Premiere in Markt Schwaben:Die Legende lebt

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Feuerwehrmänner strippen, Männer tragen Röcke und ein Monster kehrt zurück. Die Weiherspiele feiern das Freilicht-Spektakel "Nessie"

Von Sara Kreuter

Sanfte Melodien erklingen über Loch Ness. Die Trauergemeinde wartet schweigend, schwarzer Trauerflor ziert die gräflichen Burgruinen. Sogar im Publikum stehen andächtig fünf Gestalten, im Schottenrock erweisen sie dem Millionär die letzte Ehre. Einzig die Schottenmützen nehmen die Spaßvögel nicht ab - wohl, weil ihre rote Perückenpracht daran befestigt ist. Ohnehin unnötig, diese Ehrenbekundung, wie sich kurz darauf herausstellt, denn gestorben ist der amerikanische Millionär (Maurizio Cecchin) entgegen der Hoffnung der gräflichen Familie MacAlister nicht.

Schaurig und düster wird es zuweilen bei den Weiherspielen in Markt Schwaben. "Nessie - eine ungeheuerliche Geschichte" heißt das Stück, mit dem das Laientheater seine Zuschauer in die grüne, touristenreiche Landschaft in Schottland entführt. Wohl ein wenig zu authentisch war Spielleiter Josef Schmid die Premiere am Vortag; nach einer halben Stunde Spielzeit muss er die Vorführung wegen Dauerregens abbrechen.

Begierig warten die Zuschauer am Tag darauf erneut auf Nessie, das Monster, das Schottland seit Jahrhunderten in Atem hält. Hälse werden gereckt, das Flussufer wird mit den Augen abgetastet. Ob sich Nessie endlich zeigen wird? Der Amerikaner im Stück, Weltmann durch und durch, kann nicht recht an die Existenz des Monsters glauben. "Haben Sie Nessie schon einmal gesehen?", verspottet er die schottischen Bürger zuweilen. Doch Scott MacAlister (Fritz Humplmayr), dritter Earl von Dunhill, lässt den Vorwurf des Aberglaubens nicht gelten. Schließlich glaube die Menschheit auch an einen Gott, ohne ihn jemals gesehen zu haben. Das Publikum lacht, quittiert die Weisheiten des Schotten mit einem Kopfnicken. Zynischer schon sieht der Touristenführer die Dinge: Nessie erscheine gewöhnlich nach dem ersten Scotch, merkt er an.

Zunächst läuft die Handlung am Weiher nur schleppend an, vereinzelt klingen ein paar Lacher, der Applaus ist rar. Langsam zieht die Dämmerung über die nur zur Hälfte besetzte Zuschauertribüne, mit zunehmender Dunkelheit steigt aber auch die Spannung. Ein Striptease der Feuerwehrmänner weckt die Zuschauer aus ihrer Lethargie, Pfiffe tönen aus der Menge. Die Zuschauer, in Decken eingehüllt, schauen nun gebannt auf die Bühne. Hier kämpft die finanziell ruinierte Familie MacAlister um ihren Besitz. Als ein Amerikaner ihr Schloss erwirbt, muss die gräfliche Familie ins Gesindehaus ziehen. Sie schwören dem Millionär tödliche Rache, die Mordversuche scheitern jedoch. Als ein schottischer Schwimmmeister auf Loch Ness verschwindet, nimmt die Geschichte eine spannende Wende. Plötzlich ist Nessie wieder in aller Munde, die Legende mehr als nur eine Geschichte. Die Ereignisse überschlagen sich.

Auf ihren Sitzen lehnen sich die Zuschauer vor. Bloß nichts mehr verpassen von dem Niedergang der MacAlisters. Die Bürgermeisterin duelliert sich im Zeichen der Liebe. Herzogin Kate erscheint im Brautkleid; "heiliger Sankt Patrick", flucht der überfallene Touristenführer. Zu den Klängen von "The Pink Panther" schleicht der Constable durch den Wald. Überfälle, Liebesgeschichten und intrigante Machenschaften verteilen sich auf den schwimmenden Bühnenelementen auf dem Weiher.

Nacht ist es mittlerweile über Loch Ness. Die Dame in der ersten Reihe kramt nach ihrer Brille. Viel sieht sie ohnehin nicht von dem Minenspiel der Akteure. Theater entsteht bei den Weiherspielen weniger durch Schauspiel, vielmehr durch Fertigkeiten in der Stimme, Intonation und Aussprache.

Resigniert klingt Scott MacAlister, als er sich den Tod wünscht, und überrascht, als der Sensenmann ihn in einem Schwanenboot abholt, um ihn ins Reich der Toten zu bringen. Einen letzten Wunsch hat der gebrochene Earl noch: Nessie sehen. Einsam und feierlich steigt er in das Boot und bekommt seinen Wunsch gewährt. Aus den Untiefen von Loch Ness taucht das unheimliche Monster hervor und beweist: "Nessie is still alive."

Trotz seines trockenen Beginns ist das Freilichtspiel ein sehenswertes Spektakel, das altertümliche Theatertradition mit moderner Spaßkultur vereint. Auch die Zuschauer scheinen zufrieden. Die fünf Schotten im Publikum verfolgt haben, stehen wieder. Worum es in der Geschichte genau ging, wissen sie nicht, gestehen sie. Aber gefallen hat es ihnen.

Weitere Aufführungen sind von Donnerstag bis Samstag, 11. bis 13. Juli, Mittwoch bis Samstag, 17. bis 20. Juli, Donnerstag bis Samstag, 25. bis 27. Juli, Mittwoch bis Samstag, 31. Juli und 1. bis 3. August, und 7. bis 10. August, geplant. Karten gibt es im Schloss Markt Schwaben jeden Montag, Mittwoch und Freitag von 16 bis 18 Uhr, Telefon 08121/224 22, online: www. weiherspiele .de. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr.

© SZ vom 08.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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