Prozess am Ebersberger Amtsgericht:Die Summe macht's

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Ein 18-Jähriger aus dem Landkreis soll Polizeibeamte gefilmt und beschimpft haben - es sind nicht seine ersten Straftaten

Von Antonia Voelzke, Ebersberg

Immer wieder geriet er in Konflikt mit dem Gesetz. Immer wieder waren es kleinere Vergehen, derer er sich schuldig gemacht hatte. Während er eigentlich noch auf Bewährung ist, ein Gerichtsprozess gegen ihn in den nächsten Tagen ansteht und eine weitere Anklage auf dem Weg ist, musste sich ein 18-Jähriger in diesem Prozess wegen Beleidigung und unerlaubter Tonaufnahme von mehreren Polizisten vor dem Ebersberger Amtsgericht, rechtfertigen. Trotz der verhältnismäßig geringfügigen Straftat, droht die Staatsanwältin sogar mit Gefängnis.

"Unabhängig jeder Rechtssprechung muss ich eines sagen", eröffnet der Richter das Verfahren, "die Aktion war mal wieder unnötig". Im November 2019 soll der Angeklagte nach einer Partynacht in München mit Freunden in Richtung U-Bahn gelaufen sein und dabei lautstark randaliert haben. Anwohner riefen die Polizei. Als die Beamten zum Ort des Geschehens kamen und nach den Personalien des Angeklagten und seiner Freunde verlangten, weigerte sich der Angeklagte seinen Personalausweis zu zeigen. "Ich fühlte mich persönlich angegriffen und war der Meinung, dass die Beamten kein Recht auf eine Personenkontrolle hatten", sagt der Angeklagte. Um Beweismaterial für mögliche Straftaten seitens der Beamten zu sichern, habe er angefangen zu filmen, sagt der 18-Jährige. Nachdem die Beamten den Angeklagten mehrmals ermahnten, das Filmen zu unterlassen und dieser der Aufforderung nicht folgte, entwendeten die Polizisten dem Jugendlichen das Handy. Daraufhin soll dieser einen Polizisten mit "du Krüppel" und "du hässlicher Spast" beschimpft haben.

"Die Beleidigungen kamen aus dem Nichts", sagt ein beteiligter Beamter, welcher als Zeuge vor Gericht geladen war. Er sei als Letzter seiner Kollegen vor Ort gewesen. Als die Situation drohte zu eskalieren, schaltete ein Kollege seine Bodycam ein, berichtet der Polizist. Auf die Frage des Richters, warum die Videoaufnahme des Jugendlichen den Beamten so gestört habe, antwortet dieser, dass er in der Tonaufnahme der taktischen Absprachen der Beamten untereinander eine Straftat gesehen habe. Im Prozess wird klar, dass Videoaufnahmen von Polizeibeamten in der Regel nicht illegal sind, problematisch werde es bei Tonaufnahmen. Wie im Prozess erörtert, könne hierbei eine "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" vorliegen.

Sowohl die Videos des jungen Mannes, als auch die Aufnahmen der Bodycam der Polizisten werden im Gerichtssaal gemeinsam angesehen. Während die Handyvideos des 18-Jährigen lediglich ein paar Sekunden des Vorfalls zeigen, hört man im Video der Polizisten deutlich die Stimmen aller Beteiligten. "Ich kenne meine Rechte", ruft der junge Mann. Die Beleidigungen selbst sind nur schwer herauszuhören. "Das muss wohl vom Piepen der Bodycam beim Einschalten überdeckt worden sein", sagt der anwesende Beamte.

Dass die Beleidigungen gefallen sind, ist spätestens klar, als der Angeklagte sich beim Beamten entschuldigt. "Das war nicht angemessen, und sie sind kein Krüppel", sagt der 18-Jährige schuldbewusst. Es ist indes nicht das erste Mal, dass der junge Mann auf der Anklagebank sitzt. In den vergangenen Jahren ist er immer wieder auffällig geworden. Mal wurde er zwölfmal hintereinander beim Schwarzfahren erwischt, mal stand er wegen unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs vor Gericht. Im Prozessverlauf fiel vor diesem Hintergrund immer wieder die Bezeichnung "schädliche Neigung". Eine "schädliche Neigung" liegt im juristischen Sinne dann vor, wenn eine Person aufgrund eines schwierigen Lebenslaufs erhebliche Erziehungsmängel aufweist und daher immer wieder durch kleinkriminelle Vergehen auffällig wird. Auch die Lebenssituation des 18-Jährigen scheint schwierig.

Angesichts der Tatsache, dass neben dem aktuellen noch zwei weitere Verfahren anstehen, sieht die Staatsanwältin trotz Entschuldigung und schwieriger Lebenssituation des Angeklagten davon ab, die Anklage fallen zu lassen. "Irgendwann ist genug, sonst landen Sie wirklich im Gefängnis", mahnt sie.

Auch der Richter sieht davon ab die Klage ganz fallen zu lassen. Er entscheidet sich, die Verurteilung lediglich auf die Beleidigung der Beamten einzuschränken. Der 18-Jährige erhält eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro, welche er in Raten abbezahlen soll.

Ob der Angeklagte sich seiner Schuld wirklich bewusst ist und dies ihn auch in Zukunft von weiteren Straftaten abhalte, dürfte wohl auch in den noch anstehenden offenen Prozessen die zentrale Fragestellung sein.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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