Schulentwicklung im Landkreis:Schweigen am Walde

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Großes Interesse an Information: Etwa hundert Menschen kommen am Samstagvormittag westlich der Gleise in Grafing-Bahnhof zusammen, dort wo eine neue Berufsschule entstehen soll. (Foto: Christian Endt)

Beim Ortstermin zur geplanten Berufsschule in Grafing-Bahnhof regt sich bei den Anwohnern kein Widerstand. Die Vertreter von Stadt und Landkreis zeigen sich begeistert von dem Projekt, versprechen aber ein ergebnisoffenes Verfahren

Von Anja Blum, Grafing

Spazieren gehen, Moped fahren, mit Kindern Schätze suchen - die unberührte Landschaft westlich der Gleise in Grafing-Bahnhof hat den Anwohnern in der Vergangenheit viele Möglichkeiten geboten. Trotzdem trifft die dort geplante Berufsschule bei den Nachbarn nicht auf Widerstand. Beim Ortstermin von Stadt und Landkreis ist allenfalls ein bisschen Gegrummel zu hören. Der öffentliche Dialog wird vor allem von skeptischen Lokalpolitikern als Plattform genutzt.

Das Interesse an dem Thema indes ist groß: Dort, wo derzeit nur Klee, Löwenzahn und Raps wachsen, eingesäumt von Wald, finden sich am Samstagvormittag etwa hundert Menschen ein. Die Verantwortlichen erläutern zunächst den derzeitigen Stand des Projekts und betonen allesamt, für wie begrüßenswert sie es halten und wie vorteilhaft der Standort Grafing-Bahnhof für eine Berufsschule sei. "Hier ist erstens genügend Platz, außerdem ist die Verkehrsanbindung unschlagbar", sagt Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). "Und für uns, für den ganzen Landkreis als Wirtschaftsstandort ist das eine irrsinnige Chance. Wir brauchen hier unbedingt junge, gut ausgebildete Leute." Laut Landrat Robert Niedergesäß (CSU) steigt der Bedarf an Berufsschulen, weswegen auch das Kultusministerium "ganz heiß" auf die Umsetzung des Projektes sei.

Außerdem bemühen sich die Vertreter von Stadt und Landkreis, eine Befürchtung zu zerstreuen - nämlich die, dass ohnehin schon alles in Stein gemeißelt sei. Dass man das Grundstück bereits erworben habe, erläutert Josef Niedermaier vom Grafinger Bauamt, sei nötig gewesen, um überhaupt in die Planung einsteigen zu können. Doch wenn diese scheitere, aus welchen Gründen auch immer, habe die Stadt jederzeit das Recht, von dem Kauf zurückzutreten. "Auch wenn wir alle begeistert sind: Dieser Prozess ist ergebnisoffen", so der Bauamtsleiter. Und in dem mehrstufigen Verfahren käme alles auf den Tisch: der Umweltschutz, die Lärmbelastung, der Verkehr, die Anliegen der Nachbarn - all dies werde untersucht und gehört. "Vor allem der Austausch mit den Bürgern ist uns sehr wichtig", versichert Niedergesäß. Beginnen sollen die Planungen Anfang 2019, mit einem Abschluss rechnet man in 2021.

Stadträtin Yukiko Nave (Bündnis für Grafing) zeigt sich indes nicht überzeugt: Erst kaufen, dann nachdenken - das gefalle ihr nicht, sagt sie und fragt, ob die Grafinger die Berufsschule auch dann noch ablehnen könnten, wenn Lärm- und Umweltschutz nicht gegen den Stadtort sprächen? Schließlich habe solch ein Projekt Auswirkungen auf die ganze Stadt, die man vielleicht noch gar nicht alle überblicke. Die Antwort der Bürgermeisterin jedoch ist wenig konkret: "Wir können wieder aussteigen, wenn es das Verfahren ergibt." Ob dafür allein Widerstand aus der Bevölkerung genügen kann, sagt sie nicht. Für den Landrat ist die bisher ausgebliebene Kritik jedenfalls ein gutes Zeichen: "In Zorneding gab es sofort viele Leserbriefe, es wurden Unterschriften gegen die Berufsschule gesammelt, aber das ist hier nicht der Fall." Deswegen sei er sehr zuversichtlich.

Wie es denn nun um die Finanzierung des Grundstückskaufs stehe, will Stadtrat Heinz Fröhlich (Bündnis für Grafing) von Niedergesäß wissen. Der erklärt zunächst, dass es im Landkreis Tradition sei, dass die Kommunen die Grundstücke für weiterführende Schulen, für die der Landkreis zuständig ist, stellten - da die Orte von eben solchen immer sehr profitierten. "Nun bauen wir erstmals eine Berufsschule - müssen also erst einmal darüber diskutieren, wie wir das handhaben wollen", so Niedergesäß. Schließlich sei das Einzugsgebiet einer solchen Einrichtung viel größer. "Deswegen kann ich mir persönlich schon eine 50/50-Aufteilung vorstellen, aber versprechen kann ich das nicht." Zu entscheiden habe nämlich letztlich der Kreistag.

Genau eine Wortmeldung kommt an diesem Vormittag aus Bruck: Ob die Berufsschule irgendwelche baurechtlichen Auswirkungen auf das geplante Taglachinger Gewerbegebiet habe, will der Mann wissen, eine Frage, die Niedermaier eindeutig verneint. "Dafür ist die Distanz zu groß."

Ansonsten sind die Folgen für die Infrastruktur in Grafing das große Thema des Morgens: Vom Landrat gibt es die Zusage, dass die Berufsschule eine Turnhalle bekommen wird, die dann auch die Vereine nutzen können, dem Bau eines Schwimmbad gegenüber zeigt er sich ebenfalls aufgeschlossen: "Dafür könnten wir eventuell den Grund beisteuern."

Fest steht auch, dass es mehr Parkplätze in Grafing-Bahnhof geben wird, und die dortigen Straßen dem neuen Bedarf angepasst werden müssen. "Die Kreuzung Richtung Moosach zum Beispiel ist dafür nicht brauchbar", so Niedermaier. Auch der öffentliche Nahverkehr werde langfristig auf jeden Fall erweitert, so Obermayr, "und davon werden wir sicher profitieren". Die Elektrifizierung der Strecke Richtung Wasserburg sei der erste Schritt in diese Richtung. Ob und wann es ein Ausweichgleis zwischen Grafing und Ebersberg geben wird, darüber können die Politiker jedoch noch nichts sagen. Thomas Huber (CSU), Landtagsabgeordneter und Stadtrat, weist nur darauf hin, dass mehr Schienenverkehr langfristig auch Auswirkungen auf die Straßen habe: "Da muss man dann auf jeden Fall Lösungen für die Bahnübergänge in der Stadt finden." Für den Ortsteil Grafing-Bahnhof erhofft sich die Bürgermeisterin einen "Aufschwung": Die Berufsschule werde sicher eine Mensa bekommen, und wahrscheinlich etabliere sich auch die ein oder andere Einkaufsmöglichkeit rund um den Bahnhof.

Viel Positives also, doch so mancher Nachbar bleibt skeptisch. Wenn die Berufsschule erst einmal stehe, dauere es bestimmt nicht lange, bis noch mehr Wohngebiete drum herum entstünden, unkt einer. "Aber mei, wir wohnen halt in einer Boomregion. Was soll man da machen?"

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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