Porträt:Ein Komiker, der gerne Traktor fährt

Lesezeit: 3 min

Bei ihm darf es auf der Bühne ruhig auch mal menscheln: Komiker Sebastian Scheuthle aus Glonn. (Foto: Hagar Lotte Geyer/oh)

Schauspieler Sebastian Scheuthle fühlt sich wohl in seiner neuen Heimat Glonn - auch wenn er mehr in Stuttgart spielt

Von Sandra Langmann, Glonn

Bereits als Kind war es Sebastian Scheuthle gewohnt, regelmäßig umzuziehen. Geboren 1980 in Heilbronn, ist die Stadt zwar sein Zuhause geblieben, doch gelebt hat er immer woanders. "Alle vier Jahre bin ich umgezogen", erzählt der Schauspieler und Komiker - und das habe nicht nur ihn, sondern auch sein Schaffen geprägt. Für Scheuthle, Sohn einer Künstlerfamilie, war die Rastlosigkeit mehr eine tolle Erfahrung denn eine lästige Gewohnheit. Seit zwei Jahren wohnt Sebastian Scheuthle nun in Glonn.

Hier gefällt es ihm zwar ganz gut, doch als Künstler"ohne bayrische Geburtsurkunde" habe man es hier schon ziemlich schwer, sagt der gebürtige Schwabe. Vor allem die fehlende bairische Mundart sei ein Handicap. Das liege daran, dass das hiesige Publikum gegenüber neuen Künstlern nicht so offen sei, ist Scheuthle überzeugt. Jedenfalls finden seine Auftritte zum Großteil am Forum Theater in Stuttgart statt, wo er seit mehr als zehn Jahren seine Programme zeigt. Gerade die Offenheit des dortigen Publikums habe die Stadt Stuttgart zu einer der Kulturstädte der Republik gemacht. Warum es Sebastian Scheuthle und seine Familie trotzdem nach Glonn verschlagen hat? Zum einen die Arbeit seiner Frau, erklärt er, " und zum anderen bin ich eigentlich ein Landei".

In seinen Programmen spricht Scheuthle weder gesellschaftliche Themen oder aktuelle Trends noch die Politik an. Diesem Künstler geht es um den Menschen als Typ, wie sein Stück "Vier Temperamente" zeigt. Als Alleinunterhalter, mit höchstens einem Tuch als Requisite, verkörpert Scheuthle darin den aufbrausenden Choleriker, den immermüden Phlegmatiker, den gut gelaunten Sanguiniker und mit trauriger Miene den Melancholiker. Die vier Temperamente also - denen sich bereits sein Vater Frieder Nögge 25 Jahre lang auf der Bühne gewidmet hat.

Scheuthle nämlich ist beruflich seinem Vater gefolgt, dem bekannten Clown und Theatermacher Frieder Nögge, eigentlich Ekkehart Scheuthle. Doch obwohl er bereits als Kind gemeinsam mit seinem Papa auf der Bühne stand und so schon früh Erfahrungen sammeln konnte, war es nicht immer leicht, in die Fußstapfen so großer Clownsschuhe zu treten. "Ich wollte keinesfalls für eine Kopie meines Vaters gehalten werden", versichert Scheuthle. Vergleicht man die Bilder der beiden, so ist nicht abzustreiten, dass sie schon rein optisch Gemeinsamkeiten aufweisen, und auch das Talent des Vaters, das Publikum mit Satire, Komik und lustigen Charakteren zu begeistern, scheint dem Sohn in die Wiege gelegt zu sein. Also trat er das kreative Erbe schließlich doch an, holte das Stück "Vier Temperamente" 2014 durch einige Veränderungen in die Gegenwart und machte sein eigenes Programm daraus. "Mein Vater spielte sehr clownesk. Ich bin eher der Komiker", sagt Scheuthle.

Frieder Nögge gründete zwei Schauspielschulen in Baden Württemberg - eine davon besuchte auch sein Sohn, doch er musste abbrechen: "2001 nahm sich mein Vater das Leben. Viel zu früh. " Heute kann der Künstler darüber sprechen, nur der schnelle Blick zur Seite lässt erahnen, wie nahe die beiden Männer sich standen. Später machte Scheuthle sein Schauspieldiplom in Hamburg fertig.

Danach schlug er einen vollkommen anderen Weg ein und begann eine Lehre zum Landschaftsgärtner. "Ich musste mich wieder sortieren", sagt Scheuthle heute. Auf die Bühne zog es ihn trotzdem: Er erprobte seine Texte heimlich bei verschiedenen Open-Stage-Veranstaltungen - um zu sehen, wie sie beim Publikum ankommen. Irgendwann wusste Sebastian Scheuthle dann: "Das muss ich machen." Zum zehnten Todestag seines Vaters suchte er aus 400 Liedern und hundert Theaterstücken die "Schmankerl" heraus. Daraus entstand das Musik-Kabarett-Stück "Es menschelt". Zusammen mit Michael Ransburg und Kilian Gutberlet spielte Scheuthle das Stück zwei Jahre lang an verschiedenen Theatern und Kleinkunstbühnen. Insgesamt brachte er in den vergangenen zehn Jahren acht Stücke auf die Bühne.

Darin hält Scheuthle den Zuschauern den Spiegel vor, jedoch nie herablassend, sondern immer mit Humor. Hinter Satire stecke immer auch ein Funken Wahrheit - das sei das Faszinierende an dieser Spielweise, schwärmt der Komiker. Wenn er den Choleriker mimt, erkennt sich der eine oder andere Zuschauer selbst darin. Seine Ideen für die unterschiedlichen Charaktere entdeckt Scheuthle im Alltag.

Den Ausgleich zur Kunst, um in der Realität zu bleiben, findet Scheuthle in der Land- und Forstwirtschaft. "Ich brauche immer wieder Abstand von dieser unwirklichen Welt", sagt er, daher helfe er auch gerne mal einem Kumpel beim Stallbau. "Auf dem Traktor kann ich abschalten. Dann kann es gut sein, dass mir gerade da wieder neue Ideen einfallen." Für sein neuestes Programm "Die Falschspieler" hat sich Scheuthle mit dem Zitherspieler Manuel Kuthan zusammengetan. Gemeinsam erzählen sie Geschichten aus dem Milieu der Wilderer, Gauner, treulosen Seemänner, Räuber und Narren. Schauplatz ist ein Vestibül, das Wartezimmer vor Himmel und Hölle, wo sich das ganze Leben mit all seinen lichten und dunklen Momenten widerspiegelt. Ruhig wird es um diesen Schauspieler also nicht - und vielleicht steht er bald auch mal in Bayern auf der Bühne.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: