Quartett zu dritt:Neues aus Liverpool

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Vor der Christophoruskirche geben Mardi Gras die Fortsetzung ihres im vergangenen Jahr bejubelten Beatlesabend. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mardi Gras begeistern in Zorneding mit einem Beatlesabend - dabei ist auch Unbekanntes über die bekannteste Band der Welt zu hören

Von Wolfgang Langsenlehner, Zorneding

In diesen für alle Kulturschaffenden und Kulturgenießenden schweren coronageprüften Zeiten ist jede Möglichkeit die Blockade zu durchbrechen ein Lichtblick. Für vergangenen Freitag hat sich die bekannte, beliebte und erfolgreiche Band Mardi Gras in Zorneding angekündigt. Die Musiker bestreiten bei der evangelischen Christophoruskirche einen Abend der besonderen Art. Ihr letztjährig gestalteter Beatlesabend wurde so gut angenommen, dass es zu einer Fortsetzung kam und auch der Sommerabend nicht besonders lau war, konnte Mardi Gras open air im Atrium der Kirche spielen.

Unter dem Motto "AlWrite" führen Rudi Baumann, Bernd Delakowitz und Karl-Heinz Mayer durch ein vielfältiges Programm und beleuchten sowohl die Songtexte, als auch andere Texte und natürlich die Musik der Beatles. Ihre Unterstützung dabei, Carl H. Demuß, der als Autor recherchiert hatte und die Rezitation übernehmen sollte, musste wegen Krankheit leider entschuldigt werden und so übernahmen die drei Musiker kurzfristig auch die Darbietung der Texte.

Nun ist es natürlich nicht so ganz einfach einen Abend mit Liedern einer der erfolgreichsten, bekanntesten und besten Pop- und Rockband aller Zeiten für alle Ansprüche zu gestalten. Jeder kennt die Songs, jeder verbindet mit den Beatles seine eigenen Vorstellungen oder gerade beim anwesenden Publikum eigene Erinnerungen an diese Zeit oder mit dieser Musik. Auch ich als "Zuspätgeborener" sehe mich noch verwachsen mit meinem ersten Walkman, Kassetten mit Beatlessongs hörend und die Texte studierend. Aber trotz dieser Ausgangslage geht es Mardi Gras nicht um die Wiederholung von Klischees. Nein, es soll durchaus etwas Neues, Unbekanntes oder Unvorhersehbares zu entdecken sein. So sind die Musiker auf Texte gestoßen, die auch für sie neu waren und so manches persönliche Bild der vier Jungs aus Liverpool zurechtgerückt haben. So werden bei diesem Programm abseits der radiotauglichen Melodien auch die Ecken und Kanten der Beatles gezeigt und unbekanntere Klänge dargeboten. Es werden Aspekte sichtbar, die noch nicht so ins Bewusstsein gedrungen sind und für Überraschungen sorgen, Schmunzeln oder Verwunderung hervorrufen.

Mardi Gras haben sich intensiv mit der Musik der Beatles auseinandergesetzt und sich nicht gescheut Herausforderungen anzunehmen, die im ersten Moment unmöglich erscheinen. Ist es schon eine erstaunliche Leistung zu dritt ein Quartett zu spielen, so erscheint die Umsetzung von "A Day in the Life" oder "All you need is Love" geradezu größenwahnsinnig. Denn schließlich haben die Beatles damals mit solchen Songs die Grenzen der populären Musik und gleichzeitig der Aufnahmetechnik gesprengt. Aufgrund ihres Erfolges hatten sie unerschöpfliche Ressourcen zur Verfügung, wie zum Beispiel ein 40-köpfiges Klassikensemble oder die damals innovative Möglichkeit Einspielungen zu integrieren. Davon ließ sich das Trio nicht abschrecken. Es arbeitet den melodiösen und rhythmischen Kern der Kompositionen heraus und tüftelt raffinierte Neuarrangements aus, die nicht nur genial und überaus gekonnt sind, sondern neue Klangerlebnisse aufleuchten lassen.

Gerade bei den Beatles, der meistgecoverten Band der Pophistorie, ist es eine Glanzleistung eine neue künstlerische Vision geltend zu machen. Egal ob Delakowitz zwei verschiedene Mundharmonikas bei "Love me do" spielt, Baumann die Ukulele für "Something" einsetzt oder der gelungene Versuch beim Outro von "Girl" die Gitarre nach griechischem Sirtaki klingen zu lassen, die Umsetzung bei Mardi Gras gelingt grandios und zeigt nicht zum ersten Mal die Spielfreude, die Professionalität und musikalische Offenheit der sehr gut aufeinander abgestimmten Musiker. Bewusst wurden Lieder wie "Things we said today" oder "You've got to hide your love away" ausgewählt, die man seltener zu hören bekommt, oder der Song "Komm, gib mir Deine Hand", dessen deutscher Text eigens von Camillo Felgen für die Beatles geschrieben wurde. Gerade den mehrstimmigen Gesang, ein Markenzeichen der "frühen" Beatles beherrscht auch Mardi Gras geprägt von seiner eigenen Bandgeschichte mühelos. Während Rudi Baumann den Gesang sowohl von Lennon, als auch von McCartney gut interpretieren konnte, traf er den individuellen Charakter von Harrison's Song "Something" weniger.

Ein fulminant mitreißendes "Let it be", ein dreistimmig intoniertes "Yesterday", wie ein trauriges Abschiedslied von einer langen Nacht, leiteten über zu einem fast sakralen "The End", angekündigt als das letzte gemeinschaftlich aufgenommene Lebenszeichen der Beatles. Mardi Gras beendet einen stimmigen, wundervollen Abend, dem eine Einladung zur Fortführung nächstes Jahr und ein langer Applaus folgen.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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