber genau: 49 Meter. Seine Vereinskollegin Margarete Tomanek, mehrfache Seniorenmeisterin im Diskus- und Hammerwurf, platziert derweil mit einer eleganten Drehung einen Wurf im Rasen. "Auf die Spritzigkeit kommt es an", erklärt Brigitte Schmidt, weniger auf die Kraft - "wenn mir auch ein wenig mehr Krafttraining nicht schaden könnte", fügt sie lachend hinzu.

Das Ehepaar Paul und Brigitte Schmidt weiß mit den Kugeln umzugehen. (Foto: Christian Endt)

Sie hat ihre sechs Würfe für heute schon hinter sich und lässt sich jetzt von Ganslmeier ein paar Tipps für ihre Wurftechnik geben. "Die Arme musst du länger machen, das ist wichtig. Wenn der Radius größer wird, dann fliegt der Hammer weiter." Und "die Beine nicht verknoten", fällt ihr Mann Paul ein. "Wenn du beim Werfen das Denken anfängst, dann ist es eigentlich schon vorbei." Das hat auch Christina Stumböck festgestellt. Eine Schulterverletzung hat die Studentin gezwungen, ihre Lieblingsdisziplinen Kugelstoßen und Diskuswerfen fürs Erste sein zu lassen. Seit September ist sie als Hammerwerferin unterwegs, einen Deutschen Meistertitel im Steinstoßen hat sie sich im vergangenen Jahr geholt. Bayerische Meisterin im Diskuswerfen ist die Leichtathletin von der LG Hausham diesen Januar auch schon geworden. Und jetzt will sie die komplizierte Hammerwurftechnik auf die Reihe bringen. "Beim Diskus tritt ein Bein lang gestreckt über das Standbein", sagt Ganslmeier, "während sich die Beine beim Hammerwurf eindrehen." Vorher aber muss man die Kugel am Stahldraht auch noch um den ganzen Körper schleudern, dann den Schwung mit dem Körper aufnehmen und im richtigen Moment loslassen. "Die Profis machen da zwei oder drei Drehungen, ich bin froh, wen ich eine schaffe", sagt Christina lachend. Dann geht sie in den Käfig, nimmt Schwung, lässt den Hammer ein paar Mal kreisen und legt einen perfekten Wurf auf den Rasen.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: