Reaktion auf Proteste:Aufschub ja, Senkung nein

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Die Fraktionen von Bündnis für Grafing und SPD versuchen, die umstrittene Erhöhung der Grafinger Kita-Gebühren zu stoppen. CSU, Grüne und Freie Wähler halten das Plus aber für vertretbar

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es bleibt dabei: Die Grafinger Kita-Gebühren werden erhöht. In der Stadtratssitzung am Dienstagabend sind das Bündnis für Grafing (BfG) und die SPD mit einem Änderungsantrag gescheitert, den umstrittenen Aufschlag wieder zurückzunehmen. Die angekündigte Verschiebung zumindest der Krippenbeiträge um ein Jahr ging anschließend ohne Gegenstimmen durch.

"Das System stimmt nicht", schimpfte BfG-Stadträtin Marline Ottinger: "Wenn jemand unter zehn oder zwölf Euro in der Stunde verdient, dann ist es jetzt in Grafing günstiger, nicht zu arbeiten und seine Kinder aus der Krippe zu nehmen." Ihre Feststellung bezog sich auf die Kita-Gebühren, die der Sozialausschuss unlängst erhöht hatte. "Wenigstens wir als Kommune müssten doch sagen: Nein, wir geben das nicht an die Schwächsten weiter." Sie stelle deshalb den Änderungsantrag, die Gebührenerhöhung komplett zu streichen.

Bereits zuvor hatte es an selbiger Kritik aus der SPD-Fraktion gegeben. "Ziel muss doch eigentlich sein, dass Kinderkrippen und Kindergärten gänzlich kostenlos sind", sagte Regina Offenwanger. Es sei falsch, die Defizite einiger Träger auf die Eltern umzulegen, konstatierte Ernst Böhm. "Das belastetet diejenigen, die entlastet gehören."

Zwischen zwölf und 25 Prozent liegt die Steigerung. Sie ist abhängig von der Belegungsdauer und dem Alter des Kindes. Wer ein Kind unter drei Jahren zehn Stunden am Tag im Kindergarten betreuen lassen will, zahlt anstatt aktuell 320 Euro ab Beginn des neuen Kita-Jahres 400 Euro. Für ein vierjähriges Kindergartenkind mit einer Betreuungszeit bis vier Stunden am Tag sind bislang 95 Euro pro Monat fällig. Ab September sind es 112 Euro.

Im Sozialausschuss hatte die Erhöhung eine breite Mehrheit erhalten: Sie sei nötig, um die teilweise "massiven" Defizite einiger Träger auszugleichen. In den vergangenen fünf Jahren habe die Stadt ein Minus von etwa 900 000 Euro übernommen - zusätzlich zu den etwa 1,8 Millionen Euro, die Grafing ohnehin pro Jahr zuschieße.

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) verteidigte die Erhöhung am Dienstag einmal mehr. "Das große Problem ist, dass die Kinderbetreuung nicht ausfinanziert ist." Bund und Land schöben den Kommunen den schwarzen Peter zu. Und mit der Haltung war sie auch einmal mehr nicht allein. "Natürlich war das eine Entscheidung schweren Herzens", sagte Josef Klinger (Freie Wähler). "Aber wenigstens ist die Erhöhung so moderat, dass noch bei fast jedem am Ende eine Entlastung steht."

Hintergrund ist, dass der Freistaat Krippen- und Kindergartenplätze mit hundert Euro pro Kind bezuschussen will. Für Kindergartenkinder soll dies rückwirkend zum 1. April 2019 gelten. Für Krippenkinder ein Jahr später. Mit Blick darauf wurde Obermayr - wenngleich für eine Grünen-Bürgermeisterin sonst sehr sparsam mit Kritik in Richtung bayrischer Staatsregierung - diesmal deutlicher. "Die Bundesregierung hat ein 'Gutes-Kita-Gesetz' verabschiedet und den Ländern eine Menge Geld gegeben, um die Qualität zu verbessern. In Bayern wurde dieses Geld genommen, um es den Eltern direkt zu geben." Dadurch stünde der Freistaat jetzt "ziemlich gut" da - und die Kommunen, die die Kinderbetreuung am Ende umsetzten, "ziemlich schlecht".

Auf den BfG-Antrag hatte all das keine Auswirkungen mehr. Trotz SPD-Unterstützung votierten die restlichen Fraktionen mit zusammen 15 Stimmen geschlossen dagegen, die Gebührenerhöhung zurückzunehmen. Eine kleine Korrektur folgte dennoch: Die Verteuerung für die Krippenplätze steigt nicht wie ursprünglich geplant schon zum September 2019, sondern erst ein Jahr später. Der Aufschub verhindert, dass Eltern bereits erhöhte Grafinger Krippengebühren bezahlen - aber noch nicht in den Genuss der freistaatlichen Unterstützung kommen.

Was von der Debatte sonst noch blieb: SPD-Stadtrat Böhm kritisierte die weiterhin fehlende Möglichkeit, Bauherren an den Folgekosten ihrer Projekte zu beteiligen. "Fürs alte BayWa-Gelände bedeutet das, dass ein Grundstücksentwickler mit seinen 160 Wohnungen gutes Geld macht, aber die Kosten für die 80 oder 100 Kindergartenplätze an der Kommune hängen bleiben."

Grünen-Stadträtin Christiane Goldschmitt-Behmer regte an, die Kita-Gebühren "sozialgerechter zu gestalten" - sie also in Zukunft an die Einkommenssituation der Eltern anzulehnen. "Ich überspitze mal: Warum zahlt die Alleinerziehende genauso viel wie der Bankdirektor?"Der Gedanke war offenbar auch schon zwischen Stadt und Trägern Thema. "Wir haben das schon mal angerissen", berichtete Bürgermeisterin Obermayr. "Das könnten wir durchaus weiterverfolgen."

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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