Premiere in Moosach:Intensiver Dialog

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Die beiden Darsteller dominieren den Raum, obwohl sie sich kein einziges Mal von den Stühlen erheben. Der 22-jährige Markus Beisl mimt einen Sohn im Zwiegespräch mit dem toten Vater. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Autor Simon Werle präsentiert seinen neuen Text "Duell vorm Morgengrauen" im Meta Theater. Die szenische Lesung mit zwei Darstellern dient als Probelauf - erst jetzt geht das Werk an den Verlag

Von Michaela Pelz, Moosach

"Ich hab' da wieder was, das will aus dem Schreibtisch raus auf die Bühne!", erinnert sich Axel Tangerding an das Telefonat mit Simon Werle. Klar, dass der Gründer und Leiter des Meta Theaters sich nicht lange bitten ließ und sein Haus in Moosach für eine szenische Lesung des packenden Vater-Sohn-Zwiegesprächs "Duell vorm Morgengrauen" zur Verfügung stellte, wie er es für die Texte des preisgekrönten Autors und Übersetzers seit Ende der Achtziger schon mehrfach getan hat.

Der Inhalt des von Markus Beisl und Martin Pfisterer gelungen präsentierten, einstündigen Werks ist schnell erzählt: Ein junger Mann, der seinen Vater nie kennengelernt hat, steht vor dessen Foto und will um jeden Preis Rede und Antwort auf seine drängenden Fragen. Mit einem Mal ertönt tatsächlich eine zweite Stimme und es entspinnt sich ein Dialog. Klingt simpel, ist aber außerordentlich komplex. Denn der Sohn hat nicht nur seinen Vater bereits vor der Geburt verloren, sondern auch seine leibliche Mutter nie kennengelernt, da sie ihn zur Adoption freigab. Es liegt also nahe, dass da einer verzweifelt nicht nur nach seiner Identität sucht, sondern auch wissen will, was sich in der Vergangenheit zwischen seinen Eltern zugetragen hat.

Das jedoch trifft nur in Teilen zu. Wie sich nach und nach herausstellt, kennt der Sohn dank mysteriöser Quellen sehr wohl die ganze Geschichte und will den Vater eher dazu zwingen, ihm nahe zu sein und sich zu erklären. Der jedoch gibt ihm nicht, was er will. Stattdessen blockt er erst ab, bevor er anfängt zu sticheln und den Filius mit Manipulationsversuchen zu bedrängen. Das Ende kommt mit einem Knalleffekt daher, weswegen es einen langen Moment dauert, bevor der Applaus einsetzt.

Der anwesende Autor ist hochzufrieden, wie auch Theaterchef Tangerding: "Das Stück hat einen Sog entwickelt, obwohl gar nichts passiert ist - nicht einmal eine Veränderung des Lichts!" So sehen es auch die Zuschauer, von denen man sich wünscht, es wären mehr gewesen als dieses gute Dutzend. Eine Dame meint: "Das war alles so lebendig, man hätte auch mit geschlossenen Augen wahrnehmen können, was passiert!" Ihr Begleiter ergänzt: "Das ging unter die Haut!" Es ist sein erster Besuch hier - hergeführt hat ihn die Begeisterung für den Autor. "Ich habe bestimmt schon sieben oder acht seiner Lesungen besucht, das ist jedes Mal ein Erlebnis."

Das lässt sich für "Duell vorm Morgengrauen" vorbehaltlos bestätigen. Gebannt verfolgt man, wie der 22-jährige Markus Beisl dem erst so verletzlichen, dann immer sicherer werdenden Jüngling Leben einhaucht. Auf mitreißende Weise fleht, trotzt, triumphiert und behauptet sich der Schlaks mit dem strubbeligen Haar, bevor er alle mit einer lebensechten Imitation gackernder Hühner verblüfft. Darauf angesprochen, lacht er: "Method Acting halt; ich komme vom Bauernhof. Sie sollten erst mal meine Kuh hören!"

Kein Wunder, dass der angehende Absolvent der Neuen Münchner Schauspielschule für diesen Part von seinem Sprechtrainer Martin Pfisterer vorgeschlagen wurde. Der ist mit Werles Werken wohlvertraut. "Sicher schon zehn Mal habe ich damit in unterschiedlicher Besetzung auf der Bühne gestanden." Sein Auftritt im Meta Theater ist eine Premiere. "Doch es hat sich direkt so angefühlt, als würde ich nach Hause kommen!" Das merkt man: Trotz nur einer einzigen Probe beherrschen die beiden Akteure souverän den Raum. Dabei gibt der Dozent, Coach und Sprecher dem ironischen, spöttischen, überlegenen und ungeduldigen Vater nicht nur eine überzeugende Stimme, sondern lässt ihn so lebendig werden, dass man meint, Pfisterer habe sich schauspielerisch komplett verausgabt, obwohl er seinen Stuhl tatsächlich nicht ein einziges Mal verlassen hat.

Ebenso wenig wie Simon Werle, der in der ersten Reihe sitzend die Regieanweisungen gelesen und konzentriert jede noch so kleine Nuance auf und vor der Bühne wahrgenommen hat. Er sagt: "Meine Erwartungen haben sich voll und ganz erfüllt. Erst in so einem Theater kann sich der Text richtig entfalten, das Ganze entwickeln." Ein Jahr lang hat er an "Duell vorm Morgengrauen" gearbeitet, nun will er es mit zwei kleinen Änderungen seinem Verlag zur Inszenierung und/oder in einer Hörfassung anbieten. "Das Stück ist flügge - ich gebe es frei! Nach diesem Probelauf kann es jetzt in der Hand eines Regisseurs seinen Weg machen!"

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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