Reformpädagogik:Das Jubiläumsgeschenk

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Nach 25 Jahren hätte die Montessori-Schule Niederseeon beinahe ihren Standort aufgeben müssen. Der Eigentümer verkaufte das Gelände. Dank einer erfolgreichen Spendenaktion hat der Trägerverein das Areal nun übernommen

Von Daniela Gorgs, Moosach

Wenn die Montessori-Schule Niederseeon in drei Wochen 25-jähriges Bestehen feiert, wird das ein ausgelassenes Fest werden. Der Trägerverein hat den Standort jetzt erworben und bewahrt so die Schule vor dem Auszug. Wie groß der Druck auf Lehrerkollegium und Verein gewesen sein muss, kann man erahnen, wenn man Angelika Oedingen beobachtet. Sie holt erst einmal tief Luft, als sie von der Aufregung um den Schulkauf erzählt.

Es ist noch nicht lange her, als der Eigentümer des Geländes der Schule mitteilte, er wolle das gesamte Areal zeitnah verkaufen. Immerhin versprach er, die Immobilie nicht auf dem freien Markt anzubieten, und gab so dem Trägerverein die Möglichkeit, das Gelände selbst zu erwerben. Die Nachricht traf die staatlich genehmigte Privatschule aus heiterem Himmel und mitten im Anmeldeprozess für Erstklässler. Der Trägerverein informierte seine 105 Mitglieder und die Eltern. Verwaltung und Aufsichtsrat erstellten rasch gemeinsam ein mögliches Finanzierungskonzept.

In einer Gründerzeit-Villa ist die Montessori-Schule beheimatet. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wie die Geschäftsführerin des Vereins, Birgit Meyer, berichtet, war der Besitzer sehr geduldig mit dem Schulträger und ließ den Verantwortlichen Zeit, Geld zu sammeln. Der Verein warb erfolgreich bei Eltern, Ehemaligen, Firmen und Stiftungen um Spenden und Darlehen. Über die Internetplattform betterplace.org sprach man auch Menschen an, die keinen Bezug zur Schule haben - leider nur mit mäßigem Erfolg, sagt Schulleiterin Oedingen. Dass sie am Ende den Betrag, über den Stillschweigen vereinbart wurde, zusammenbekamen, führen sie auf den guten Ruf der Schule zurück. Und auf das Konzept der Montessori-Pädagogik.

Das große, teils bewaldete Areal bietet Platz für Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Vor 25 Jahren gründeten Eltern, die für ihre Kinder ein anderes Lernen wollten, die Montessori-Schule in privater Trägerschaft als gemeinnützigen Verein. Die Räume über der Ausflugsgaststätte in Taglaching waren bald zu klein. Der reformpädagogische Ansatz der italienischen Ärztin Maria Montessori begeisterte im Landkreis Ebersberg. Bald zog die Schule nach Niederseeon. Dort, oberhalb des Steinsees, auf einem 2,2 Hektar großen Gelände, lernen mittlerweile 228 Kinder aus den Landkreisen Ebersberg, München und Rosenheim, verteilt auf drei Gebäude. In einer Gründerzeit-Villa mit hohen und lichten Räumen verbringen die Grundschüler den Schultag. Weitere Gebäude ließ der Verein in den vergangenen Jahren auf eigene Kosten erstellen. In einem sind die Mittelstufe sowie die Werkstätten Textil und Holz untergebracht, das andere Gebäude teilen sich Jugendschule und Oberstufe. Dann gibt es noch einen Flachbau mit Küche und Cafeteria. Und rundherum Wiesen und Wald.

Auch ein großes Freiluft-Schachbrett ist vorhanden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Den Schulstandort mitten in der Natur als Idylle zu bezeichnen, ist untertrieben. Wenn die Kinder aus ihren Klassenzimmern treten, stehen sie in einem sorgsam gepflegten Garten. Dort pflanzen sie Kartoffeln und Kräuter an und verbringen auch mal den Unterricht unter freiem Himmel. Schule ist hier nicht nur Lernort, sondern Lebensraum. Die Reformpädagogik erlaubt es den Schülern ihrem eigenen, inneren Bauplan zu folgen. Sie üben eine Lern- und Arbeitshaltung ein, die ihre Selbständigkeit, Verantwortlichkeit und Entscheidungskraft fördern soll. 24 Schüler pro Klasse werden von zwei Lehrern angeleitet. Es geht im Klassenzimmer ebenso demokratisch zu wie in der Schulfamilie. Elternarbeit und Mitbestimmung sind ausdrücklich erwünscht und zudem verpflichtend. In Arbeitskreisen engagieren sich die Mütter und Väter, streichen Klassenzimmer, richten den Garten her oder warten die IT-Ausstattung. Die Eltern hatten auch großen Anteil daran, dass die Schule am Standort bleiben kann. Dieser Kraftakt hat Schulleitung, Trägerverein und die Familien noch enger als zuvor zusammengeschweißt. "Wir gehen den Weg gemeinsam", sagt Schulleiterin Angelika Oedingen. Und nennt damit ein weiteres Prinzip der Montessori-Pädagogik.

Mitten in der Idylle: Schulleiterin Angelika Oedingen (links) und Geschäftsführerin Birgit Meyer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Schule in Niederseeon feiert ihr 25. Jubiläum mit einem Festival der Sinne am Samstag, 21. Juli. Das Sommerfest "Senseeon" beginnt um 14 Uhr. Unter anderem wird die Grundstufe die Oper Zauberflöte aufführen. Darauf freut sich Angelika Oedingen ganz besonders.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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