Prozess vor dem Amtsgericht in Ebersberg:Dealen im großen Stil

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Ein 29-Jähriger soll mit 1,1 Kilo Marihuana gehandelt haben. Seinem 37-jährigen Freund wird Beihilfe vorgeworfen

Das Leben der jungen Paares drehte sich ums Kiffen. Morgens, wenn andere die Kaffeemaschine anschalten, rauchte der 29-Jährige bereits die erste Bong. Die 32-jährige Freundin rollte sich die Grastütchen abends, nach der Arbeit. Es wurde viel gestritten, böse übereinander geredet, die Beziehung zerbrach.

Wenn man der 32-Jährigen zuhört, die vor dem Schöffengericht gegen ihren ehemaligen Freund aussagt, kann man sich vorstellen, wie die Drogen das Leben der beiden beherrschten. Als sie schwanger war, stieg sie aus der Szene aus, erzählt sie. Und dann ging der Hass aufeinander los. Die 32-Jährige berichtet von Gemeinheiten, von Urin im Briefkasten, abmontierten Reifen. Sie beschimpft den Ex-Freund als "manipulativen Narzissten". Als einen, der andere ausnutzt, sein Leben verplempert. Sie teilt kräftig aus, gibt jedoch auch zu, dass sie ihren Ex und dessen Freund ebenfalls beleidigte und ihnen drohte, die Drogengeschäfte anzuzeigen. "Wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst, gehe ich zur Polizei", sagte sie. Und tat es. Sie erzählte den Ermittlern, wie das Marihuana übergeben wurde und wo es lagerte. Wie ein Polizist als Zeuge berichtet, war die Aussage der 32-Jährigen die Grundlage für die Dursuchungsbefehle. In der Wohnung des 29-Jährigen fanden die Ermittler 300 Gramm Marihuana und Bargeld. Im Waschraum der Wohnung des 37-jährigen Freundes fanden sie 500 Gramm Cannabis. Angeblich soll er dies für den 29-Jährigen aufbewahrt haben. Deswegen muss er sich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Markus Nikol verantworten. Mit dem hohen Wirkstoffgehalt des halben Pfundes habe er die nicht geringe Menge um das 3,3-fache überschritten, hält ihm der Staatsanwalt in der Verhandlung am Vormittag vor.

Am Nachmittag wird dem 29-Jährigen der Prozess gemacht. Auch er muss sich vor dem Schöffengericht verantworten. Handel und Besitz von 1,1 Kilo Marihuana wird ihm vorgeworfen. Dazu kommen der 300-Gramm-Fund in seiner Wohnung und die 500-Gramm-Platte, die er bei seinem Freund gelagert haben soll. Es sind schwere Vorwürfe gegen den 29-Jährigen, der unter doppelter Bewährung steht. Laut Anklage überschritt er die nicht geringe Menge um das 8,8-fache. Nach einem einstündigen Rechtsgespräch, das auf die Verlesung der Anklage folgte, räumt der 29-Jährige den Verkauf von Marihuana ein. Zur Erklärung lässt er über einen Verteidiger angeben, damit seinem Suchtdruck nachgegangen zu sein. Darüber, wie viel und über welchen Zeitraum er mit Drogen handelte, macht er keine Angaben.

Über Mengen spricht der Lieferant, der als Zeuge vor Gericht aussagt. Der Drogenhändler ist wegen seiner Geschäfte bereits rechtskräftig verurteilt worden. Er bestätigt, dass er den 29-Jährigen regelmäßig mit Marihuana beliefert habe. Die Drogen seien in einem Roller vor der Haustüre deponiert worden, die Bezahlung erfolgte bei der nächsten Übergabe.

Der Ermittler, der das Mobiltelefon des Angeklagten durchforstete, fand anhand des Chatverlaufs sieben Abnehmer. Der Angeklagte habe kooperiert und alles zugegeben. Während der Durchsuchung sei der 29-Jährige sehr betroffen und weinerlich gewesen und zugleich erleichtert. "Er ist fast übergesprudelt und wollte alles erzählten, um reinen Tisch zu machen", berichtet der Ermittler. Seine Abnehmer allerdings habe der junge Mann nicht nennen wollen. Als Grund soll er dem Polizisten gesagt haben: "Ich möchte niemanden belasten, der ein bisschen Glück braucht."

In sich gekehrt sitzt der 29-Jährige auf der Anklagebank. Er ist blass und wirkt schüchtern. Am Vormittag hatte er als Zeuge im Prozess seines Freundes ausgesagt. Er berichtete von der schwierigen Beziehung zu seiner Ehemaligen. Die gemeinsame Tochter habe er oft nicht sehen dürfen. Immer wenn sie mit ihm böse gewesen sei, habe sie auch seine Freunde mit in Sippenhaft genommen. Für beide Angeklagten geht es um viel. Der Prozess gegen den 37-Jährigen wird vertagt. Es müssen die Vermieter gehört werden, die erklären sollen, ob der Waschraum, in dem die Drogen lagen, offen zugänglich war. Auch der Prozess gegen den 29-Jährigen wird unterbrochen. Sein Verteidiger kündigt an, bis zur Fortsetzung eine Erklärung abgeben zu wollen. Seiner Ansicht nach kann die Aussage des Ermittlers nicht verwertet werden, sein Mandant sei fehlerhaft als Beschuldigter belehrt worden.

© SZ vom 26.06.2020 / lela - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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