Positives Votum:Nicht nur für Reiche

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Weil das Haus an der Dorfstraße ein neues Gebäude braucht, wird derzeit an der Johann-Sebastian-Bach-Straße ein weiteres Baugebiet vorbereitet. Einigen Anwohnern und manchen Gemeinderäten missfällt das

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Ob CSU-Gemeinderat Stefan Huber als Kind ein Fan von Asterix-Heften war, ist unbekannt, in einem "Gallischen Dorf" wohnen möchte er auf jeden Fall nicht. Und genau in ein solches möchten nach Hubers Auffassung die Gegner einer aktuellen Planung im Vaterstettener Norden die Gemeinde verwandeln. Konkret geht es in der Debatte, die in der vergangenen Sitzung des Gemeinderates nicht zum ersten Mal geführt wurde, um das Baugebiet Vaterstetten Nordost.

Dass dieses geplant wird, hatte ursprünglich den Grund, dass das Haus an der Dorfstraße ein neues Domizil braucht. Die Einrichtung für Menschen mit psychischen Erkrankungen muss dringend modernisiert und vergrößert werden, was am bisherigen Standort nicht möglich ist. Daher ist der Umzug in ein neu zu bauendes Gebäude an der Johann-Sebastian-Bach-Straße, schräg gegenüber des Discounter-Supermarktes geplant.

Zumindest dieser Teil der Bebauung ist unstrittig - nicht jedoch was dazu noch passieren soll. Denn nicht nur der Bereich für das neue Haus an der Dorfstraße, sondern der gesamte Bereich zwischen Parsdorfer Weg und Föhrenweg - der einem einzigen Eigentümer gehört - soll bebaut werden. Dies ist kein unüblicher Vorgang. Um Eigentümer zu überzeugen, Grund für soziale Einrichtungen abzutreten, gewähren Kommunen oftmals großzügig Baurecht. Was sich im konkreten Fall auch für die Gemeinde Vaterstetten rentieren soll: Auf dem Areal sollen auf Kosten des Grundstückseigentümers eine Kita und Sozialwohnungen entstehen. Allerdings erhält er dafür auch das Recht, auf dem Rest davon sehr dicht zu bauen. Ein erster Entwurf sieht fünf zweistöckige Mehrfamilienhäuser sowie sieben dreispännige Reihenhäuser vor.

Was einigen im Gemeinderat deutlich zu viel ist. Zwar ging es nun lediglich um den Flächennutzungsplan, der konkrete Bebauungsplan folgt in einer späteren Sitzung. Dennoch gab es bereits jetzt massive Kritik an der absehbaren Bebauung. Wenig überraschend, aber durchaus kreativ fiel jene von Manfred Schmidt (FBU/AfD) aus. Er wiederholte sein gewohntes Mantra vom Flächenfraß, den es zu bekämpfen gelte. Dazu, und das war der kreative Teil, hatte er einen alten Zeitungsartikel von 1998 mitgebracht. Darin sprechen sich der aktuelle CSU-Fraktionschef Michael Niebler und sein Parteifreund, Zweiter Bürgermeister Martin Wagner, gegen weiteres Wachstum für Vaterstetten aus. Schmidt schaffte es sogar, seine Kritik mit einer Art von Kompliment zu würzen: Äußerlich hätten sich die beiden ja gut gehalten, aber was ihre Auffassung von Wachstum betrifft eben nicht.

Etwas prosaischer fiel die Kritik von Axel Weingärtner (Grüne) aus. Er bemängelte, dass die Gemeinde erstens viel zu schnell ein Baugebiet nach dem anderen ausweise und zweitens nicht einmal davon profitiere, wie in Nordwest, wo kommunaler Grund zu Baulandpreisen veräußert wurde: "Hier wird ohne jede Not landwirtschaftliche Fläche versiegelt, es profitieren ausschließlich Private, und die Gemeinde hat die Folgen zu tragen." Diese sind für Weingärtner vor allem der Verkehr, sein Fraktionskollege Stefan Ruoff warnte sogar vor einem "Kollaps im Straßensystem".

Hintergrund der Kritik ist, dass die Johann-Sebastian-Bach-Straße ursprünglich als Umgehungsstraße geplant war. 2004 gebaut, sollte sie den Bereich Carl-Orff-Straße, Baldhamer Straße und Dorfstraße vom Durchgangsverkehr entlasten. Nun werde ausgerechnet an diese Entlastungsstraße herangebaut, kritisierte Ruoff, so dass man bald eine Umfahrung für die Umfahrung brauchen werde. "Irgendwann bauen wir so viele Umfahrungen, bis wir gar keine Flächen mehr haben."

Auch die Bewohner der umliegenden Siedlungen, von denen einige den Weg in den Sitzungssaal gefunden hatten, zeigten sich wenig erfreut. In einer Stellungnahme warnten auch sie vor einer Verkehrszunahme und verlangten, dass wenigstens keine Direktverbindung zwischen Dorf- und Bach-Straße geschaffen werden solle, wie sie der Plan allerdings vorsieht. Dass die Verwaltung den Einwand mit Verweis auf ein Verkehrsgutachten verwarf - demnach sei kaum Abkürzungsverkehr zu erwarten - wollten einige der Anwesenden nicht akzeptieren. Sie beschwerten sich vernehmlich und mussten von Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) darauf hingewiesen werden, dass eine Gemeinderatssitzung keine Bürgerversammlung ist.

Aber auch die Kritik aus dem Gremium blieb nicht unwidersprochen. Neben Hubers Einwand, man könne in einer wachsenden Region eben nicht den Asterix geben, verwies Dritter Bürgermeister Günter Lenz (SPD) darauf, dass die Gemeinde eben sehr wohl etwas von dem Baugebiet habe. Neben der Kita und den Sozialwohnungen sei das auch der vergleichsweise günstige Wohnraum in den Mehrfamilienhäusern. Dies betonte auch Renate Will (FDP). Nordost sei "ein Baugebiet, das wir brauchen für all die, die Wohnraum brauchen und die in der Gemeinde gebraucht werden". Es sei doch unzumutbar, dass Menschen, die in Vaterstetten arbeiteten, sich hier keine Wohnung leisten könnten. Ins gleiche Horn stieß auch Christl Mitterer (CSU), auch viele Leute mit einem eigentlich "schönen Gehalt" hätten mittlerweile Probleme mit den Vaterstettener Immobilienpreisen. "Niemand sagt: ,Oh toll, da können wir wieder was zubauen'." Vaterstetten könne dieses Problem aber nicht lösen, befand Peter Reitsberger (FW): "Wir können das gesamte Gemeindegebiet zubauen und den Bedarf nicht abdecken."

Aber zumindest einen Beitrag leisten, sagte Sepp Mittermeier (SPD), der sich außerdem darüber wunderte, wie man bei den Freien Wählern für das neue Gewerbegebiet in Parsdorf sein kann "aber hier keinen Wohnraum will". Entgegen der großen Mehrheit im Gemeinderat: Gegen die Stimmen von FBU/AfD, der Grünen und Peter Reitsberger wurde die Änderung des Flächennutzungsplans auf den Weg gebracht.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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