Prozess in Ebersberg:3,5 Kilo Marihuana in zwölf Monaten

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Ein 29-Jähriger muss für zwei Jahre in den Zwangsentzug

Von Johannes Korsche, Ebersberg

Am Mittwoch ist sein Geburtstag, der Angeklagte aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg wird 30 Jahre alt. Das wirkt sich natürlich nicht strafmildernd aus und bei einem Urteil von zwei Jahren in einem geschlossenem Entzug, wie es Richter Markus Nikol am Dienstagmittag im Amtsgericht Ebersberg schließlich verkündete, von einem Geschenk zu sprechen, wäre wohl auch verkehrt. Von April 2018 an hatte der Angeklagte innerhalb eines knappen Jahres etwa 3,5 Kilogramm Marihuana gekauft - und abzüglich seines erheblichen Eigenverbrauchs damit gedealt. Im Juristendeutsch heißt das dann: Er habe Betäubungsmittel in "nicht geringen Mengen" gekauft, besessen und gehandelt, was im allerschwersten Fall bis zu 15 Jahre Haft bedeuten kann.

Doch ein so schwerer Fall, so die Meinung des Gerichts, lag nicht vor. Nikol folgte damit einer wesentlichen Argumentation des Verteidigers Kevin Rebentrost. "Er ist nicht der klassische Drogendealer, der sich damit eine goldene Nase verdienen wollte", sagte Rebentrost. Was sich auch daran zeige, dass von den Geschäften kein Geld übrig geblieben sei. Er habe keine dicken Autos, sondern seine Sucht finanziert. Und die war, nach eigenen Angaben, enorm ausgeprägt. Pro Tag habe er um die fünf Gramm Gras geraucht, 20 bis 30 Töpfe. Alles in allem kostete das bis zu 70 Euro pro Tag. Außerdem, führte der Verteidiger zusätzlich strafmildernd an, habe sein Mandant "sehr früh gestanden", schon auf der Rückbank des Polizeiautos bei der Festnahme. "Damit das endlich aufhört", soll er damals gesagt haben. Während der Verhandlung sagte der Angeklagte dann aber nicht mehr viel. Nur, dass er eine drogenfreie Zukunft anstreben wolle. Ansonsten verfolgte er das Verfahren schweigend.

Das Reden übernahm sein Verteidiger, wenngleich, um zu erklären, dass er aus gesundheitlichen Gründen keine FFP2-Maske tragen könne, sein Attest allerdings nicht dabei habe. Eine Verhandlungspause später - Rebentrost bekam eine OP-Maske gestellt - ging es weiter. Allerdings zunächst hinter geschlossenen Türen. Das Ergebnis: Sollte der Angeklagte sein Geständnis nicht widerrufen, werde das Strafmaß von zwei Jahren nicht überschritten. Am ersten Verhandlungstag hatte die Verteidigungsstrategie noch daraus bestanden, das Geständnis zu kippen, wie Nikol sagte. Nun betonte Rebentrost, wie früh sein Mandant geständig war und wie erst durch seine Aussage der Hintermann - gewissermaßen der Dealer vom Dealer - geschnappt werden konnte.

Die Zeugen wurden schließlich nicht mehr gehört. Auch nicht die Exfreundin des Angeklagten, die mit ihrer Aussage bei der Polizei das Verfahren ins Rollen gebracht hatte. Denn erst daraufhin durchsuchte die Polizei die Wohnung des Angeklagten und fand etwas mehr als 300 Gramm Marihuana und gut 500 Euro, die allem Anschein nach vom Dealen kamen.

Das psychiatrische Gutachten bescheinigt dem Angeklagten eine schwierige Kindheit und Jugend. Der Vater sei schwer alkoholkrank, heißt es da. Während der Kindheit habe er ihn körperlich und psychisch misshandelt. Tritte und Beschimpfungen. "Du bist nichts wert", soll der Vater dem kleinen Jungen immer wieder gesagt haben. Mit 13 Jahren habe er zunehmend auf der Straße gelebt, ältere Freunde gehabt und angefangen, Drogen zu nehmen. Einen Schulabschluss hat er damals nicht gemacht. Er baute stattdessen ein zunehmend längeres Register auf, zwölf Einträge zählt das Führungszeugnis nun. Allesamt im Zusammenhang mit Fahren ohne Führerschein, mal in Verbindung mit einem fehlenden Haftpflichtvertrag, mal auf einem frisierten Roller. Den Schulabschluss holte er später in einer Jugendarrestanstalt nach.

Die Sucht bekam er nicht in den Griff. Seinen Konsum habe er in den vergangenen Monaten reduziert, auch um seinen Job nicht zu gefährden, heißt es in dem psychiatrischen Gutachten. Zudem erlaube seine derzeitige Lebensgefährtin nicht, dass er in der Wohnung kifft. Weiter heißt es, der Angeklagte zeige die Motivation, den angestrebten Entzug durchzuziehen. Zwei Jahre hat er in einer Entzugsanstalt nun Zeit, die Strafe ist nicht zur Bewährung ausgesetzt.

© SZ vom 31.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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