Quereinsteiger helfen in der Corona-Krise:Am heißen Draht für den Landkreis

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Daniela Aschenbrenner verkauft Reisen in die weite Welt - und beantwortet Fragen zu Corona

Von Nathalie Stenger, Ebersberg

Auf dem Schreibtisch von Daniela Aschenbrenner stehen zwei Telefone. Eins für das Reisebüro, das andere, das größere, für die Bürger-Hotline des Landratsamts. Eigentlich gehört nur ersteres zu ihrem Job, doch seit dem 28. Dezember nimmt Aschenbrenner auch Anrufe entgegen, in denen es nicht um Urlaub geht. Stattdessen um Fragen zu Impfungen, Masken und Kontaktpersonen.

Das Büro der "Reiselounge Anzing", in dem Daniela Aschenbrenner und ihre Kollegin Andrea Möstl sitzen, befindet sich mitten im Ort, es ist hell, teils grün durch die Farbakzente an der Wand und die vielen Pflanzen, und macht riesige Lust auf Reisen. Bilder von New York City, Paris und London hängen an der Wand, die Reisekataloge mit Fotos von türkisblauem Wasser tun den übrigen Teil.

"Wir machen alles", sagt Aschenbrenner, "Städtereisen, Gruppenreisen, Pauschalreisen, Studienreisen und Familienurlaub." Und jetzt kümmern sie sich eben auch um die Beantwortung der Fragen von Landkreisbewohnern zu Corona. Wobei es tatsächlich nicht nur Landkreisbewohner seien, erzählen Aschenbrenner und Kollegin Möstl, so habe etwa schon jemand aus dem Norden Deutschlands für eine Beerdigung im Landkreis angerufen, oder eine Frau aus der Schweiz, die ihre Schwester besuchen wollte. Manchmal müssen Fragen auch auf Englisch geklärt werden.

Die Grundidee sei nicht ihre gewesen, so Aschenbrenner, aber die Initiativbewerbung sei von ihr verschickt worden. Hintergrund war der Vorschlag des Verbunds "Best Reisen", zu dem auch die Reiselounge Anzing gehört, Gesundheitsämter in der Pandemie zu unterstützen. Da die 43-jährige mit ihrer Familie in Dorfen im Landkreis Erding wohnt, aber in Anzing arbeitet, hat sie die Bewerbung an beide Landratsämter geschickt. Die Antwort von Brigitte Keller, Leiterin des Corona-Krisenstabs im Landratsamt Ebersberg, kam nach zwei Tagen. "Gemeinsam mit dem Plan, die gesamte Hotline auszulagern", sagt Aschenbrenner, woraufhin sie Ende Herbst alle Reisebüros des Landkreises kontaktierte. Jetzt betreuen die Hotline das Reisewerk Poing, das Reisestudio Bernau, Palma Reisen Zorneding, das Busunternehmen Ettenhuber und eben die Reiselounge Anzing. "Wir teilen uns die Leitungen", erklärt Aschenbrenner und deutet auf das schwarze Gerät links neben ihrem Computer. Wenn sie in der Leitung ist, leuchtet ein kleines Licht rot auf. Sie meldet sich schnell wieder ab. "Das ist gerade nicht notwendig, meine Kollegin ist schließlich drin."

Eigentlich ist es der Job von Daniela Aschenbrenner, Leute in die weite Welt zu bringen. Doch in der Corona-Krise unterstützt ihr Reisebüro das Landratsamt Ebersberg und informiert telefonisch etwa über Impfen, Einreisebestimmungen und Quarantäneregeln. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von 8 bis 18 Uhr ist das Bürgertelefon an Werktagen zu erreichen, statt fünf Leitungen sind es Montagmorgen sogar acht, "da ist immer mehr los", so Aschenbrenner, Samstag, von 10 bis 14 Uhr, sind zwei Leitungen erreichbar. "Am Wochenende wechseln wir uns unterhalb der Büros immer ab". Das Praktische an den Geräten des Landratsamts: "Durch den LAN-Anschluss kann man die Anrufe auch leicht von zu Hause annehmen und die Arbeit von dort aus erledigen".

Im Prinzip sind es immer Fragen zum neuesten Beschluss. "Am Anfang ging es viel ums Impfen, dann um Einreisebestimmungen, um die Ausnahmen der Grenzpendler oder Partner im Ausland", so Aschenbrenner, "als die 15-Kilometer Regel eintrat, gab es dazu viele Anrufe, dann wegen der FFP2-Maske, gerade von einkommensschwachen Menschen". Der Lockdown an sich sei verstanden, es sei immer das Thema, was gerade neu und aktuell sei. "Wobei wir natürlich erst etwas sagen können, wenn der Gesetzestext vorliegt", betont Aschenbrenner, und das könne nach einem Beschluss der Regierung einige Tage dauern. Hauptansprechpartner für die zuständigen Reisebüros ist Dominik Hohl vom Landratsamt Ebersberg. Mit ihm habe es auch eine Zoom-Schulung vorab gegeben, "damit wir zum Beispiel genau wissen, was eine Quarantäne ist, was eine Isolation, und was Kontaktpersonen 1 und 2 unterscheidet". Jetzt schickt er regelmäßig Updates und Neuerungen per Mail.

Auch wichtig zu wissen: Die Mitarbeitenden der Reisebüros können keine Quarantäne oder dergleichen aussprechen, dazu ist nur das Gesundheitsamt befugt. Außerdem werden Daten nicht gespeichert.

Tatsächlich unterscheidet sich Aschenbrenners neuer Alltag gar nicht so sehr von ihrem gewöhnlichem. Mal klingelt das eine Telefon mit dem Anzinger Anschluss, dann das andere mit der Nummer der Hotline, wichtig bei beiden ist immer der Kundenkontakt. "Wir haben uns auch vorher schon mit Einreisebestimmungen beschäftigt, nun geht es statt einem Visum eben um PCR-Tests", so die 43-jährige. "Wir beantworten immer schon Fragen, jetzt sind es einfach andere." So sei man natürlich auch privat bestens über aktuelle Regeln und Bestimmungen informiert.

Seit der Einrichtung Ende Dezember erreichen die Bürger-Hotline jede Woche einige Hundert Anrufe. "Die Leute sind zu 90 Prozent voll in Ordnung", betont Aschenbrenner. Man dürfe sich nur nichts zu Herzen nehmen, in seltenen Fällen werde man nämlich auch angepöbelt. "Es gibt auch Leute, die sich als Kontrolleure aufspielen", erzählt Möstl. Die Altersklassen seien immer bunt gemischt.

Corona ist nicht die erste Krise für die Tourismusbranche. Aschenbrenner, die seit 1998 im Geschäft ist und sich mit Andrea Möstl 2011 in Anzing selbständig gemacht hat, erwähnt die Terroranschläge am 11. September 2001, die Finanzkrise oder auch den Vulkanausbruch in Island 2010, der den Flugverkehr erheblich beeinträchtigt hat. "Aber", sagt sie und winkt ab, "das ist im Nachhinein alles pillepalle." Die Coronakrise sei die heftigste.

Die Reiselounge Anzing lebe nicht von Laufkundschaft, so Aschenbrenner, anders als typische Reisebüros in Kaufhäusern. "Wir hätten es auch so geschafft", sagt sie "allerdings ist schon angenehm zu wissen, dass durch die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ein bestimmter Betrag jeden Monat gesichert ist." Ein weiterer Grund für sie das Bürgertelefon zu übernehmen: "Man hat wieder einen geregelten Tagesablauf, es gibt wieder Struktur." Das sei ihr wichtig. Gerade nachdem die Arbeit mit den vielen Stornierungen im Frühjahr und den Buchungen im Sommer nachgelassen hatten, sei weniger zu tun gewesen. Bis Ende April geht der Vertrag der fünf Reiseunternehmen noch mit dem Amt, "mit der Möglichkeit für Änderungen entsprechend der Situation", so die gelernte Bankkauffrau.

Wie viele andere hat Daniela Aschenbrenner im Lockdown ihr Haus entrümpelt, im Frühjahr das erste Mal, jetzt im Winter gleich das zweite Mal. Spaziergehen sei vorher auch nicht ihr Tageshighlight gewesen, sagt sie und lacht. Sie liest gerne und macht Yoga, im Urlaub fährt sie am liebsten in die Berge, oder nach Sylt. Lieblingsziele weiter weg sind Griechenland und die Emirate. Für September hat sie Zypern gebucht. "Da bin ich überzeugt, dass das klappt", sagt sie. Als ihre Kollegin das hört, äußert sie Bedenken. Sicher sagen kann Aschenbrenner aber eines: "Die Reiselust der Menschen ist immens". Nur sei die Verunsicherung ebenso groß. Fernreisen würden sie deshalb kaum verkaufen, "was im Sommer gut ging war Italien, Österreich oder die Nordsee. Wo eine eigene Anreise möglich war". Jetzt hoffe man auf Ostern und Pfingsten.

Bald nach dem Gespräch werden sich Andrea Möstl und Daniela Aschenbrenner auf den Heimweg machen. Möstl in den Feierabend, und Aschenbrenner ins Homeoffice, denn zu Hause hat sie noch eines der Telefone des Landratsamts stehen. Von dort wird sie dann die Leitung der Reiselounge Anzing für das Bürgertelefon übernehmen.

Das Corona- Bürgertelefon ist unter der Nummer (08092) 85 16 16 zu erreichen.

© SZ vom 20.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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